Wie man das Risiko in volkswirtschaftlichen Prognosen darstellen könnte

by Dirk Elsner on 21. Oktober 2009

Vergangene Woche haben die Wirtschaftsforschungsinstitute ihr Herbstgutachten veröffentlicht und in Kürze wird der Sachverständigenrat folgen mit seinem Jahresgutachten. Die Prognosen des Herbstgutachtens (hier zum Nachlesen) sind über die Presse bekannt gemacht worden. Was angesichts der anhaltenden Debatte über das Versagen der Ökonomen und die Güte von Prognosen wundert ist, dass die Gutachter weiter mit Punktprognosen arbeiten. So prognostizieren sie für das nächste Jahr einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 1,2 Prozent ohne zusätzliche Information über die Streuung dieses Wertes.

So erfreulich manche den prognostizierten Wert von 1,2% Wachstum finden, so enttäuschend ist die Qualität der öffentlichen Darstellung der Information. Es erhärtet sich der Eindruck, dass all die Debatten der vergangenen Monate um die Leistungen der Ökonomen und die Qualität von Prognosen bereits wieder vergessen sind. Dabei haben die Ökonomen selbst in Studien die Qualität ihrer eigenen Prognosen angezweifelt (siehe dazu im Handelslbatt “Studie zweifelt an Qualität von Prognosen” und den Beitrag dazu im DIW Wochenbericht).

Statt etwas zu ändern, werden wie immer die Prognosedaten ohne zusätzliche Hinweise als Punktprognose veröffentlicht. Die Öffentlichkeit wundert sich dann in einem Jahr, warum die Prognosen wieder nicht eingetreten sind. Ich wundere mich dagegen nur, warum nach der harten und vollkommen berechtigten Kritik an dem Prognoseverhalten eine Modifikation nicht einmal in Ansätzen versucht wird.

Angesichts der mangelnden Güte der Prognosen verschiedenster Institutionen in den vergangenen 24 Monaten und insbesondere in den vergangenen 12 Monaten darf nämlich an der Erreichung der Prognosedaten gezweifelt werden. Daher wundert es um so mehr, dass das Gutachten auf die Risiken nur in einer allgemeinen verbalen Beschreibung eingeht. Nach dem Prognosegau der vergangenen Jahre wäre es ein fortschrittliches Zeichen gewesen, die Risiken der Zielerreichung endlich einmal zu quantifizieren. Dabei hätten die Wissenschaftler dies einfach darstellen können, in dem das Gemeinschaftsgutachten neben der Zahl für das prognostizierte Wirtschaftswachstum eine Schwankungsbreite etwa in Form einer Standardabweichung oder eines Trendkanals angegeben hätte.

Technisch möglich ist dies, denn ich habe keine Zweifel, dass die Volkswirte über die entsprechenden Daten verfügen. Üblicherweise werfen sie ja ihre Annahmen in ein ökonometrisches Modell und nach den Berechnungen kommt ein bestimmtes Ergebnis heraus. Im Herbstgutachten rechnen die Forschungsinstitute mit folgenden Annahmen (S. 36):

  • Der Rohölpreis (Brent) beträgt in diesem Jahr 60 US-Dollar und im kommenden Jahr 75 US-Dollar pro Barrel.
  • Der Welthandel schrumpft in diesem Jahr um 10,5 %, im kommenden Jahr nimmt er um 5,5 % zu.
  • Der Wechselkurs des Euro liegt im Prognosezeitraum bei 1,45 US-Dollar.
  • Die Europäische Zentralbank belässt den maßgeblichen Leitzins auf dem Niveau von 1 %.
  • Das Bankensystem wird weiterhin durch Abschreibungen belastet, nunmehr allerdings verstärkt auf Buchkredite statt auf toxische Wertpapiere. Während sich die Lage am Geldmarkt weiter entspannt, verschlechtern sich die Kreditbedingungen.
  • Die Finanzpolitik ist im Prognosezeitraum expansiv ausgerichtet. Der Impuls durch diskretionäre Maßnahmen beträgt in diesem Jahr 1,4 % und im kommenden Jahr 0,4 % in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.

Diese Annahmen sind jeweils erheblichen Schwankungen unterworfen. Bedauerlich ist, dass die Schwankungen in den Erwartungen dieser wichtigen Parameter nicht angegeben werden. Dabei wären diese Informationen gerade bei einem Gemeinschaftsgutachten sogar leicht darstellbar, da jedes der acht teilnehmenden Institute eigene Erwartungen für die Entwicklung dieser Werte hat.

Mit einem Simulationstool, wie wir es z. B. für die Modellierung von Szenarien für Businessplänen von Unternehmen, für Projekte und Investitionsrechnungen verwenden, könnte man nun die einzelnen Inputparameter des ökonometrischen Modells nach bestimmten Vorgaben schwanken lassen und mit Hilfe einer hinreichend großen Zahl an Simulationen eine Wahrscheinlichkeitsverteilung ermitteln. In einem Artikel vor zwei Wochen habe ich gezeigt, wie eine solche Simulation z.B. für die Bewertung eines CDOs ablaufen kann. Unten zeige ich ein weiteres Beispiel für eine Simulation anhand eines vereinfachten volkswirtschaftlichen Modells.

Die Öffentlichkeit muss ja mit der dahinter stehenden Mathematik und Technik nicht gelangweilt werden. Es wäre aber weitaus informativer und vor allem seriöser, wenn Politik, Unternehmen und Bürger ein Ergebnispräsentation mit einem besseren Informationswert erhielten. So ist etwa die Aussage, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% das Wirtschaftswachstum 1,2% beträgt oder höher, qualitativ hochwertiger als nur der Punktwert 1,2%, der auf Basis stark schwankender Annahmen ermittelt wird.

Darüber hinaus wäre es z. B. für die Planungen der Unternehmen ausgesprochen nützlich, wenn die Forschungsinstitute die Schwankungen der oben aufgezählten Annahmen angeben würden. Einige Unternehmen verwenden solche externen Daten etwa für die eigene Businessplanmodellierung.

Ich denke, für die Steuergelder, die für volkswirtschaftliche Prognosen ausgegeben werden, müssen diese zusätzlichen Informationen in der hier genannten oder ähnlichen Form künftig zum Standard gehören. Dies wäre außerdem für die Wiederherstellung des Rufes der prognostizierenden Volkswirte nützlich und könnte ein fortgeschrittenes Bewusstsein zum Risiko entwickeln helfen.

Und hier nun wie versprochen das Ergebnis einer Beispiel-Simulation.

Ich habe dazu eine über diese Seite bereit gestellte Excel-Datei mit einem vereinfachten Kreislaufmodell verwendet und über unser Tool die Inputparameter der Monte-Carlo-Simulation wie folgt schwanken lassen.

Inputparameter Min / ∆- Wahrscheinlichster Wert Max / ∆+ Einfluss
auf Zielwert
Konsumausgaben 1.180 1214,16 1.240 35%
Einnahmen aus Exporten 640 688,39 700 20%
Ausgaben für Importe 670 681,14 690 19%
Konsumausgaben des Staates 385 391,91 400 11%

Der wahrscheinlichste Wert gibt dabei den Wert an, den die Modellersteller vorgegeben haben. Die Minima und Maxima stammen von mir und sind als Dreiecksverteilung vorgegeben. Denkbar wären natürlich auch andere Verteilungen und andere Werte. Es soll aber hier nur um eine Demonstration gehen, wie man vorgehen könnte. Der Einfluss auf den Zielwert ist eine vom Tool errechnete Größe, die den Einfluss der Inputparameter auf den Zielwert angibt.  Auf Basis der wahrscheinlichsten Werte für errechnet das Modell ein Bruttoinlandsprodukt von 1.524.

Mit den oben genannten Schwankungen und 2.000 toolgestützten Monte-Carlo-Szenarien sieht die Verteilung des Bruttoinlandsprodukts in diesem Modells so aus.

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Aus den Ergebnissen der Szenarien lassen sich die Überschreitungswahrscheinlichkeiten ermitteln:

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Auf Basis der vorgegebenen Parameter wird das in dem Modell prognostizierte Ergebnis von 1.524 mit einer Wahrscheinlichkeit von 23% erreicht oder überschritten.

Und hier die Unterschreitungswahrscheinlichkeiten für die Szenarien:

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Auf Basis der Schwankungen, die ich angegeben habe, wird das Zielergebnis mit einer Wahrscheinlichkeit von 77% gleich oder niedriger sein als der in dem Modell angegebene Wert.

Natürlich wäre es noch viel interessanter, wenn man diese Werte in dem tatsächlich für das Gemeinschaftsgutachten verwendete Modell anwenden könnte. Hier habe ich ja nur ein zufällig über das Internet verfügbares Modell verwendet.

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