Etwas versteckt hat die Süddeutsche Zeitung ein Interview über “Elite” und Stallgeruch” mit dem Soziologieprofessor Michael Hartmann. Darin erklärt Hartmann, warum nur Menschen mit der richtigen Kleidung und den passenden Hobbies Chancen auf Spitzenposition in der Wirtschaft haben. Hartmann beschäftigt sich seit 20 Jahren mit der Personen, die aufgrund ihres Amtes oder ihres Eigentums gesellschaftliche Entwicklungen maßgeblich beeinflussen. Er nennt sie Elite.
Nach den Erkenntnissen von Hartmann erleichtern bestimmte Persönlichkeitskriterien die Mitgliedschaft zur Funktionselite. Geht es um Spitzenposten in der Wirtschaft, zählt am Ende nicht die Leistung, sondern die Herkunft. Konkret sagt er in dem Gespräch:
“Die Kenntnis von den Verhaltensweisen, den sogenannten Codes der besseren Kreise, ein breites bildungsbürgerliches Wissen, eine optimistische, unternehmerische Einstellung und Souveränität. Das letzte Kriterium ist das entscheidende. Wer souverän ist, verhält sich wie jemand, der weiß, dass er dazugehört. Er kann mit der Kleiderordnung und den Verhaltenscodes auch spielerisch umgehen. Jedes der genannten vier Kriterien begünstigt Bewerber, die aus dem großbürgerlichen Milieu stammen, ganz enorm. Denn sie wissen von Kindesbeinen an, worauf es ankommt, weil sie es verinnerlicht haben. Ein Aufsteiger wirkt dagegen unsicher.”
In dem Interview geht im weiteren Verlauf um die Frage, ob sich diese “Codes” erlernen lassen. Hartmann äußert sich dazu skeptisch.
Lässt sich daraus nun schließen, dass das Topmanagement eine geschlossene Gesellschaft ist? Dies klingt schon fast nach Verschwörungstheorie und berücksichtigt nicht den von Taleb beschworenen Faktor Zufall, mit denen Top-Positionen besetzt werden. Nassim Nicholas Taleb beschreibt in seinem Buch “Narren des Zufalls” ausführlich, dass viele in hochbezahlten Positionen sitzende Personen dies dem Zufall zu verdanken haben, weil sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren und nicht, weil sie die besten Talente waren.
Es ist also ein verbreiteter Mythos, dass in Top-Position immer die Besten sitzen. Die These wird übrigens gestützt von einer im Handelsblatt besprochene Forschungsarbeit. Die zentrale und provozierende Aussage: An der Spitze findet sich oft nur Mittelmaß. Der Bonner Betriebswirt Matthias Kräkel hat dies in einem theoretischen Modell analysiert und kommt zu dem Schluss: In Bewerbungsrunden für Spitzenpositionen gewinnen oft die unqualifiziertesten Kandidaten (ausführlich siehe Studie "Competitive Careers as a Way to Mediocracy", pdf, 28 Seiten).
Hans Jürgen Krymanski, emeritierte Professor für Soziologie an der Universität Münster, hat sich in seinem Buch "Hirten und Wölfe. Wie Geld- und Machteliten sich die Welt aneignen", der Erforschung der Eliten gewidmet. Telepolis hatte mit ihm Ende des Jahres ein Interview geführt und schreibt einleitend: “Inspiriert vom Modell der amerikanischen Herrschaftsstrukturforschung Power Structure Research, rückt er [Krymanski] jenen zu Leibe, welche die monetär gefasste Welt regieren, dabei so einflussreich sind, dass sie öffentlich nicht in Aktion treten müssen und dennoch trotz aller Machtfülle gestürzt werden können.” (Teil 2 des Interviews hier)
Die letzten Jahre haben übrigens die Volatilität der Top-Positionen deutlich erhöht. Allein die Beherrschung eines bestimmten Verhaltenscodes schützt heute keinen CEO mehr vor den Konsequenzen schlechter Leistung. Daher sollten sich Absolventen nicht verunsichern lassen. Auch wenn mangels Beherrschung des “Codes der Funktionselite” die Position Vorstand der Deutschen Bank oder bei eon schwer erreichbar sein sollten, es gibt viele andere befriedigende Aufgaben, die sich lohnen. Intensiv befasst sich übrigens die Fachzeitschrift “Aus Politik und Zeitgeschichte” in der Ausgabe 10/2004 mit Eliten (Volltexte über diese Seite).
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