Operatives Krisenmanagement: Unternehmenskommunikation in schweren Zeiten

by Dirk Elsner on 28. Mai 2009

Dieser elfte und letzte Beitrag der Serviceserie* zum Krisenmanagement (Übersicht hier) gibt Hinweise zur Kommunikation in Krisenzeiten. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie und in welchem Umfang informiert ein Unternehmen Kapitalgeber, Kunden und wichtige Lieferanten über die aktuelle Situation.

In Krisenzeiten kommunizieren viele Unternehmen entweder gar nicht oder ungeschickt mit besorgten Stakeholdern oder der Öffentlichkeit. Dabei kann man sich in schwierigen Zeiten durch eine geeignete Kommunikationsstrategie sogar von der Konkurrenz abheben. Das meint jedenfalls Paul Argenti[1], der die Position vertritt, durch schnelles Handeln und überlegte Kommunikation könne sich eine Firma einen guten Ruf aufbauen und gestärkt aus einer Krise hervorgehen.

Es ist mittlerweile gesichertes Wissen, dass zu optimistisch oder zu pessimistisch gefärbte Informationen die Glaubwürdigkeit herabsetzen. Nur die realistische und selbstkritische Information der Beteiligten, der Betroffenen und der Öffentlichkeit unterstützt das Krisenmanagement und verhindert eine nachhaltige Image-Krise. Dabei kommt der Aktualität der Informationslieferung eine besondere Bedeutung zu. Das Krisenmanagement kann sich nicht darin erschöpfen, in einem Krisenstab die Maßnahmen vorzubereiten und von einem herausgehobenen Krisenmanager durchsetzen zu lassen[2].

In einem Beitrag hatte ich über den Einfluss von Kommunikation des amerikanischen Finanzministers Timothy Geither geschrieben. Er hatte mit der Verkündung seines Plans zum Aufkauf toxischer Wertpapiere im März 2009 einen gewaltigen Punktsieg errungen. Diesmal war die Kommunikation deutlich besser vorbereitet als im Februar. Damals verloren die US-Börsen kräftig. Diesmal feierten die Börsianer den Plan mit den bis dahin stärksten Gewinnen des Jahres. Dabei hatte es im Vergleich zum Februar keine wesentlichen Änderungen am Plan gegeben. Es wurde aber geschickter und vor allem klarer kommuniziert[3].

Ein ähnliches Beispiel schlechter Kommunikation hat Argenti dargestellt[4]. Er schreibt zum im Januar abgelösten US-Finanzminister Hank Paulson: „Er hatte wenig Gespür für die Reaktion der Öffentlichkeit und berücksichtigte nicht, dass die Präsentation seines Rettungsplans genauso wichtig war wie dessen Substanz. … Paulson verkaufte seinen Plan nicht wirksam als Rettungsplan, sondern als Stützungsplan. Seine Verlautbarungen überzeugten nicht und ermöglichten den Medien, die Deutungshoheit zu übernehmen. Sie stellten Paulsons Bemühungen als äußerst zweifelhafte Subvention für gierige Banker dar. Außerdem fuhr Paulson in Interviews und Pressemitteilungen keine einheitliche Linie und signalisierte damit Unentschlossenheit und Hilflosigkeit.

Aber wie kommuniziert man nun richtig, wenn es dem eigenen Unternehmen schlecht geht? Eine Autorengruppe um Petra hat sich diese Frage ebenfalls gestellt und hilfreiche Hinweise erarbeitet. Sie haben dazu Kommunikationsgebote zusammengestellt[5], die ich modifiziert und ergänzt habe[6].

1. Verstecken Sie sich nicht. Auch wenn es schwerfällt: Kommunizieren Sie weiter bei schlechten Nachrichten. Sie sollten für Kapitalgeber und weitere Stakeholder präsent sein. Legen Sie Wert auf klare Kommunikation, konsequente Aussagen und entschlossenes Auftreten.

Offenheit sollte dabei aber stets mit einem Plan verknüpft werden, wie Sie aus der schwierigen Situation herauskommen wollen. Dazu sollten Sie darstellen können, warum Ihr Ge­schäftsmodell in der Zukunft erfolg­reich sein wird, wie stark Ihre Wettbewerbsposition ist und in welchen Schritten Sie die Probleme lösen wollen.

Legen Sie fest, wer welche Kunden anspricht. Der Geschäftsführer, CEO etc. sollte die wichtigsten Kapitalgeber, Kunden und Lieferanten persönlich ansprechen (empfohlen wird dazu ein persönliches Gespräch).

2. Seien Sie sachlich im Ton und zurückhaltend mit kurzfristigen Versprechungen. Kapitalgeber vertrauen eher Managern, die die Fakten klar und sachlich präsentieren. In unsicheren Zeiten wollen sie eine klare Orientierung, keine schwammigen Visionen. Wenn Sie überhaupt einen Ausblick wagen, dann legen Sie die An­nahmen offen, die dieser Prognose zugrunde liegen.

3. Legen Sie Ihren Kapitalgebern Daten offen. Und wenn Sie dies tun, dann erklären Sie Besonderheiten. Bei Misstrauen gegenüber der Rechnungslegung hilft nur Offenheit. Kapitalgeber wollen und müssen die Risiken verstehen. Durch die Offenlegung von Bilanz und Gewinn-und-Verlust-Rechnung schaffen Sie Vertrauen.

Bieten Sie im Zweifel weitere Unterlagen und Zahlen an (z.B. eine aktuelle betriebswirtschaftliche Auswertung oder eine Aufstellung der offenen Posten). Liefern Sie diese zusätzlichen Informationen aber nur, wenn Sie darum gebeten werden.

4. Reden Sie schlechte Nachrichten nicht schön. Nichts erschüttert das Vertrauen so sehr wie offensichtliche Beschönigungs­versuche.

  • Offenheit in der Unternehmenskommunikation heißt auch, Fehler öffentlich zuzugeben und zu zeigen, was man aus ihnen gelernt hat. Wenn ein Betrieb dies in oder nach der Krise nicht tut und nicht einmal den Eindruck der Nachdenklichkeit erweckt, kann das Unternehmen leicht als selbstzufrieden oder gar arrogant wahrgenommen werden.
  • Legen Sie dar, mit welchen Maßnahmen Sie aus der Krise herausfinden wollen. Ist Ihr Plan überzeugend, schafft er Vertrauen. Begegnen Sie Gerüchten umge­hend mit Fakten. Gerüchte können zu vernichtenden Entwicklungen führen, wenn sie nicht widerlegt werden.

5. Koordinieren Sie Pressearbeit und Investor Relations. Unter­schiedliche oder widersprüchliche Informationen aus einem Unterneh­men können sich negativ auswirken.

  • Aktualisieren Sie Ihren FAQ-Katalog, wenn die Antworten nicht mehr zu den veränderten Marktverhält­nissen passen.
  • Berichten Sie über Ihr Geschäft. Für jeden längerfristig orientierten Kapitalgeber ist entscheidend, ob Ihr Geschäft auch in Zukunft Erträge abwerfen wird. Berichten Sie über den Fortgang des Geschäfts, Rückschläge und erfreuliche Entwicklungen.

6. Wenn Sie die Internet-Community adressieren, sollten Sie folgende Leitsätze beachten:

  • Glaubwürdigkeit bei Bloggern und den Zielgruppen lange im Voraus aufbauen, nicht erst nachträglich Besserung geloben.
  • Langweilen Sie die Netzgemeinde nicht mit PR-Berichterstattung und Schönfärberei, sondern bieten Sie einen lebendigen Einblick ins Unternehmen.
  • Das Web-Geschehen verfolgen und zwar möglichst zeitnah.
  • Schnell reagieren[7], sobald sich eine Debatte über Ihr Unternehmen oder Ihren Markt zusammenbraut.
  • Als Einzelperson antworten und nicht als Firma.

Sie sollten es aber mit diesen Maßnahmen nicht übertreiben. Wenn Sie vor der Krisenkommunikation moderne Kommunikationsmittel noch nicht eingesetzt haben, können Sie unglaubwürdig werden, wenn Sie diese plötzlich sehr intensiv verwenden.

7. Eine Krise kann einem Unternehmen die Chance bieten, seinen Geldgebern zu zeigen, wie stark die eigene Organisation ist. Unternehmensblogs, Websites mit Managementvideos, soziale Netzwerke – das Internet bietet unbegrenzte Möglichkeiten für offene und persönliche Gespräche zwischen Unternehmen und der interessierten Öffentlichkeit. Unterschätzen Sie aber nicht den Zeit- und Ressourcenaufwand und beachten Sie die Punkte unter Ziffer 6.

8. Denken Sie daran, dass die Mitarbeiter für viele externe Personen erste Kontaktadresse und wichtigste Informationsquelle sind. Die Beschäftigten müssen gut informiert sein, damit sie angsterfüllten Kunden und Lieferanten ein Gefühl der Zuversicht und Stabilität geben können.

Wenn es Probleme gibt, dann sollte außerdem die Belegschaft nicht den Eindruck gewinnen, dass Probleme ignoriert oder nicht angemessen an­gegangen werden. Andernfalls stehen häufig gerade die fähigsten Mitarbeiter, deren Kompetenz für das Unternehmen in der Krisenphase dringend erforderlich ist, dem Unterneh­men nicht mehr zur Verfügung, weil sie sich auf dem Arbeits­markt neu orientiert haben[8].

Die bei einer offenen Informationspolitik in unternehmerischen Problemlagen grundsätzlich nicht von der Hand zu weisende Gefahr eines schlechteren Kreditratings sollte nicht dazu führen, dass Unternehmen in Schwierigkeiten ihrer Hausbank noch vorsichtiger gegenübertreten[9]. Diese Empfehlung der GBI unterstütze ich uneingeschränkt. Jede Zurückhaltung in der Kommunikation kann spätestens bei der Bitte um weitere Unterlagen zu Vertrauensstörungen führen, wenn aus den Unterlagen plötzlich unerwartete negative Sachverhalte ersichtlich werden. Diese Störungen sind vermeidbar, wenn frühzeitig ein offener Dialog gepflegt wird.

Kritischer ist die Frage nach dem Umgang mit wichtigen Lieferanten. Ihnen bleiben Probleme in der Praxis meist nicht verborgen. So erfahren Lieferanten entweder direkt durch Zahlungsverzögerungen oder indirekt z.B. über ihre Kreditversicherung[10] oder Auskunfteien von Problemen.

Hier ist grundsätzlich zu raten, so offen wie möglich zu sein. Die Offenheit hat in der Praxis allerdings dann Grenzen, wenn zu befürchten ist, dass Lieferanten, Dienstleister oder Kapitalgeber durch ein unangemes­senes Vorgehen die Lage des Krisenunternehmens zusätz­lich zusätzlich erschweren[11]. In der Regel schätzen Geschäftspartner zwar Offenheit und Transparenz. Sehen sie jedoch wichtige eigene Positionen gefährdet, neigen manche Partner zu Restriktionen. Hier ist viel Fingerspitzengefühl und Menschenkenntnis erforderlich.

Die nachfolgende Mindmap zeigt beispielhaft wichtige Punkte, an die ein Unternehmen im Fall der Krisenkommunikation denken sollte. Auch hier gilt, dass die Aufstellung nur als Basis für eine unternehmensspezifische Aufstellung dienen kann.

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Abbildung: Kommunikation in Krisenzeiten (aktuelle und umfangreichere Version der Mindmap hier abrufbar)


* Die Beweggründe für diese serviceorientierte Serie sind in diesem Beitrag dargelegt. Der Autor Dirk Elsner, 45 J., ist Diplom Kaufmann und Unternehmensberater, lebt in Bielefeld und hat in der Geschäftsführung mittelständischer Unternehmen und als Bereichsleiter in Banken umfangreiche Erfahrungen mit Umstrukturierungen sowie Krisen- und Turnaroundsituationen gesammelt. Er hat die DE Wirtschaftsberatung, Bielefeld gegründet, eine Unternehmensberatung, die mittelständische Unternehmen in Bielefeld, Ostwestfalen und Deutschland berät und unterstützt.


[1] P. Argenti, Ihr Auftritt, in FTD-Dossier Krisenstrategie, Beilage der FTD v. 30.1.2009, S. 11.

[2] Vgl. J. Hauschildt, Krise, Krisendiagnose und Krisenmanagement, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 100, 30.04.2001, S. 31.

[3] Vgl. Blick Log am 25.3.09: Wie Kommunikation Milliarden schafft oder vernichtet zu der neuen und alten Kommunikationsstrategie von Geithner.

[4] P. Argenti, Ihr Auftritt, in FTD-Dossier Krisenstrategie, Beilage der FTD v. 30.1.2009, S. 11

[5] P. Nix et al. Den guten Ruf professionell managen, in Harvard Business Manager 1/2009, S. 11.

[6] Mit Empfehlungen von P. Argenti, Ihr Auftritt, in FTD-Dossier Krisenstrategie, Beilage der FTD v. 30.1.2009, S. 11, S. Heuer, Skandal in Echtzeit, in brand eins 2/2009, S. 76-79. D. Silverman, Wir retten uns vor der Insolvenz, in: Harvard Business Manager 10/2008, S. 101-112 und eigenen Erfahrungen.

[7] Ob und wie schnell Sie reagieren sollten, hängt von den Produkten Ihres Unternehmens und der Relevanz des Webgeschehens ab. Nicht auf jeden kritischen Kommentar in einem Webforum muss reagiert werden.

[8] Vgl. Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung, Die Sanierung von Unternehmen in der Krise, Arbeitspapier 25, November 2008, S. 20.

[9] Vgl. Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung, Die Sanierung von Unternehmen in der Krise, Arbeitspapier 25, November 2008, S. 11.

[10] Kreditversicherungen kürzen z.B. das Versicherungslimit für abzusichernde Forderungen, wenn sich die Bonität verschlechtert hat oder sie das Risiko eines Zahlungsausfalls höher einschätzen. Aber auch bei unverändert gelassenem Limit kann die Bonitätsverschlechterung auffallen, da Kreditversicherer idR. eine Gesamtlinie pro Versicherungsobligo festlegen. Ist dies durch andere Lieferanten ausgeschöpft, dann werden zusätzliche Forderungen nicht mehr versichert.

[11] Vgl. Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung, Die Sanierung von Unternehmen in der Krise, Arbeitspapier 25, November 2008, S. 19.

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