Serie Management in rauen Zeiten: Maßnahmen zum Working Capital Management (incl. Mindmap)

by Dirk Elsner on 1. Februar 2010

Mit diesem Beitrag der Serie „Management in rauen Zeiten“ (Überblick hier) kommen wir zu einem in der Praxis viel beachteten Thema, dem Working Capital Management.

Die Liquidität wird in diesen Zeiten in vielen Unternehmen als kritischster Faktor angesehen. Das Schlagwort von der Kreditklemme geistert seit der Pleite des Investmentbank Lehman Brothers durch die Wirtschaft. Angesichts des restriktiveren Kreditverhaltens der Banken orientieren sich viele Aktivitäten in den Unternehmen zunächst in der Optimierung der Liquidität. Dazu gehören selbstverständlich auch Maßnahmen, die die Kosten senken.

Für Wirtschaftspraktiker ist es dabei eine Binsenweisheit, sich nicht durch liquiditätsinduzierte kurzfristige Maßnahmen mittel- bis langfristig zusätzliche Probleme einzuhandeln, sondern sorgsam die Maßnahmen zu durchdenken. So kann etwa ein vorschnelles Sale and Lease Back Geschäft zwar die Unternehmenskasse füllen, jedoch wegen zu schlechter Konditionen mittelfristig zu Belastungen führen[1].

Es bietet sich daher an, entsprechende Prioritäten festzulegen, die wiederum abhängig sind vom jeweiligen Handlungsspielraum des Unternehmens. Das Stichwort im Liquiditätsmanagement heißt für viele Unternehmen „Working Capital Management“. Das Working Capital wird aus der Differenz von Umlaufvermögen und kurzfristigen Verbindlichkeiten ermittelt[2]

Wir werden gleich noch sehen, dass es dabei nicht um die Maximierung des Working Capitals geht, sondern um die Freisetzung unnötig im Tagegeschäft gebundener Mittel im Umlaufvermögen.

Auch dieser Beitrag wird ergänzt durch eine entsprechende Mindmap, die mit konkreten Anhaltspunkten Hilfestellungen liefert.

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http://www.blicklog.com/wp-content/Managementpraxis/workcapman/map.htm

Abbildung: Ausgewählte Maßnahmen zum Working Capital Management (ausführlich und aktuelle Version der Mindmap hier abrufbar

Um die Rolle des Working-Capitals bei der Verbesserung von Liquidität und Ge-schäftswertbeitrag zu verstehen, zunächst die Definition von Working-Capital (siehe dazu diese Mindmap mit verschiedenen Liquiditätskennziffern)[3]:

Working-Capital = Netto-Umlaufvermögen =

Liquide Mittel

+ Kurzfristige Forderungen

+ Vorräte

./. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen

./. kurzfristiges Fremdkapital

./. Sonstige kurzfristige Verbindlichkeiten

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Abbildung: Working-Capital in der Bilanz[4]

Aber Vorsicht, das Working Capital ist zunächst eine statische Kennzahl. Formal werden dabei künftige Zahlungsströme nicht betrachtet, wodurch eine falsche Bewertung der Liquiditätslage eines Unternehmens entstehen kann. Zudem ist das Working Capital sehr stark branchenabhängig.[5]

Für Krisensituationen wird empfohlen, ein möglichst hohes Working Capital anzustreben[6]. Vereinfacht kann gesagt werden, je höher das Working Capital ist, desto gesicherter ist die Liquidität und damit auch die Beweglichkeit des Unternehmens[7]. Ist das Working Capital positiv bedeutet dies, dass ein Teil des Umlaufvermögens mit langfristigem Kapital finanziert wird. Ist das Ergebnis dagegen negativ, bedeutet dies, dass das Umlaufvermögen nicht ausreicht, um die gesamten kurzfristigen Verbindlichkeiten zu decken. Ein Teil des Anlagevermögens wäre damit kurzfristig finanziert und es kann kurzfristig Liquiditätsschwierigkeiten geben[8].

Working Capital Management hilft Unternehmern, ihren Kapitaleinsatz zu reduzieren und damit neue finanzielle Spielräume zu eröffnen. Es muss aber beachtet werden, dass ein zu hohes Working Capital auf eine zu hohe und evtl. die Eigenkapitalrentabilität negativ beeinflussende Bindung von kurzfristigen Vermögen im Unternehmen deuten kann.

Ein wesentliches Ziel des Working Capital Managements ist es, die Durchlaufzeit des im Umlaufvermögen gebundenen Kapitals so kurz wie möglich zu gestalten[9].

Ziel ist es daher, das Working Capital zu optimieren, damit der Cashflow möglichst schnell realisiert wird. Die Reduzierung der Kapitalbindung wird daher oft von Maßnahmen der Prozessoptimierung begleitet. So können Zahlungsverzögerungen und -ausfälle auch ein Indiz für Kundenunzufriedenheit sein, die sich zunächst als „schwache Signale“ im Rahmen eines Frühwarnsystems andeuten. Höhere Außenstände zeigen möglicherweise Absatzprobleme oder eine unzureichende Synchronisation zwischen Vertrieb und Produktion an[10].

Ein sinnvolles Working Capital Management (WCM) findet somit auf verschiedensten Ebenen statt. Das beginnt im Vertrieb, der mit darauf achtet, dass Kunden ihre Ware pünktlich zahlen. Es geht über das Debitoren- und Kreditorenmanagement und Maßnahmen zur Kostenoptimierung in der Produktion und des Lagerwesens bis hin zur Restrukturierung des Kreditportfolios eines Unternehmens.

Stefan Groß, CFO des Pharmagroßhändlers Anzag, schreibt über seine praktischen Erfahrungen im Umgang mit dem Working-Capital-Management[11]:

„Das Working-Capital-Management steht im Spannungsfeld der verschiedenen Unternehmensbereiche: Naturgemäß ist die Reduzierung der Kapitalbindung nicht primäres Ziel der einzelnen Funktionsbereiche. Hier können Zielkonflikte entstehen. Der Einkauf ist im Wesentlichen an der Sicherstellung des Arzneimittelbestands und der Realisierung von Einsparungen interessiert. Die Lagerwirtschaft möchte Bestände und Umschlag optimieren. Der Service strebt hingegen die schnelle und zuverlässige Auslieferung der Medikamente an. Zielsetzung des Vertriebs ist die Umsatzmaximierung. Eine nachhaltige Optimierung des Working Capital kann nur über das Zusammenspiel der verschiedenen Bereiche erreicht werden.“

Wie man vielleicht nach diesen Ausführungen ahnt, deutet das Management des Working Capitals Möglichkeiten einer ganzheitlichen Unternehmensbetrachtung und –steuerung. Sie kann sogar helfen, ein „rein“ ressortspezifisches Denken zu überwinden und eine prozessuale Sicht zu verstärken[12].

Für die Praxis ist mein Ratschlag, sich nicht ausschließlich und explizit auf das WCM zu konzentrieren, sondern bei den auszuarbeitenden Gesamtmaßnahmen jeweils darauf zu achten, wie sie auf das Working Capital wirken und danach im Zweifel die Priorisierung auszurichten.

Häufig ist zu hören, durch WCM können neue Finanzierungsquellen erschlossen werden. Gemeint ist tatsächlich die Reduzierung der Kapitalbindung in verschiedensten Unternehmensbereichen und dem nicht betriebsnotwendigen Kapital. So weisen etwa Gleißner und Schaller darauf hin, dass auch längerfristig im Unternehmen verplante Vermögenswerte nicht immer betriebsnotwendig sein müssen: „Gerade bei einem Überdenken der bisherigen Unternehmensstrategie kann ein Resultat sein, dass sogar ganze Geschäftsfelder mit denen in ihnen gebundenen Assets aufgegeben werden sollen und daher die dortige Kapitalbindung zu Liquidität gemacht werden kann und soll. Sollte dies gelingen, bringt es in Relation zum aktuellen Geschäftsbetrieb vergleichsweise viel Liquidität ins Unternehmen, die dann auch länger negative Cashflows aus dem laufenden Geschäftsbetrieb decken kann.“ [13]

Die Mindmap „Ausgewählte Maßnahmen zum Working Capital Management“ zählt viele Ansatzpunkte für ein sinnvolles Management zusammen. Die Maßnahmen erklären sich im Prinzip selbst. Viele Äste enthalten weitere Erläuterungen und/oder Links auf weiterführende Informationen.

Wie schon erwähnt, geht das WCM meist Hand in Hand mit Maßnahmen zum Kostenmanagement und der Kapitalbeschaffung. Diese werden in späteren Beiträgen betrachtet, die entsprechende Mindmaps sind aber bereits online: Hier für Kostenmanagement und hier für Maßnahmen zur Deckung des Kapitalbedarfs.

Da die Aktivitäten weder unternehmens- noch branchenspezfisch differenziert sind, sollten sie entsprechend der unternehmenstypischen Situation justiert werden. Unternehmen können z. B. den Katalog als Checkliste in ihrem Führungskreis und/oder gemeinsam mit ihrem Berater verwenden und um weitere unternehmensspezifische Maßnahmen erweitern.

Freilich ist es in der Unternehmspraxis alles andere als einfach, alle Maßnahmen umzusetzen. Insbesondere die nach außen gerichteten Aktivitäten, wie z.B. Veränderungen der Zahlungsvereinbarungen, setzen entsprechende Gespräche oder Verhandlungen voraus. Ein kleines Unternehmen kann hier sicher nicht so gut seine Verhandlungspositionen durchsetzen, wie ein mächtiger Konzern. Größere Unternehmen etwa müssen auch schauen, ob sie Kunden oder Lieferanten nicht durch ein zu striktes Working-Capital-Management in Schwierigkeiten bringen, denn über die Gesamtwirtschaft betrachtet schöpfen viele Maßnahmen kaum zusätzliche Liquidität, sondern sorgen nur für eine Liquiditätsverlagerung.


[1] Dies hat im vergangenen Jahr eindrucksvoll die Insolvenz des Einzelhandelskonzern Arcandor einer breiten Öffentlichkeit bewusst gemacht. Ein Artikel von Börsenpoint erläutert, warum Karstadt Quelle so große Probleme mit dem Sale and Leas back hatte.

[2] Vgl. Controlling-Portal.de: Working Capital. www.boersenpoint.de: “Sale and Lease back – Wie Unternehmen Ihre Bilanzen frisieren“ v. 18.11.2009.

[3] In anderen Ausführungen wird das Working Capital als Verhältniszahl dargestellt: Umlaufvermögen/kurzfristiges Fremdkapital

[4] Heinz-Jürgen Klepzig, Working Capital und Cash Flow, Gabler 2008, S. 17.

[5] Vgl. Controlling-Portal.de: Working Capital Management

[6] Ein zu hohes Working Capital verursacht allerdings hohe Opportunitätskosten

[7] Nach Klepper kann ein entlang der Zeitachse geschickt agierendes Unternehmen sogar ein negatives Working-Capital haben. Ein niedriges oder sogar negatives Working-Capital wird z. T. als Zeichen von besonderer Marktmacht gedeutet. Vgl. Heinz-Jürgen Klepzig, Working Capital und Cash Flow, Gabler 2008, S. 11.

[8] Vgl. Controlling-Portal.de: Working Capital.

[9] Vgl. Working Capital Management: Eine Bestandsaufnahme: Wie europäische Unternehmen ihr Working Capital steuern, KPMG 2008, S. 7.

[10] Vgl. P. Schubert u. O. Olliges, Zeitgemäße Liquiditätsplanung – Ein Praxisbeispiel, in: Die moderne Finanzfunktion, Strategien, Organisation und Prozesse, Gabler 2008, S. 337.

[11] Finance, Mai/3009, S. 40.

[12] Vgl. P. Schubert u. O. Olliges, Zeitgemäße Liquiditätsplanung – Ein Praxisbeispiel, in: Die moderne Finanzfunktion, Strategien, Organisation und Prozesse, Gabler 2008, S. 337.

[13] Vgl. W. Gleißner u. A. Schaller, Krisendiagnose und Krisenmanagement, in: Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung (KSI), Heft 04/2009, S. 160.

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Der Autor, Dirk Elsner, lebt in Bielefeld und ist Senior Berater der INNOVECS GmbH und berät und unterstützt Banken und mittelständische Unternehmen deutschlandweit. Sie erreichen ihn unter dirk.elsner[at]innovecs.de. Für mittelständische Unternehmen liegen die Schwerpunkte der Unternehmensberatung INNOVECS GmbH in der betriebswirtschaftlichen Analyse, Planung und Optimierung sowie in der Strategieentwicklung, der Unternehmenssicherung und im Krisenmanagement (mehr dazu hier).

PeteMü Februar 1, 2010 um 14:12 Uhr

Die Übersichten sind wirklich gut brauchbar. Und natürlich befreien sie uns in den Unternehmen nicht vom eigenen Denken. Das was im Handel eine kluge Maßnahme sein mag, ist im Maschinenbau möglicherweise genau falsch. Wir loten jedenfalls unsere Aktivitäten genau aus und setzen nicht auf Standardrezepte.
Besten Dank für die Mühe
Peter M, Hannover

MatthiasR Februar 1, 2010 um 11:24 Uhr

Hallo,
ich bin kaufmännischer Leiter eines mittelständischen Unternehmens und habe gerade den aktuellen Beitrag gelesen und möchte mich bei dieser Gelegenheit einmal für die praxisnahe Artikelserie bedanken. Vor allem die Mindmaps stellen eine große Hilfestellung dar und haben mir wertvolle Anregungen geliefert. Ich denke, man merkt, dass hier ein Praktiker schreibt, der viel Erfahrungen gesammelt hat.
Beste Grüße
MR

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