Kosmetik über Falten der Bankbilanzen? Forensische Tiefenbohrung gewünscht

by Dirk Elsner on 24. April 2009

Für mich leiden die “positiven” Nachrichten aus der Bankbranche derzeit vor allem unter einem Glaubwürdigkeitsproblem. Es ist nicht so, dass ich nicht mit einer gewissen Erholung gerechnet habe. Aber ich klopfe mir auch nicht auf die Schulter angesichts meiner Aussage im Januar, dass die Bilanzen nicht so düster sind, wie damals kommuniziert wurde.

Mein Unwohlsein rührt vorwiegend daher, dass offenbar versucht wird, in alte Schemata zu verfallen. Das bedeutet, “gute” Daten wie auch immer zu produzieren und diese dann öffentlichkeitswirksam positiv zu verpacken. Die Banken kalkulieren also eine gewisse Naivität der Finanzmärkte und Investoren ein.

Es ist nun nicht so, dass ich den Banken nicht zutraue, tatsächlich ein positives 1. Quartal hingelegt zu haben. Im Gegenteil. Ich freue mich darüber, wenn es so ist und hoffe auf positive Ausstrahlung. Gleichwohl offenbart die Kommunikationspolitik der Institute Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit. Das mag auch daran liegen, dass sie mit wenigen Ausnahmen die Ursachen ihrer epischen Verluste nur sehr unzureichend erklärt haben und in Allgemeinplätze wie Handelsverluste und Abschreibungen geflüchtet sind. Immer wieder wird auch gern auf einen anonymer Verursacher namens “ Mr. Finanzkrise” verwiesen.

Rolf Benders hat gestern im Handelsblatt mal einige Fakten zusammengestellt, wie die US-Bank zu ihren hohen Gewinnen gekommen sind. Da werden tatsächlich Zweifel an der Wiederholbarkeit wach.

“Wie die amerikanischen Banken zu ihren erstaunlich hohen Gewinnen gekommen sind, zeigen besonders gut die Beispiele Goldman Sachs, Citigroup und Wells Fargo. Sie profitierten von einem Anstieg der Handelsgewinne und historisch niedrigen Refinanzierungskosten sowie den gesunkenen Abschreibungen. Letztere halbierten sich etwa bei Wells Fargo gegenüber dem vierten Quartal fast. Dank staatlicher Garantien für ihre Anleihen und einem Leitzins nahe null Prozent konnten die Banken bei weiterhin relativ hohen Kreditkosten für Industrie, Konsumenten und Häuslebauer zudem gutes Geld verdienen.

Aber die Institute nutzten auch Schlupflöcher, die die neuen Bilanzierungsregeln erlauben. Da Goldman Sachs etwa das Geschäftsjahresende vom 31. November auf den 31. Dezember verschob, fiel der letzte Monat 2008 quasi unter den Tisch. Keiner weiß so recht, was der Wall-Street-Primus dort hineingebucht hat, wodurch das erste Quartal möglicherweise günstiger dasteht, als es tatsächlich war. "Davon träumt jeder Finanzvorstand", unkte Analyst Brad Hintz, der selbst früher Finanzchef bei der untergegangenen Investmentbank Lehman Brothers war.”

Auch die von Ecolot zitierte Fortune zweifelt:

“Eine “verworrene Mathematik” unterstellt Fortune Banken wie JPMorgan Chase und Wells Fargo – mit einem mehr als offensichtlichen Ziel: “Rechtzeitig vor Beginn der “stress tests” und der damit verbundenen Möglichkeit, aus dem TARP-Programm der US-Regierung auszusteigen und staatliche Hilfen zurückzuzahlen, haben die großen Banken einen neuen Weg gefunden, um sich in bester Gesundheit zu präsentieren.” So habe JP Morgan jetzt einen Quartalsertrag vor Steuern und Abschreibungen in Höhe von 13,5 Milliarden Dollar ausgewiesen, ein Wert, der von Analysten gern gesehen, aber unter Bilanzierungsrichtlinien generell nicht anerkannt sei. Auch Wells Fargo habe mit diesem Wert – 9,2 Milliarden Dollar – gewuchert. Damit wolle man offenbar Gesundheit und Stärke demonstrieren, aber auch die Investoren überzeugen, denn diese könnten bald wieder auf mögliche Kapitalerhöhungen angesprochen werden: “Insider gehen davon aus, dass andere Banken dem Beispiel von Goldman Sachs folgen werden.” Denn noch sei das Finanzsystem längst nicht über den Berg, die Kreditkosten würden aktuell anziehen und die Belastung durch Not leidende Kredite steigen.”

Aktuell vermag ich aber einen Zusammenhang zwischen mutmaßlicher Bilanzkosmetik und dem US-Stress Test für Banken (über die die Institute ab heute informiert werden) nicht erkennen. Ein guter Stresstest sollte nämlich unabhängig von Bilanzierungsmethoden und Bilanzierungszeitpunkten sein. Misstrauisch sollte uns aber machen, wenn die Testergebnisse plötzlich alle gut ausfallen. Creditwritedowns schrieb dazu gestern, dass der Stress Test Gewinner und Verlierer hervorbringen muss. Wenn wir nur Gewinner sehen, dann dürfte das die Glaubwürdigkeit des Tests einschränken. Wir sind also gespannt, wer dazu was in den nächsten Tagen kommuniziert. Hintergrund zum Stress Test im Video oben von Bloomberg.

Ich bleibe bei meiner These, dass es den Banken nur gelingen kann, Glaubwürdigkeit zurückzuerlangen, wenn sie auch bereit sind, über negative Daten ausreichend Auskunft geben. Die Commerzbank äußert in ihrem Geschäftsbericht (S. 118)  z.B. die Erwartung einer transparenteren Darstellung der Risiken im Finanzsektor. Gemeint ist hier sicher die Darstellung gegenüber den Aufsichtsbehörden.

Ich gehe aber noch einen Schritt weiter und frage nach der Bereitschaft, diese Transparenz auch auf Investoren und Öffentlichkeit zu erweitern. Angesichts der großen Vertrauensstörung und den dadurch verursachten Vermögensverlusten in aller Welt sowie der dadurch ausgelösten  tiefen Wirtschaftskrise, wäre es sehr vertrauensfördernd, wenn die Institute einen tieferen Einblick in ihre Datenlage ermöglichen. 

Ich würde mir daher so etwas wie eine forensische Tiefenbohrung in Bilanz- und Buchhaltungsdaten wünschen. So könnte man z.B. einem sachverständigen unabhängigen Dritten erlauben, tiefer in die Bankdaten einzudringen, als dies ein Geschäftsbericht kann. Dabei geht es gar nicht darum, hier Schweinereien aufzudecken, die manch einer vermutet, sondern einfach nur darum, Vertrauen wieder herzustellen.

Viele weitere Meldungen zum Finanzsektor

FTD: Wie es um die US-Banken bestellt ist

Alphaville: CDS update: Credit markets outperform equities

Querschüsse: "CDS Volumen befindet sich laut ISDA im Absturz?"

Time: If Banks Can Challenge Stress Tests, are they Really Tests?

HB: Streit über Kapitalerhöhung bei LBBW

FAZ: Bundestag beschließt Untersuchungsausschuss

HB: WestLB braucht erneut Milliarden vom Land

FAZ: Bad-Bank-Debatte: Eine offene Rechnung für den Steuerzahler

HB: Berlin will weniger Landesbanken

RM: Landesbanken: Am Tropf der Politik überdauern die Institute jede Krise

NYT: Obama Pressures Credit Card Companies on Rates

FTD: Obama in der Kreditklemme

NYT: Credit Suisse Posts $1.7 Billion Profit

Welt: Faule Papiere :  Bad-Bank-Risiko liegt wohl bei 200 Milliarden Euro

Zeit: EU kontrolliert Ratingagenturen

Ecolot: Bad Bank-Pläne: schöngefärbt und zynisch

Egghat: Pssssst!

RMRG: Risikomanagement der Banken muss historische Komponente stärker einbeziehen

ÖN: Bankenbilanzen oder die Hauptmänner von Köpenick

Alphaville: Cuomo confidential

RMRG: EU: Schicksal der Eigenkapitalregeln für Banken weiter ungewiss

WSJ: Freddie CFO Was Told to Take Time Off

Comments on this entry are closed.

{ 1 trackback }

Previous post:

Next post: