Eine Antwort auf die Frage, warum die Banken selbst so wenig dazu beitragen, das Vertrauen in die Branche wiederherzustellen und dies hauptsächlich dem Staat und den Medien überlassen, hat Jan Schildbach von der Deutschen Bank Research gegeben im Bericht: Globale Bankentrends nach der Krise (pdf, 28 Seiten)
Im Fazit schreibt Schildbach u.a.:
“Daneben sollte eine weitere, eher unterschwellige Konsequenz der Krise nicht unterschätzt werden: der enorme Vertrauens- und Reputationsverlust, den die Banken erlitten haben. Dieser dürfte kurzfristig keine allzu schmerzlichen Folgen haben, da die Nachfrage nach Finanzdienstleistungen relativ unelastisch ist.”
Die Elastizität ist in der Ökonomie ein Maß, das die relative Änderung einer abhängigen Variablen auf eine relative Änderung einer ihrer unabhängigen Variablen angibt. Von einem unelastischen Produkt spricht man, wenn sich trotz Leistungs- oder Preisänderungen die Nachfragemenge nicht verändert. Angewendet auf die Aussagen von Schildbach bedeutet dies im Klartext, dass Banken auf viele Forderungen aus Politik und Öffentlichkeit nicht reagieren, weil die Kunden keine Alternativen zu den Finanzinstituten haben.
Dam bestätigt Schildbach eine These des Blick Logs. In Bezug auf Bankdienstleistungen hatte ich im Sommer vergangenen Jahres zur Veränderungsbereitschaft und dem Nachfrageverhalten geschrieben:
“Die Behäbigkeit im Veränderungswillen der Banken hat ihre Ursachen in den umfangreichen Regulierungs- und IT-Organisationsanforderungen und übrigens auch im Verhalten der Kunden. Durch den kollektiven Vertrauensverlust stellt sich aktuell kaum eine Bank schlechter, weil Kunden bisher kaum Alternativen haben. Vielleicht ist das Verhältnis zwischen Banken und Kunden vergleichbar mit einer angeschlagenen Ehe. Es wird auch nicht jede zerrüttete Ehe sofort geschieden. Man hat sich auf bestimmte Art und Weise bequem eingerichtet in seinem Leben und mit seiner “ungeliebten” Bank. Da wechselt man nicht sofort wegen eines Ausraster und ein paar Marotten den Partner.
Dieses Trägheit gepaart mit einer Mentalität, die alles billig will und möglichst hohe Rendite bei geringem Risiko, macht es den Banken einfacher, nicht zu reagieren. Allerdings bietet das auch Chancen für etablierte Institute, die jetzt aktiv werden mit neuen Produkten, Prozessen und transparenterer Konditionenpolitik”.
Schildbach weist übrigens richtig auf die Konsequenzen der vielkritisierten Trägheit der Banken hin:
“Auf längere Sicht jedoch könnten die Banken erhebliche negative Auswirkungen zu spüren bekommen. Politische wie regulatorische Entscheider dürften ihren Argumenten und Interessen zum Beispiel öfter mit Ablehnung begegnen, ebenso wie es den Banken schwerer fallen könnte, angesichts geringerer materieller Anreize und eines gesunkenen Ansehens von Tätigkeiten im Finanzsektor die besten Nachwuchskräfte an sich zu binden. Eine der größten Herausforderungen für die Banken – neben der Anpassung an ein beträchtlich verändertes Geschäftsumfeld – wird es daher sein, ihre beschädigte Reputation möglichst schnell wiederherzustellen und das Vertrauen der Kunden, Entscheidungsträger und der Öffentlichkeit insgesamt zurückzugewinnen.”
Was Schildbach aber nicht erwähnt, dass sich ein etabliertes Institut jetzt erhebliche Vorteile verschaffen kann, wenn es die Trägheit als erste Bank überwindet.
Nachtrag
Lothar Lochmaier hat sich in einem Beitrag ebenfalls mit der oben zitierte Studie befasst und kommentiert diese unter dem Social Media Aspekt:
„Wer sich die 28 Seiten aufmerksam durchliest – wird feststellen, dass die Verantwortlichen selbst wissen, welch schwierige Zeiten auf sie zukommen. Welch kreative Rolle soziale Medien in diesem Prozess spielen, darüber fällt übrigens kein einziges Wort.
Umso mehr verwundert diese Aussage hier, die auch ein Ausdruck der Hilflosigkeit gegen „Social Media“ darstellt, gegenüber der geballten Macht der Bankkunden, die sich womöglich künftig anderer Kommunikationskanäle und Organisationsformen bedienen, als die ausschließlich von oben hierarchisch gesteuerten.
Und hier schließt sich wenig elegant der Kreis zwischen dem was Social Media im konventionellen Bankenumfeld darstellt, und dem, was es sein könnte. Wer nicht loslassen kann, und sich für neues öffnet, wird auch das Vertrauen der Kunden nicht wirklich zurück gewinnen. Die Abwanderung der Kunden wird sich indes schleichend vollziehen, ähnlich wie bei der SPD, als sie in Widerspruch zu ihrem eigenen Parteiprogramm geriet. Da bleibt den Oberen der Deutschen Bank tatsächlich wie oben angedeutet nur noch, die politischen Entscheidungsträger für ihre Zwecke zu gewinnen. Wie wäre es stattdessen mit dem Versuch, soziale Medien als offenes Dialoginstrument einzusetzen? Darüber fällt in dem Forschungsreport von DB Research kein Wort.“
Hallo Herr Elsner,
ich hatte die Studie auf meinem Weblog auch schon kommentiert – allerdings etwas andere Schlüsse gezogen – kurzum: ich würde mich nicht darauf verlassen, dass eine schlechte Ehe ewig hält. Irgendwann fällt jedes und so auch dieses von den Banken gebastelte Kartenhaus zusammen. Das Potenzial der „abwanderungswilligen“ weil von der qualitativ schlechten Bankberatung frustrierten Kunden würde ich potenziell auf mindestens ein Drittel ansetzen. Schauen Sie doch mal auf http://www.bankkundentypologie.de – und das Internet bietet viele Möglichkeiten, die sich freilich alle noch erproben müssen. Aber nach einer harten Lernkurve in den nächsten Jahren werden viele autonome und selbstverantwortliche Anleger sagen: Die Bank, das sind (auch) wir – und das digitale Zahnrad wird auch einen Sog in die Wirtschaft und ganze Gesellschaft hinein entfalten.
Viele Grüsse
Lothar Lochmaier
Das ist ja eines meiner Lieblingsthemen.
Möchte 2 Anmerkungen machen:
1. So unelastisch ist die Nachfrage auch nicht. Wenn wir uns bspw. das Anlageverhalten der Kunden anschauen, dann drückt sich der Vertrauensverlust darin aus, dass die Kunden zum einen nicht mehr alles kaufen, was ihnen angeboten wird, sondern in andere Anlageformen, wie bspw. Immobilien ausweichen, zum anderen eine m.E. hohe Preiselastizität bzgl. der offenen und verdeckten Gebühren besitzen. Beide Effekte senken die Einnahmen der Banken aus diesem Geschäftsfeld.
2. Richtig ist auch, dass hier eine Riesenchance für Wettbewerber ist, die neue Wege gehen. Leider hat sich hier noch nichts Bemerkenswertes etabliert.
Habe selbst vor einem halben Jahr mit mehreren Banken gesprochen und Consulting hinsichtlich Verhaltensänderung zwecks Vertrauensrückgewinnung angebunden. Mit nur mässigem Erfolg. Das sagt schon alles.
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