Bundestag beschließt heute Restrukturierungsgesetz für Banken (+ Dokumentation)

by Dirk Elsner on 28. Oktober 2010

Heute will der Deutsche Bundestag das Restrukturierungsgesetz für Banken verabschieden. In der Öffentlichkeit sorgt das Gesetz für volkstümliche Aufmerksamkeit, weil darin eine Gehaltsobergrenze für staatlich gestützte Institute festgeschrieben wird. Vertreter der Banken stürzen sich zwar darauf, zum Kern des Gesetzes gehört diese Deckelung aber nicht. Kern ist auch nicht die Bankenabgabe, deren Umfang viel zu niedrig ausfällt, um damit einen Fonds, wie den SoFFin-Rettungsfonds so speisen zu können, um damit Banken stützen zu können

Entscheidend an diesem Gesetz ist, dass es neue Instrumente für die Restrukturierung von Finanzinstituten. So werden Eingriffsrechte für die Finanzaufsicht BaFin bereit gestellt, die  über ein mehrstufiges Verfahren die Möglichkeit eröffnet systemrelevante Institute schonender abwickeln zu können.

Das Ziel des Gesetzes wird in der Gesetzesvorlage (BT 17/3024) formuliert.

“Eine der wesentlichen Lehren aus der Finanzmarktkrise ist, dass geeignete Instrumente entwickelt werden müssen, um Banken, die in Schwierigkeiten geraten sind, in einem geordneten Verfahren entweder zu sanieren oder abzuwickeln. Mit den Mitteln des herkömmlichen Insolvenzrechts wird dies nur in seltenen Ausnahmefällen zu bewältigen sein. … Der Staat ist aber in seinem Krisenbewältigungspotential beschränkt, wenn eine Restrukturierung oder geordnete Abwicklung von systemrelevanten Banken nicht möglich ist. Zugleich wird die unternehmerische Verantwortung der beteiligten Parteien geschwächt und Gläubiger, Bankmanagement und Eigentümer werden dazu verleitet, Risiken einzugehen, die sie nicht beherrschen. Im Sinne einer wirksamen Krisenprävention muss deshalb der rechtliche und institutionelle Rahmen so justiert werden, dass solche Anreizverzerrungen und Ansteckungseffekte so weit wie möglich reduziert werden. Ziel muss es daher sein, die Schieflage einer systemrelevanten Bank ohne Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems zu bewältigen und dafür Sorge zu tragen, dass Eigen- und Fremdkapitalgeber die Kosten der Insolvenzbewältigung so weit wie möglich selbst tragen.”

Diese Zielsetzung klingt sehr ambitioniert. Ob es damit gelingen wird, den Staat aus künftigen Rettungsaktionen herauszuhalten und die Gläubiger stärker in die Pflicht zu nehmen, muss sich noch zeigen. Als Instrumente sieht der Gesetzentwurf folgende Regelungen vor, die sich gegenseitig ergänzen:

1. Verfahren zur Sanierung und Reorganisation von Kreditinstituten (KredReorgG-E)

2. Aufsichtsrechtliche Instrumente zum frühzeitigen Eingreifen und zur Krisenbewältigung

3. Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute

4. Übertragung neuer Aufgaben auf die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung

5. Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung

6. Änderungen des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes und des Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetzes

Die ursprünglich nur als temporäre Einrichtung vorgesehene Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung wird damit fest etabliert. Wirklich interessant ist das neue Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten (KredReorgG). Es sieht u.a. “Elemente zur Verfahrensbeschleunigung wie einen verschlankten Rechtsschutz vor und es ermöglicht nicht nur Eingriffe in Rechte der Gläubiger, sondern auch eine Einbeziehung der Anteilsinhaber, damit diese einen erfolgversprechenden Reorganisationsplan nicht vereiteln können.”

Diese Reorganisationsverfahren ermöglicht Eingriffe in grundrechtlich geschützte Positionen Dritter. Daher darf es nur bei Vorliegen einer besonders schwerwiegenden Krise eines Kreditinstituts angewendet werden und kann nur durch negative Auswirkungen auf die Stabilität des Finanzsystems gerechtfertigt werden. Im neuen § 48b, der in das Kreditwesengesetz eingefügt wird, wird die Systemrelevanz im Wege der Vermutung definiert.

Das Gesetz wird sicher in der Finanzbranche erheblichen Klärungsbedarf auslösen und Insolvenzspezialisten intensiv beschäftigen. Offen ist derzeit, wie das neue Gesetz mit dem von der EU-Kommission geplanten Insolvenzverfahren für Banken zusammen passt. Zu begrüßen ist freilich, dass hier daran gedacht wird, die Gläubiger an der Sanierung zu beteiligen. Bei der Rettung der Hypo Real Estate haben sich ja bekanntlich die Gläubiger unbesicherter Forderungen nicht einmal ein blaues Auge geholt.

Ich halte den Ansatz dieses Gesetzentwurfs jedenfalls für die bisher bedeutendste Konsequenz der Bundesregierung aus der Finanzkrise. Ob das Gesetz jedoch wirklich praktikabel ist, dürfte fraglich sein. Im Idealfall würde das Gesetz seine Qualität allein dadurch unterstreichen, dass es nie angewendet werden braucht, weil es die Moral-Hazard-Anreize einer faktischen Staatsgarantie deutlich reduziert.

Die Bankenabgabe, die einen Stabilisierungsfonds füllen soll, reicht dazu allerdings nicht aus. Wenn die Bankenabgabe den Fonds tatsächlich nur mit 1 Mrd. Euro pro Jahr auffüllt, dann dauert es allein 180 Jahre um das Volumen der bisher ausgelegten SoFFin-Mittel zu erreichen. Bis dahin werden wir mindestens 10 weitere Finanzkrisen mit Ursachen erlebt haben, die sich grundsätzlich von denen der letzten Krise unterscheiden.  Die Erwartung von Investoren und Anlegern, dass bestimmte Banken im Zweifel doch vom Staat gerettet werden, wird trotz dieses Gesetzes wohl weiter bestehen bleiben.

Übrigens, die von den Banken belebte Diskussion um die Gehaltsdeckelung mutet absurd an. „Talente haben ihren Preis“, wird da etwa behauptet. Die geballten Talente der Wall Street und anderer internationaler Banken haben die Finanzkrise nicht verhindert, sondern mit verursacht. Am Ende durfte der Staat einspringen, um den von den Talenten fabrizierten Schrott zur Seite zu räumen. Mehr Geld, mehr Leistung: Boni gelten bei den meisten Unternehmen dennoch als Motivationsmittel Nummer eins. Dass dies veraltet ist, zeigt dieser Artikel.

Nachtrag

Der Bundestag hat das Gesetz beschlossen. Siehe dazu Plenarprotokoll der 68. Sitzung von Donnerstag, dem 28. Oktober 2010 (pdf | 1.8 MB). Zum Inkraftreten bedarf das Gesetz noch der Zustimmung des Bundesrates

Ob das Gesetzt durch den Bundesrat gewunken wird, ist derzeit noch offen. Es liegt derzeit eine Empfehlung vor, den Vermittlungsausschuss anzurufen (siehe BR 681/1/10).

Dokumentation

Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz) (BT 17/3024)

Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung (BT 17/3362)

Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT 17/3407)

Presse

FAZ: Banken – Ein Rettungsnetz über 70 Milliarden Euro (28.10.10): Deutschland zieht die Konsequenzen aus der Krise: An diesem Donnerstag soll der Bundestag umfangreiche Neuregelungen beschließen. Banken sollen die Risiken künftig stärker spüren und die Konsequenzen tragen, falls es schief geht.

Compliance Magazin: Rettung systemrelevanter Banken: Sachverständige weisen darauf hin: Neues Restrukturierungsgesetz könnte HRE-Zusammenbruch nicht verhindernGesetzentwurf sieht vor, dass systemrelevante Banken, die in eine Schieflage geraten sind, durch ein mehrstufiges Verfahren wieder saniert werden sollen

nigecus Oktober 30, 2010 um 05:21 Uhr

die einschränkung auf „systemrelevant“ ist schwachsinn. wie ist das definiert? darüber gibt es keinen konsens.

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