Abgewrackte Regulierung: Die Schlaglochpiste der neuen Finanzordnung

by Dirk Elsner on 25. Mai 2010

Was für ein Satz von Finanzminister Schäuble zur Finanzmarktregulieurng: „Eines darf keinesfalls passieren: Dass wir drei Jahre diskutieren und dann nichts hinkriegen“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Das signalisiert Entschlossenheit und Durchsetzungskraft. Mich erinnern solche Worthülsen an die heiße Phase der Finanzkrise. Im Herbst 2008 hatten sich die Regierungen der G20-Staaten ebenfalls viel vorgenommen, um die Finanzmärkte in geordnete Bahnen zu lenken. Der Blick Log war aber bereits vor dem als Bretton Woods II hochgejazzten Weltfinanzgipfel im November 2008 skeptisch und schrieb über das Minenfeld der Regulierung.

“Grundsätzlich einig ist man sich, dass die regulativen Rahmenbedingungen für die Finanzmärkte geändert werden müssen. Aber eben nur grundsätzlich. Wie solche Rahmenbedingungen im Detail aussehen können, ist nicht einmal in Ansätzen klar, geschweige denn das hier ein Konsens zwischen den Staaten bestünde. Während in Europa insbesondere Frankreich und Deutschland mehr Regulierung fordern, sind die USA und Großbritannien hier deutlich zurückhaltender.

Möglicherweise ist diese Zurückhaltung gerechtfertigt, denn eine Änderung der Regulierung setzt tiefere Kenntnisse darüber voraus, woran die bisherige Regulierung gescheitert ist. … Erst nach einer sachlich gesicherten Ursachenklärung kann ein zielgerichteter Regulierungsrahmen erarbeitet werden, der nicht nur populistische Klischees bedient, sondern der die Finanzmärkte zähmt ohne ihre für die Realwirtschaft benötigten Impulse gänzlich abzuwürgen.

Die Entwicklung der aus meiner Sicht gescheiterten Eigenkapitalregeln, Basel II genannt, hat Jahre gebraucht, was aber auch an den umfangreichen Konsultationen mit der Finanzwirtschaft lag. Für einen neuen Regulierungsrahmen muss es deutlich schneller gehen. Erstes Ziel muss es dabei sein, stetige Transparenz über Umfang, Inhalt und Risiken großer Finanzströme zu erhalten.”

Das war Ende 2008. Immerhin zeugte damals die gemeinsamen Erklärung von einer gewissen Entschlossenheit der G20. Diese Rhetorik, die damals vor allem die verunsicherten Märkte und Bevölkerungen beruhigen sollten, hat sich mittlerweile in Luft aufgelöst. Eine Flut von Vorschlägen für “entschlossene Reaktionen” auf die Finanzkrise hat seit der Pleite von Lehman unzählbare Zeitungsseiten gefüllt.

Verbindlich umgesetzt ist kaum etwas. Der Blick Log hat viele dieser Beiträge in der Linkliste “Zur neuen Finanzordnung” zusammen gestellt. Daneben versucht die Mindmap zur neuen Finanzordnung etwas Übersicht in die Diskussion zu bringen.

Möglich ist dies freilich kaum noch. Viele zu viele Institutionen, Länderinteressen und politökonomische und populistische Nebenziele haben Ansätze einer neuen Finanzordnung schon lange vor dem deutschen Regulierungsdesaster der vergangenen Woche abgewrackt. Weder national, noch international ist ein Konzept am Horizont zu erspähen, dass vor allem eine Lösung für das Moral Hazard-Problem des Too-Big-To-Fail bietet.

Der Chef der deutschen Börse, Reto Francioni, griff in einem Interview mit dem Handelsblatt zu einem Vergleich mit der Autobahn.

“Stellen Sie sich die Finanzströme wie eine Autobahn vor. Die schaffen sie auch nicht ab, weil es Geisterfahrer gibt. Aber sie müssen dafür sorgen, dass jeder sich an Regeln hält. Und das kann man am besten über Börsen. … [U]nd es gibt die Autobahnpolizei, und das muss auch so sein. Aber das Ziel muss bleiben, dass der Verkehr zügig fließt und diejenigen, die sich an die Regeln halten, nicht für die wenigen Regelbrecher bestraft werden. Sie könnten so viele Regeln aufstellen, dass keine Unfälle mehr passieren. Aber dann fahren sie am Ende Schritttempo und die Autobahn ist nicht besser als jeder Feldweg.”

Nimmt man dieses Bild auf, dann würden die vielen in der Mindmap andiskutierten Ideen die Autobahn der Finanzmärkte in eine Schlaglochpiste wandeln, ohne dass wirklich ein Fortschritt für die Wirtschaft erkennbar ist. Die Vorschläge etwa für neue Eigenkapital- und Liquiditätsrichtlinien drohen die Finanzbranche in einer nicht mehr steuerbaren Komplexität zu ersticken mit kaum absehbaren Konsequenzen für die Banksteuerung und Kreditvergabe. Besonders robuste Marktteilnehmer werden, wie schon in den vergangenen Jahren, geschickte Ausweichmanöver fahren und sich der Regulierung entziehen und so erst Recht neue Risiken heraufbeschwören.

Die Akteure auf den Finanzmärkten verhalten sich übrigens ebenfalls nicht besonders geschickt. Ihre Politik des Nichtstuns mit der gelegentlichen Einstreuung möglichst unkonkreter Vorschläge ist einfach zu durchschauen. Statt selbst mit dem zweifellos vorhandenen Know-how konstruktiv an der Architektur einer neuen Finanzordnung mitzuarbeiten, wartet man auf den nächsten Vorschlag aus Politik oder Wissenschaft, um ihn dann genüsslich zu zerlegen. Sind Vorschläge konzeptionell gut, wie die an den Risiken orientierte und der Absicherung dienenden Bankenabgabe, dann wird internationaler Gleichklang in dem Wissen gefordert, dass dieser ohnehin kaum erreichbar ist.

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