Risiken im Bankenportfolio am Beispiel der Verlustsimulation eines CDOs

by Dirk Elsner on 9. Oktober 2009

In diesen Tagen wird viel darüber spekuliert, wie es mit den Banken und ihren Risiken im vierten Quartal weiter geht. Setzt sich die Erholung, die allgemein mit den Berichten für das 3. Quartal erwartet wird, fort oder ist die Stimmung besser als die Lage und dominiert eher die Furcht vor Wertberichtigungen. In einem Beitrag zum Ende von Q3 habe ich die Vermutung geäußert, die Erholung bei den verbrieften Forderungen durch die “Entspannung” der Credit Spreads (vulgo der Kreditrisikoprämien) könnte zu entsprechende Zuschreibungen führen und damit die Gewinne ordentlich erhöhen. Nun stellt sich die Frage, wie hoch ist eigentlich das Rückschlagrisiko im vierten Quartal, über das derzeit viel spekuliert wird.

Gestern philosophierte ich mit einem Banker darüber vor dem Hintergrund steigender Kreditausfälle. Das lies mir am Abend (sehr zur “Freude” meiner Frau) keine Ruhe, weil ich ein Gefühl dafür bekommen wollte, wie sich Änderungen von ein paar Marktparametern auf die Bewertung einer Collateralized Debt Obligation (=CDO) auswirken. Ich jagte das von uns für die Simulation von Geschäftsplänen eingesetzte Tool über ein Bewertungsmodell für CDOs, das Dresdner Kleinwort erstellt hat und von der Website Defaultrisk hier veröffentlicht wurde (übrigens mit weiteren Bewertungsmodellen und entsprechenden Erläuterungen).

Nun will ich hier weder die Einzelheiten des Modells vertiefen noch diskutieren, zumal es hunderte, wenn nicht tausende Bewertungsmodelle gibt, deren Vor- und Nachteile von der Bewertungszielsetzung abhängen. Für meine Simulation jedenfalls nutzte ich das Large Homogeneous Pool Model, with Gauss-Hermite Integration. Das entsprechende Spreadsheet ist hier verfügbar und die Erläuterung dazu hier (19 Seiten pdf). Das Modell zeigt im Prinzip, wie man die einzelnen Tranchen eines CDOs bei entsprechenden Marktparametern bepreisen muss. Mich interessierten in diesem Zusammenhang nur zwei Felder: Der Index Spread als maßgeblicher Stellhebel für das Kreditrisiko und die kumulierten erwarteten Verluste aus dem CDO als zu analysierenden Zielwert.

In der Ausgangsposition ergibt sich bei einem Spread von 100 ein kumulierter Verlust der 1 Mio. $-Tranche von etwa 49.000 $. Nun kann man schauen, wie sich dieser Verlust verändert, wenn man den Spread variiert. Dazu habe ich im Simulationstool eine Dreickecksverteilung für den Spread definiert mit einem Minimum von 80, einem wahrscheinlichsten Wert von 130 und einem Maximum von 200*. Das Ergebnis nach 1.000 Simulationen (Monte-Carlo) sah so aus:

image

Daraus lässt sich ablesen, mit welcher Wahrscheinlichkeit (Y-Achse) der kumulierte Verlust dieses CDOs den Wert auf der X-Achse überschreitet. Bei einem “wahrscheinlichsten Wert” für den Spread von 130 Punkten ergibt sich laut Tabelle ein Verlust von fast 63.000 $. Aus der Grafik (wahlweise aus entsprechenden hier nicht veröffentlichten Tabellen) kann man nun ablesen, dass die Wahrscheinlichkeit eines höheren Verlustes 50% beträgt. Immerhin mit einer Wahrscheinlichkeit von 10% kann der Verlust noch 80 T$ überschreiten.

Diese Beträge mögen nun klein und harmlos klingen. Nun kennt aber niemand genau den Umfang aller verbrieften Papiere in den Bankenportfolios. Nach Angaben der Ratingagentur Standard & Poor’s (siehe dazu hier) waren 2008 Wertpapiere im Volumen von über 1 Billion US$ im Umlauf, die allein mit Subprime-Krediten besichert waren. Nimmt man noch andere Forderungspakete dazu und weitet die Betrachtung auf andere Regionen aus, dann dürfte das Volumen deutlich über 10 Billion US$ liegen. Multiplizieren wir also die 80.000 € mit 10 Mio., dann errechnet sich daraus ein Verlustpotential von 800 Mrd. US$.

Aber wie gesagt, dies ist ein rein hypothetische Modellrechnung, die außerdem nicht berücksichtigen kann, in welchem Umfang bisher Wertberichtigungen stattgefunden haben. Dieses Modell zeigt lediglich, dass bei negativer Entwicklung eines bestimmten Marktparameters, nämlich des Credit Spreads, ein erhebliches Bewertungsrisko besteht. Dies ist auch nicht grundsätzlich neu und hat der Blick Log bereits an wesentlich einfacheren Modellen gezeigt.

Abschließend sollte man hier anerkennen, dass sich Dresdner Kleinwort, die mittlerweile in die Commerzbank integriert worden sind, hier bereits vor einem Jahr viel Mühe gemacht haben, nicht nur verschiedene Bewertungsmodelle zu erläutern, sondern auch die entsprechenden Spreadsheets zur Verfügung zu stellen. Die Modelle und das Beispiel zeigen recht gut die Komplexität der Materie.

Außerdem zeigen diese Modell, wie sehr man sich auf das Urteil der Rating Gesellschaften verlassen hat, denn die Klassifizierung der einzelnen Tranchen erfolgt nach den Rating-Noten der Ursprungsforderungen. Hier setzt auch ein Teil der Kritik an diesen Instrumenten an, wie sie jüngst die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in einem aktuellen Arbeitspapier (Report on Special Purpose Entities) dargestellt hat (Zusammenfassung dazu hier). Die BIZ kritisierte u.a., dass die im Verbriefungsprozess verwickelten Forderungen in der Vergangenheit nur nachlässig geprüft worden seien. Dies ändert sich aktuell, denn Investoren, die weiterhin Interesse an diesen Instrumenten zeigen, stellen mittlerweile deutlich höhere Transparenzanforderungen an die Zweckgesellschaften.

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* Ich hätte natürlich auch andere Verteilungen und Werte nehmen können. Ich habe die Spreads allerdings bewusst höher gewählt, weil dies in etwa die Marktschwankungen der letzten 12 Monate modellieren sollte. Wenn jemand eine genaue Markthistorie incl. Volatilität hat etwa für die itraxx-Familie, dann kann ich auch dies einmal kalkulieren (allerdings erst nach meinem Urlaub).

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