Griechenlandkrise: Ein Herz für Kreditderivate und gegen opportunistisches Moral Hazard

by Dirk Elsner on 4. März 2010

Es ist wirklich erstaunlich. Ein Teil der Debatte um die griechische und europäische Schuldenkrise konzentriert sich derzeit auf die Kreditderivate, konkret die Credit Default Swaps. Einige dieser Instrumente (Einmaleins dazu hier)  in den Händen von Spekulanten sollen Schuld sein, dass es derzeit nicht rundläuft mit den europäischen Staatsschulden. Ich bin beeindruckt und enttäuscht.

Ja, die Preise für die Absicherung gegen den Ausfall griechischer Schulden über das Instrument Kreditderivate sind in den letzten Monaten deutlich gestiegen. Aber dies jetzt auf die Spekulanten zu schieben, ist doch deutlich zu kurz gesprungen. Einen Grund für den Anstieg hat Zerohedge herausgearbeitet: Griechenland will nämlich aktuell in diesen Tagen an den Kapitalmärkten neues Geld aufnehmen.

Greek Bonds Tell The Truth

Die Kritiker übersehen, dass es zu jeder Position, die per CDS gegen Griechenland “wettet”, auch Positionen geben muss, die das Gegenteil erwarten. Jedem auf steigenden Prämien spekulierendem Käufer steht auch ein Verkäufer gegenüber. Klar, einen Teil dieser Gegenpositionen verkauft der griechische Staat indirekt selbst, weil er die Prämien indirekt zahlt über erhöhte Aufschläge (spreads) seiner Schulden. Es gibt aber auch Spekulanten, die die CDS verkaufen und die erwarten eine andere Bewegung als die angeblich preistreibenden Käufer. Und sind die Prämien unrealistisch hoch, dann müssten, zumindest nach der reinen (aber umstrittenen) Lehre, Spekulanten auftauchen, die stärker auf eine Rückgang der Prämien setzen.

Es würde sich außerdem überhaupt nichts ändern, wenn der Handel in Kreditderivaten, wie vom Bund erwogen, verboten würde. Der Preis für einen neu begebenen Bond bildet sich letztlich am Markt über Angebot und Nachfrage. Wenn die großen Kapitalsammelstellen (vulga Investoren, Anleger) keine griechischen Bonds zeichnen wollen, muss Griechenland entweder die Zinsen erhöhen oder auf die Emission verzichten. Investoren können ja nicht zur Anlage gezwungen werden. Die Zinserhöhung treibt somit automatisch den Spread, also die Risikoprämie.

Klar, in der Praxis sieht es etwas komplizierter aus. Da stellt sich schon die Frage, wer sich an welchen Indikatoren orientiert. Also, wird die Kreditabsicherung teurer, weil die Anleger nicht zeichnen wollen oder zeichnen die Nachfrager nicht, weil die Risikoprämie die Kreditversicherung nicht deckt. Hier sollte sich aber niemand einbilden, dass er genau weiß, was passiert. Die sogenannten “Märkte” wissen es nämlich selbst nicht und “spielen” kräftig mit- und gegeneinander. Das wird sich aber nie unterbinden lassen.

Ein Verbot ist aber auch deswegen unsinnig, weil man unmöglich einen Kapitalgeber die Form der Absicherung vorschreiben kann. Beantrage ich für ein Unternehmen einen Kredit, dann verlangt eine Bank in der Regel ebenfalls Kreditsicherheiten, wie etwa eine Bürgschaft. Die Finanzwelt schafft es ja immer wieder mit einer eigenen Sprache ihren Produkten und Dienstleistungen einen Schauer der Komplexität zu verpassen. Dabei sind die Produkte simple und eigentlich 0815. Ein Credit Default Swap ist wirtschaftlich (nicht juristisch) im Prinzip nichts anderes als eine Bürgschaft, nur klingt das ja nicht gerade sexy: Gezahlt wird bei Ausfall bzw. definierten Ereignissen. Der Vorteil eines CDS ist nur, hier steht ein Preis dran und er kann munter gehandelt werden.

Soweit erst einmal mein Herz für Kreditderivate. Anders liegt es, wenn ein Institut, wie es etwa Goldman Sachs in der Welt unterstellt wird, Insiderkenntnisse (über die wahre Lage des griechischen Haushalts) ausnutzt. Es ist Moral Hazard in opportunistischster Reinform, wenn ein Institut auf der einen Seiten Griechenland berät, auf der anderen Seite von Geschäften profitiert, mit denen praktisch gewettet wird, dass die eigene Beratung die Lage verschlimmert. Dagegen hilft aber kein Verbot von Kreditderivaten, sondern nur die Inanspruchnahme der Investmentbank auf Schadensersatz und die Verweigerung von Geschäften mit dieser Investmentbank (siehe dazu auch “Schmutzige Tricks von Goldman Sachs für Griechenland verursachen Milliarden-Schaden”).

In der Praxis dürfte eine Klage allerdings sehr schwer werden, weil gerade Investmentbanken ein Heer von Anwälten damit befassen, den rechtlichen Rahmen exakt auszunutzen. Hier hilft eigentlich nur Markttransparenz, wie dies z.B. Eric Schreyer in seinem Beitrag “Reich werden gegen Griechenland” skizziert. Fälle wie Griechenland machen immerhin klar, warum Banken ein Problem mit Transparenz haben und sich dagegen wehren. Forderungen, wie die des finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU, Leo Dautzenberg, nach einem Verbot, sind dagegen populistische Kurzschlüsse.

Die Regierungen müssen sich vielmehr Fragen, warum sie eigentlich die Finanzmarktregulierung, die vehement eingefordert wurde, bisher verschlampt haben. Von den zahlreichen Vorschlägen ist bisher so gut wie gar nichts umgesetzt (siehe dazu diese Mindmap). Zu den Vorschlägen gehört auch mehr Transparenz über den Markt für Kreditderivate. Zwar gibt es mittlerweile Ansätze für eine zentrale Clearingstelle. Deren Nutzung ist aber nicht verpflichtend. Der Öffentlichkeit wird dagegen Sand in die Augen gestreut mit Ermittlungen gegen Hedge Fonds, die “gegen Griechenland” spekuliert haben.

Nachtrag

Letzte Woche hatte der Blick Log vermutet, dass die Großinvestoren am Kapitalmarkt nur spielen, um die Konditionen der neuen Anleihe für Griechenland attraktiver zu machen. Dies hat offenbar funktioniert, denn nach Angaben einer Wirtschaftszeitung sind bereits kurz nach Öffnung des Angebotsverfahrens Gebote für über 7 Mrd. Euro eingegangen. Gesucht werden aber nur 5 Mrd. Euro. Die Diskussion und Verunsicherung hat die Risikoprämie auf 3,1% gehievt. 

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