Flache Häme gegen die HSH Nordbank oder wie ist eigentlich Goldman Sachs organisiert?

by Dirk Elsner on 22. September 2009

Der HSH Nordbank blies gestern wieder einmal die geballte Häme “deutscher Experten” (Ausnahme FAZ) um die Ohren (siehe z.B. „Erschreckender Realitätsverlust bei der HSH). Auslöser ist diesmal eine Überweisung über 45 Mio. $ an Goldman Sachs, die die Bank nach der Sachverhaltsdarstellung (z.B. hier in der FTD) nicht hätten zahlen brauchen, weil Goldman Sachs eine Frist versäumt hatte.

Goldman Sachs hatte sich mit einem Credit Default Swaps (CDS), einem speziellen Kreditderivat, bei der HSH Nordbank gegen den Ausfall einer Forderung gegenüber Lehman Brothers versichert. Tritt ein sogenanntes fest definiertes Kreditereignis (z.B. der Eröffnung eines Gläubigerschutzverfahrens eines Schuldners) ein, dann ist der Sicherungsgeber (hier die HSH Nordbank) verpflichtet, an den Sicherungsnehmer (in diesem Fall Goldman Sachs) zu zahlen. Soweit zunächst der allgemeine wirtschaftliche Hintergrund. Die operativen Details solcher Geschäfte werden in einem umfangreichen Vertragswerk geregelt. Darin werden u.a. Fristen sowie Rechte und Pflichten der jeweiligen Vertragsparteien vereinbart.

Nun ist nicht bekannt, welche Vereinbarungen genau zwischen Goldman und der HSH Nordbank getroffen wurden. Offensichtlich hat Goldman eine Frist versäumt, die nach dem Wortlaut der Vereinbarungen hätte eingehalten werden müssen, um die eigenen Rechte nicht zu verwirken. Wegen der Lehman-Pleite hätte nach Medienberichten HSH Nordbank grundsätzlich zahlen müssen. Da Goldman Sachs aber eine um drei Wochen Frist verpasst hatte, war dieser Anspruch offenbar nicht mehr wirksam. Nach Darstellung des NDR ohne Quellenangabe hätten dies die Rechtsabteilung der HSH Nordbank und eine internationale Anwaltskanzlei festgestellt. Die Ansprüche von Goldman Sachs waren also praktisch verfallen.

Ist das jetzt wirklich ein Fall, über den man sich gemeinschaftlich empören sollte? Kann man nicht zunächst wenigstens versuchen, die Motive der HSH Nordbank verstehen? Offenbar ist es einfacher auf ein strauchelnde Bank zu treten, als ihr eine Hand zu reichen. Ich will es trotzdem versuchen.

Die Bank stand bereits im Oktober vergangenen Jahres unter genauer Beobachtung der Kapitalmärkte. In der Hitliste der Kreditrisiken stand sie nach einer Auswertung des Blick Logs von Ende Oktober 2008 an vorletzter Stelle der Risikotabelle (siehe hier), was bereits damals als kritisch galt. Insbesondere wenn – und dieser Schluss lässt sich aus den Berichten durchaus ziehen – nicht eindeutig feststand, ob eine Zahlungsverpflichtungen bestand, hätte tatsächlich die Zahlungsverweigerung das ohnehin angeschlagene Vertrauen weiter beschädigt. Dabei wäre es gar nicht um Geschäfte mit Goldman Sachs selbst gegangen, sondern um Geschäfte mit anderen Instituten.

Das erst nach umfangreicher Prüfung durch die Rechtsabteilung der HSH Nordbank und einer internationale Anwaltskanzlei klar ist, dass die Zahlungsverpflichtung nicht bestanden haben soll, zeigt offensichtlich, dass dieser Sachverhalt nicht eindeutig aus den Vereinbarungen abzulesen waren. Diejenigen, die sich jetzt auf die Schenkel klopfen und voreilig Konsequenzen fordern, sollten sich einmal in die Lage eines Entscheidungsträgers zum damaligen Zeitpunkt hineinversetzen versetzen. Natürlich wirft der Fall, die Frage auf, warum die HSH Nordbank überhaupt mit den “Massenvernichtungswaffen der Finanzmärkte” (Buffett) zündelte und Stillhalter von Credit Default Swaps war (und vielleicht ist) ohne sich selbst entsprechend gegen eine Inanspruchnahme abzusichern

Auch wenn die HSH Nordbank anscheinend kaum eine Tretmine auslässt, ist der Spott von Fachleuten und Medien wie auch in anderen Fällen nicht wirklich passend. Interessanterweise wirft der Sachverhalt andere Fragen auf, deren Klärung wesentlich interessanter wäre.

So sollte man sich eher fragen, wie eigentlich das US-Vorzeigeinstitut Goldman Sachs organisiert ist, wenn sie ihre Zahlungsansprüche aus Absicherungsansprüchen nicht rechtzeitig erkennen? Ist Goldman Sachs vielleicht gar nicht so erstklassig, wie dies gern dargestellt wird? Vor allem erstaunlich, mit welchen Methoden die blankfeinen Goldmänner offenbar ihre Fehler wegwischen. Wurde da tatsächlich einer Bank gedroht, Zweifel an der Kreditwürdigkeit zu äußern, wenn das Geschäft nicht erfüllt würde?

Insider September 25, 2009 um 13:54 Uhr

Hier mal eine ganz andere Darstellung der Ereignisse:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,651158,00.html

Bankwatcher September 26, 2009 um 17:55 Uhr

Es gibt Stimmen an den Finanzmärkten, die sagen, die HSH hätte es nicht überstanden, wenn sie nicht gezahlt hätte.
Aus Bankkreisen hört man außerdem, dass Goldman Sachs kurz vor der Lehman Pleite versucht habe, ein großes Paket mit Credit Default Swaps zur Absicherung von Lehman-Krediten bei verschiedenen Banken zu platzieren. Es wäre sehr interessant zu wissen, ob und was daran ist.

Insider September 23, 2009 um 17:12 Uhr

Hmmm, der Vertrag ist ein Standard ISDA Master Agreement. Da komme ich aber so nicht dran, weil die ISDA das leider nicht auf der Webseite veröffentlicht. Aber meines Wissens nach ist das in Bezug auf Fristen durchaus eindeutig.

VG

dels September 22, 2009 um 20:58 Uhr

Moin Insider,
natürlich kann ich aus der räumlichen und erst recht zeitlichen Distanz nicht beurteilen, ob man die Zahlung besser hätte verweigern sollen. Es wird aber leider nicht einmal die Frage gestellt, ob das sinnvoll gewesen wäre. Ich kann mir den internen Entscheidungsprozess gut vorstellen. Und der damalige Blick auf die Spreads hatte sicher nicht nur Herrn Berger nervös gemacht.
Wenn Du einen Blick auf den Vertrag hast werfen können, dann ist es vielleicht einfacher die Sachlage einzuschätzen. Ich erinnere mich dunkel an viele hundert Seiten, die solche Verträge umfassten.
Viel Erfolg bei Deinem Projekt
Dirk

Insider September 22, 2009 um 13:12 Uhr

Hi Dirk,

soweit ich weiß hatte die HSH CDS im Portfolio, die am 21.09. ausliefen. Das war also nur wenige Tage nach dem Kollaps von Lehman. Vielleicht hat Goldman sie deswegen zu spät gefunden und die Frist versäumt. Wenn sie nämlich eine Abfrage am 22.09 gestartet habe „gibt mir mal alles was wir bei Lehman an Protektion haben“, so war dieser CDS vermutlich nicht in der Liste.

Ich stimme Dir zu, dass man die Prozesse bei Goldman auch kritisieren sollte und nicht nur die HSH bashen. Zur Bewertung der Zahlung sollte man vielleicht auch fragen, ob Goldman in der Vergangenheit schon mal freiwillig Zahlungen an die HSH geleistet hat.

Nichtsdestotrotz war die HSH zu dem Zeitpunkt nahe an der Insolvenz. Daher ist auch zu fragen, ob ein „hanseatischer Kaufmann“ die Zahlung hätte vornehmen sollen. Die Refinanzierung der Bank war schon zusammengebrochen, wie man am damaligen Credit Spread ja sieht. Ich hätte vermutlich nicht gezahlt. Meiner persönlichen Meinung nach ist es auch völlig klar, dass nicht gezahlt werden musste.

Aber komplexe Abwägungen von Beweggründen findet man selten in den Medien. Aber dafür gibt es ja gute Blogs 😉

LG

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