Die Kosten der faktischen Staatsgarantie für Kreditinstitute

by delsn on 30. September 2010

In der vergangenen Woche hatte der Blick Log bereits aus einer Studie des Instituts für schweizerisches Bankwesen der Universität Zürich zitiert. In dem Beitrag ging es um die “Struktur des too-big-to-fail Problems mit der faktischen Staatsgarantie”. In dem Gutachten (pdf) befasst sich das Institut auch mit den Kosten der faktischen Staatsgarantie. Der Blick Log gibt hier um Literaturhinweise und Fußnoten gekürzte Auszüge aus dem Gutachten wider:

Die verschiedenen Kostenfaktoren

In der Öffentlichkeit werden die Kosten der Staatsgarantie oft fälschlicherweise mit den von den Staaten zur Stützung der Banken aufgewendeten Beträgen gleichgesetzt. Dies ist jedoch nicht ganz richtig. Zum einen sind Finanzhilfen  als solche aus ökonomischer Sicht  keine echten Kosten, sondern lediglich Transfers, d.h. eine Umverteilung (zwischen Steuerzahler und Banken). Nur die (nicht unerheblichen) Folgekosten der Transfers zählen zu den volkswirtschaftlichen Kosten. Zum anderen ist die faktische Staatsgarantie nicht erst dann mit volkswirtschaftlichen Kosten verbunden, wenn Staatshilfe geleistet wird. Schon die  blosse Erwartung von Staatshilfe verzerrt nämlich das Verhalten der Banken und ihrer Gläubiger, selbst wenn nie ein Franken an Staatshilfe fliesst. Der erste Kostenbestandteil ist daher eine Fehlallokation.

Fehlallokation

Die  von der faktischen Staatsgarantie verursachte Fehlallokation beruht auf einer Subvention. Banken, die als TBTF gelten, sind für ihre Gläubiger risikolos; sie können daher am Kapitalmarkt Geld praktisch zum risikolosen Satz aufnehmen, bzw. Einlagen ohne Rücksicht auf ihre Solvenz anziehen. Obwohl die Staatshilfe in erster Linie die Fremdkapitalgeber schützt, kommt die Subvention über die entsprechend tiefen Risikoprämien letztlich den Aktionären zugute. Diese Subvention beruht auf der  erwarteten  Staatshilfe und besteht unabhängig davon, ob die Bank je konkret Staatshilfe erhält. Trügerisch sind daher Aussagen wie:  „Wir  …  mussten nie eine Staatsgarantie beanspruchen. Darauf sind wir stolz.“

Die Subvention durch erwartete Staatshilfe ist in zahlreichen Studien theoretisch und empirisch
beschrieben. Ihre Höhe variiert in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren. Zum Beispiel zeigen O’Hara & Shaw (1990) für die Periode nach 1984 (dem Jahr, in dem elf Banken öffentlich als „TBTF“ erklärt wurden), dass die Höhe der Subvention für amerikanische Banken von der Solvenz und der Grösse einer Bank abhängt. Rime (2005) analysiert die Implikationen für das Issuer Rating der TBTF-Banken, welche durch die implizite Staatsgarantie einen wesentlichen Finanzierungsvorteil erhalten.  Dieser Vorteil bedeutet auch erheblich geringere Kosten bei der Einlagenfinanzierung. Baker & McArthur (2009) schätzen  den Finanzierungsvorteil der grossen Banken gegenüber kleinen Banken im Durchschnitt der Jahre 2000-2007 auf 0,29 Prozentpunkte; in der darauffolgenden Finanzkrise (2008-2009Q2) betrug er 0,78 Prozentpunkte. In absoluten Zahlen errechnen die Autoren eine Subvention der grossen amerikanischen Banken von 34 Mrd. US$ pro Jahr. Umgerechnet auf die Schweiz sind 0,2-0,3 Prozentpunkte der Grossbankbilanzen rund 4-5 Mrd. Fr. pro Jahr. So geschätzt entspricht die TBTF-Subvention für die beiden Grossbanken ungefähr den Subventionen an die schweizerische Landwirtschaft.

Zu einer Fehlallokation kommt es aufgrund der Lenkungseffekte der TBTF-Subvention. Die Subvention  ist besonders hoch für grosse, riskante, insolvente, aber auch für komplexe und verflochtene Banken. Die Subvention schafft damit unerwünschte Anreize für das Verhalten der Banken.

In der Risikopolitik der Banken sind allerdings zwei gegenläufige Effekte des TBTF zu unterscheiden. Auf der einen Seite bedeutet faktische Staatsgarantie, dass die Bank billiger Risiken eingehen kann als ohne derartige (zunächst implizite) Garantien („risk effect”). Dieser Effekt ist empirisch gut nachgewiesen für  explizite  staatliche Garantien im Rahmen einer Einlagenversicherung. Aber auch  implizite TBTF-Erwartungen erhöhen den Risikoappetit grosser Banken.

Auf der anderen Seite bringt die Subvention in Form verbilligter Fremdmittel der Bank auch einen Wertzuwachs. Diesen (d.h. den Gegenwartswert aller zukünftigen Subventionen) würde sie bei zu riskanter Politik aufs Spiel setzen. Der erhöhte Wert beinhaltet daher einen Anreiz zu vorsichtigerer Politik. Dieser „value effect” ist modelltheoretisch dokumentiert. Er scheint jedoch nur bei undurchsichtigen Banken zu spielen und verschwindet mit erhöhter Transparenz.

Staatliche Garantien wirken sich nicht nur auf die Risiken der begünstigten Banken aus, sondern auch auf die Risikowahl ihrer Konkurrenz. Sowohl theoretische Überlegungen als auch empirische Evidenz deuten darauf hin, dass die kleineren Konkurrenten von TBTF-Banken ihren Wettbewerbsnachteil durch das Eingehen höherer Risiken zu kompensieren trachten. Die Verzerrungen reichen also über den Bereich der TBTF-Banken hinaus. Die TBTF-Subvention schafft, wie erwähnt, auch Anreize zu Grösse, Verflechtung und Intransparenz. Diese führen zu einer Ressourcenverschwendung in Form von Bemühungen der Banken, den Status  „too big to fail”,  „too complex to fail” oder  „too interconnected to fail” zu erwerben und dadurch unter den staatlichen Schutzschild zu gelangen. Für die Zeitperiode 1991-2004 berechnen Brewer & Jagtiani (2009), dass die Banken 14 Mrd. US$ in Form von Preisaufschlägen bei Übernahmen aufwendeten, um den Status TBTF (in diesem Fall eine Bilanzgrösse über 100 Mrd. US$) zu erreichen.

Fiskalische Kosten

Von den Kosten der erwarteten Staatshilfe zu unterscheiden sind die Kosten der realisierten, d.h. der gewährten Staatshilfe. Diese ist zwar wie erwähnt in erster Annäherung „nur“ eine Umverteilung vom Staat zu den Banken. Indirekt verursacht sie gleichwohl Kosten.

Erstens müssen zur Finanzierung der Staatshilfe irgendwann Steuern erhoben werden. Die Steuererhebung führt unvermeidlich zu Verzerrungen, d.h. zu volkswirtschaftlichen Kosten. Die Effizienzverluste durch Steuererhebungen nehmen mit der Höhe der benötigten Beträge zu. Mit zunehmender Erhöhung der Steuerlast schwindet zudem die Steuerbasis. Die faktische Staats-
garantie kann deshalb über den Teufelskreis Steuererhöhung-Abwanderung-Steuererhöhung ein Land in den Bankrott treiben und als Wirtschaftsstandort ruinieren („Islandisierung”). Das Argument, Massnahmen  für die Lösung des  TBTF-Problems,  gefährdeten den Bankenstandort Schweiz, ist deshalb kurzsichtig.

Zweitens wird  eine Umverteilung von den Steuerzahlern zu den Banken (bzw. zu ihren Gläubigern und Aktionären) als Ungerechtigkeit empfunden. Diese führt zu politischen oder gesellschaftlichen Folgekosten

Makroökonomische Kosten

Die faktische Staatsgarantie hat über die Grösse der Banken und deren Risikoneigung auch zur jüngsten Finanzkrise beigetragen. In der Schweiz hat die Finanzkrise zu Wachstumseinbussen von bisher rund 6 Prozent des jährlichen Bruttoinlandprodukts (BIP), das sind gut 30 Mrd. Fr., geführt. Diese Einbussen wären deutlich höher ausgefallen, hätte die SNB nicht mit massiver Geldschöpfung reagiert. Auch die mit dieser Geldschöpfung verbundenen Inflationsrisiken  stellen
Kosten dar. Die gesamten Kosten können erst abgeschätzt werden, wenn das zusätzlich geschaffene Geld wieder abgeschöpft ist.

Politische Kosten

Finanzielle Staatshilfe an Banken bedeutet eine demokratisch nicht legitimierte Umverteilung zwischen den Steuerzahlern (bzw. den Bezügern öffentlicher Leistungen) einerseits und den Banken andererseits. Wie das Beispiel der Schweiz zeigt („Abzocker”-Debatte), führt eine solche Umverteilung zu sozialen Spannungen. Sie stört dadurch das delikate Gleichgewicht in einer direkten Demokratie zwischen Nehmen und Geben. Dies erschwert insbesondere die demografisch notwendigen Reformen der Sozialversicherungen und gefährdet dadurch wiederum das Gleichgewicht der Staatsfinanzen.

Die  faktische Staatshaftung führt auch zur Korrosion des Rechtssystems. Zur Rettung der UBS verstiess die FINMA gegen geltendes Recht. Der Staatsvertrag mit den USA bedeutet ebenfalls den rückwirkenden Bruch nationalen Rechts. Solche Ereignisse untergraben die Rechtssicherheit, einen wichtigen Bestandteil der Demokratie und eine traditionelle Säule des Finanzplatzes Schweiz.

warmist Oktober 1, 2010 um 15:12 Uhr

Und Deutschland

„In der Schweiz hat die Finanzkrise zu Wachstumseinbussen von bisher rund 6 Prozent des jährlichen Bruttoinlandprodukts (BIP), das sind gut 30 Mrd. Fr., geführt.“
BIP: DE=2.810 Mrd.(2009) 2.955(2008)
uminterpretiert auf DE 145 Mrd.$ ~ 100 Mrd.€, davon 1/5 nur die Steuerverluste, etwa 20 Mrd. €.

„Finanzierungsvorteil der grossen Banken gegenüber kleinen Banken im Durchschnitt der Jahre 2000-2007 auf 0,29 Prozentpunkte; in der darauffolgenden Finanzkrise (2008-2009Q2) betrug er 0,78 Prozentpunkte“

das garantiert den Vorteil (nur wegen der Garantie für „too big to fail“-TBTF) gegenüber den kleinen Banken um 0,5 Prozentpunkte, nur der Deutschen Bank bringt bei der Bilanzsumme 1.926 Mrd einen Vorteil von ~10 Mrd. € das ist doppel so viel wie der Gewinn vor Steuer.

Die deutschen Bürger subventionieren damit Deutsche Bank mit etwa 10 Mrd. € was nur zur Hälfte in den Gewinn umgesetzt wird.

Es ist verständlich, dass man den Bürger die „komplizierte“ Bankwesen nicht erklären möchte, sonst könnten sie merken, wie absurd und verrückt es ist. Im Übrigen wären die TBTF ohne ständige Subventionierung gar nicht konkurrenzfähig gegenüber den kleineren Banken. Fazit: TBTF müssten schon aus wirtschaftlichen Gründen zerschlagen werden, sie sind uneffektiv.

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