Bund schließt das Broken Window der Staatshilfe und gewinnt das Chicken Game

by Dirk Elsner on 10. Juni 2009

Die vergangenen beiden Tage könnten ein Wendepunkt in der zu Recht viel kritisierten Staatshilfe für Großunternehmen gewesen sein. Erst hat der Bund einen Rückzieher bei Arcandor gemacht und die “geforderten” Staatshilfen verweigert. Anschließend hat der Konzern selbst die Notbremse gezogen und den gesetzlich erforderlichen Insolvenzantrag gestellt. Im Nachrichtenrauschen des gestrigen Tages ging übrigens unter, dass Schaeffler und Conti auf eine Hilfe des Staats verzichten wollen. Diese Entwicklung geht in die richtige Richtung.

Dabei muss man nicht einmal die ordnungspolitische Keule des Sachverständigenrates herausholen. Dieser hat festgestellt: “Direkte Staatshilfen verzerrten den Wettbewerb, denn sie seien eine Umverteilung von Wohlstand und Lebensqualität von den Steuerzahlern und solide wirtschaftenden Unternehmen hin zu erfolglosen Unternehmen, also Klientelpolitik mit Blick auf Wahlerfolge.”

Überlassen wir die ordnungstheoretische Diskussion den ökonomischen Puristen. Es reicht, wenn wir die Spieltheorie zur Hilfe nehmen. In den Fällen Arcandor, Opel, Schaeffler, Merckle und Porsche gibt es genügend potente (sprich mit Liquidität und Kreditwürdigkeit ausgestatte) Stakeholder, die allein aufgrund eigener wirtschaftlicher Interessen an einem Überleben der Unternehmen interessiert sein sollten. Sind sie nicht bereit, selbst ins Risiko zu gehen, dann liegt der Verdacht nahe, dass eine Bundesbürgschaft eher Staatsgelder vernichten würde. Mittel wären dann dorthin geflossen, wo eigentlich aufgrund der Ertragspotentiale auch eine Last risikomäßig zumutbar wäre. Ich denke hier z.B: an die Immobilieninvestoren im Falle Arcandor.

Natürlich gehört es zum marktwirtschaftlichen Spiel, zunächst einmal mangelnde eigene Potenz zu signalisieren und das ganz große Domsdayszenario auszumahlen.  So erhöht man den Druck auf andere Spieler. In der Spieltheorie nennt man das Chicken Game oder “„Spiel mit dem Untergang“. Dazu gehört die direkte Konfrontation der Kontrahenten: Sie rasen  unmittelbar aufeinander zu. Zwei Ergebnisse sind möglich. Variante 1: Einer der Fahrer weicht aus: er ist der Feigling, bleibt aber am Leben. Variante 2: Keiner von beiden gibt nach, beide sind Sieger – aber auch tot.

Der Bund ist diesmal nicht ausgewichen, sondern weitergefahren. In den folgenden Wochen werden wir sehen, dass es eine Lösung für die meisten Unternehmen des Arcandor-Konzerns gibt. Auch wenn die Konzernmutter selbst liquidiert wird, so werden die Töchter überleben und dort die meisten Arbeitsplätze erhalten bleiben. Im Fall Opel wäre dies auch die bessere Lösung gewesen. Jedenfalls ist meine Frage vom Montag beantwortet: Die Regierung hat das zerbrochene Fenster repariert.

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Joss Juni 10, 2009 um 02:42 Uhr

Stimme dem voll zu. Was vielleicht bei diesem Gesinnungswandel eine Rolle
gespielt hat – zumindest sollte man dies boshafterweise unterstellen – war der
Spesenskandal in England. Da gibt es weiterhin, am laufenden Band, das Ausscheiden
von Politikern.
Der Telegraph duerfte so gesehen wohl zur geheimen Lektuere ziemlich aller
Politiker in Europa und sonstwo gehoeren.
The scandal pages:
http://www.telegraph.co.uk/news/newstopics/mps-expenses/5350383/The-political-casualties.html
Die Liste wird laenger. anm.

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