Wie die Propheten der Ökonomie danebenliegen

by Dirk Elsner on 2. September 2010

Auf einen besonderen Artikel im Handelsblatt konnte ich wegen meines Urlaubs nicht hinweisen. Im Beitrag “Geschäftsmodell Schwarzsehen: Die düsteren Propheten der Ökonomie relativiert die Zeitung endlich einmal die Wirtschaftsgurus. Matthias Eberle und Dirk Heilmann schreiben über prominente “Experten”, die ihren Promibonus vor allem dadurch erreicht haben, dass sie mehr oder wenig genau bestimmte Ereignisse vorhergesagt haben. Wirtschaftsmedien neigen dann dazu, diese “Experten” unkritisch in einen “Gurustatus” zu  befördern und ohne Distanzierung für die düster klingenden Prognosen als Presseverteiler zu arbeiten.

Eberle und Heilmann schreiben u.a.

“Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat ganze eine Schar ultrapessimistischer Außenseiter-Ökonomen zu Stars gemacht. Auch Marc Faber oder Nouriel Roubini haben sich so einen Namen gemacht. Und sie verdienen prächtig mit ihren düsteren Prophezeiungen zu Inflation, Immobilien- und Börsen-Crash – obwohl die Welt nicht wie versprochen untergeht.”

In dem Beitrag porträtieren Eberle und Heilmann folgende “Analysestars”:

Meredith Whitney – Die Quotenkönigin
Nouriel Roubini – Dr. Untergang
Marc Faber – Der Goldfinger
Jim Rogers – Der Notenbankfresser
Robert Shiller – Der Feinsinnige
Paul Krugman – Der Krawallmacher
Nassim Taleb – Der Doppelzüngige

Ich persönlich würde freilich Shiller und Taleb nicht zu denjenigen zählen, deren Profession Vorhersagen sind. Sie sind Fachleute, die sich mit Risikomanagement auskennen und ständig auf Risiken hinweisen. Beide lehnen es ab Prognosen abzugeben.

Eberle und Heilmann schließen ihre lesenswerte Untersuchung mit folgendem Fazit:

“Ob Taleb, Faber, Rogers, Shiller, Krugman, Roubini oder Whitney – das Problem erfolgreicher Propheten ist stets, den Erfolg zu wiederholen. Nur wenige Prognostiker haben mehrmals nacheinander an bedeutenden Wegmarken der Wirtschaftsgeschichte den richtigen Weg gewiesen, und ihr Ruhm kann schnell verblassen. Kaum mehr jemand erinnert sich beispielsweise an Elaine Garzarelli. Die Analystin von Shearson Lehman sagte einmal den Schwarzen Montag von 1987 voraus und wurde, nachdem er tatsächlich die Wall Street ereilt hatte, über Nacht zur gefeierten Prognostikerin. 1995 gründete sie ihre eigene Firma, Garzarelli Research. Heute fragt sie kaum mehr jemand im Fernsehen um Rat, nun haben Whitney und Roubini, Krugman und Rogers ihre Sendeplätze bei CNBC, Fox und Bloomberg News übernommen. Bleibt die Frage, für wie lange?”

Aber nicht nur die Prominenz hat Probleme mit Vorhersagen. Hans Christian Müller berichtet im Beitrag “Warum Börsenprognosen so oft daneben liegen” über eine Studie, die sich mit der Treffsicherheit von Finanzmarktforscher, Analysten oder Fondsmanager befasst. Auch hier fallen die Ergebnisse wenig schmeichelhaft aus.

Die Ergebnisse der beiden Texte kommen für den Blick Log und wohl für viele andere Beobachter nicht überraschend, denn es gibt keine Modelle, die die Zukunft für Börsen und die Ökonomie treffsicher vorhersagen können. Und ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Es wird solche Modelle auch nie geben. Die Wirtschafts- und Kapitalmarktwelt mit ihren Millionen Akteuren ist viel zu komplex. Turbulenzen, Rückkopplungen zwischen den Teilnehmern und vom ökonomischen Modell abweichendes Verhalten machen es unmöglich, präzise Modelle zu entwickeln, die dauerhaft langfristig richtige Vorhersagen liefern.

Der Komplexitätsforscher Klaus Mainzer bestätigt dies in seinem Buch “Komplexität (Paderborn 2008). Er schreibt dort im Abschnitt über das Gleichgewicht von Finanzmärkte (S. 80):

“In einer Kausalanalyse könnte man versuchen, die Kurse von Aktien und Anleihen durch Ursache und Wirkung wie in der Mechanik zu erklären: Etwas geschieht, darauf reagieren die Kurse aufgrund des Kaufverhaltens von Millionen von Börsianern, was wiederum Unternehmensentscheidungen beeinflusst, die auf politische Entscheidungen nehmen, worauf die Kurse wieder reagieren etc. Im Nachhinein kann im Einzelfall das verwickelte kausale Wechselspiel vielleicht mehr oder weniger zutreffend rekonstruiert werden. Der Einzelfall lässt sich aber nicht vorhersagen, da wir nicht alle Anfangs- und Nebenbedingungen kennen können.”

Das schließt natürlich nicht aus, dass es immer wieder Modelle und Marktteilnehmer gibt, die richtig prognostizieren. Ob es an ihren persönlichen Fähigkeiten, ihrer mathematischen Kenntnis, an ihrer Intuition oder einfach nur am Faktor Zufall liegt, muss jeder selbst beantworten.

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