Hypo Real Estate erhöht heute Deutschlands Staatsverschuldung um 8% und die Altgläubiger feiern still

by Dirk Elsner on 1. Oktober 2010

Toxic Wasteland - Cyanide Storage RoomDie Wochenzeitung DIE ZEIT rechnete für die gestrige Printausgabe aus, dass mit dem heutigen 1. Oktober sich die Staatsverschuldung offiziell um 200 Mrd. Euro erhöht. Schuld ist die Gründung der teuersten “Mülldeponie” (NZZ) des Landes, die heute ihre Arbeit aufnimmt. Die Gründung der Bad Bank mit dem Namen “FMS Wertmanagement” stellt die wohl größte Finanztransaktion in der deutschen Finanzgeschichte dar. Aus der maroden Münchner Hypo Real Estate (HRE) werden 191,1 Milliarden Euro “toxischer” Vermögenstitel (im Behördendeutsch heißt diese “nichtstrategienotwendige Vermögenswerte und Risikopositionen”) in die FMS verlagert.

Auch wenn buchhalterisch heute die Staatsschulden nach Interpretation der ZEIT um diesen Betrag steigen, ändert sich nichts an der Risikoposition des Bundes. Denn schon bisher hat der Bund faktisch die Risiken der HRE insbesondere unter Begünstigung ihrer Gläubiger (vorwiegend Banken, Versicherungen und Pensionskassen) getragen (Details zu den Gläubigern der HRE am Ende dieses Beitrags).

Freilich wird die Verlustausgleichspflicht nun offiziell, wie dem Statut der FMS in § 7 zu entnehmen ist. Danach ist der “Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung” (=SoFFin) dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die FMS Verbindlichkeiten zahlen kann und muss Verluste ausgleichen. Und zusammen mit den Vermögenswerten wird die HRE dann auch die bereits begebenen SoFFin-garantierten Anleihen auf die FMS Wertmanagement übertragen (siehe Pressemitteilung der HRE). Hinter dem SoFFin steht bekanntlich der Bund (siehe hier zur Finanzierung des Fonds). Die Mittelbeschaffung für den SoFFin läuft dabei übrigens über die Deutsche Finanzagentur.

Nun darf man freilich davon ausgehen, dass die Wertansätze der übertragenen Vermögenstitel größer als Null ist, wie es die öffentliche Darstellung gern simplifiziert. Die übertragenen Immobilienkredite, Anleihen hochverschuldeter Länder und weiterer angeschlagener Vermögenstitel sind nicht wertlos, so dass die Haftung sich nicht auf insgesamt 200 Mrd. belaufen wird.

Erstaunlich ist, dass angeblich immer noch keine verlässlichen Angaben über die übertragenen Werte vorliegen. Angesichts der in hochqualifiziertes Personal und Beratungskapazitäten investierten Summen wirkt das nicht glaubhaft. Je nach Bewertungsmethode wird man vermutlich zu deutlich niedrigeren Wertansätzen als die 191 Mrd. € gekommen sein. Ich denke, die Öffentlichkeit hat ein Recht, diese Summe angesichts ihrer Sippenhaft zu erfahren. Das Modell der Bad Bank basiert ja am Ende nur in der Hoffnung, einen Betrag zwischen den tatsächlichen Wertansätzen und den “Buchwerten” zu realisieren.

Ein Skandal dieser Finanztransaktion ist das Verschweigen der eigentliche Profiteure dieser HRE-Rettung. Nicht erst seit heute freuen sich in aller Stille nämlich die alten Gläubiger der HRE, die ihre Verbindlichkeiten zu 100% zurück erhalten (haben). Während Gläubiger eines “normalen” Unternehmens sich bei einer Abwicklung mit einer meist mickrigen Insolvenzquote bescheiden müssen, kommen hier sämtliche Gläubiger ohne jeden “Haircut” davon.

Wer zu diesen ungeschorenen Begünstigten gehört sollte eigentlich verschwiegen werden. Der Tagesspiegel hatte aber vor einem Jahr in dieser Dokumentation eine Reihe von Gläubigern zusammengetragen. Darunter sind viele prominente Finanzinstitute, wie etwa die Unicredit (2,7 Mrd. €), BayernLB (2,1 Mrd. €), Deutsche Bank (1,7 Mrd. €) und die Postbank mit fast 1 Mrd. €, die der HRE ohne jede Besicherung große Beträge zur Verfügung gestellt haben.

Es ist schon äußerst erstaunlich, dass mit der Erfindung der “Systemrelevanz” der Anteil dieser und vieler anderer Gläubiger an der Rettung 0% beträgt. Der Bund hat sich und uns Steuerzahler mit dieser Form der Rettung im wahrsten Sinne des Wortes barbieren lassen, während die Gläubiger und ihre Anteilseigner still feiern.

nigecus Oktober 3, 2010 um 17:05 Uhr

Soweit ich mich errinnere ist es doch verpflichtend eine Neubewertung beim Eigentumsübergang durchzuführen. Also von HRE zu FMS. Gelten die Regeln des Staats für den Staat denn nicht?

nigecus Oktober 3, 2010 um 16:22 Uhr

Waass??? 3 jahre alte Bewertungen? Dann haben die die Assets wohl noch zu Par in den Büchern stehen. Unter die magische 80% müssen die Marktwerte ja auf jedenfall gerutscht sein, sonst würde die ja nicht das Bilanzierungswahlrecht auf Amortization und somit auf Par gestellt haben.

Fragt der Bilanzbuchhalter: „Welche Zahl hätten Sie denn gern?“

Ich habe mal kurz auf den Link zum FMS, §7 geguckt. Anscheinend muss FMS nur an Soffin so eine externe aggregierte Bilanz abgeben — Das hat eh einen Informationsgehalt von Null. Eigentlich wäre es doch mein Recht als Steuerzahler zu wissen, welche Vermögensgegenstände dem Staat (=uns) gehören. Oder nicht?

Generell verstehe ich nicht warum eine Abwicklungsbank für die HRE gemacht wird – Die HRE ist doch schon eine.

nigecus Oktober 2, 2010 um 14:40 Uhr

Ganz ehrlich. wenn „wir“ ganz viel Glück haben, dann dann bekommt man ca. die Hälfte vom Interest und Principal für Senior Subprime-ABS wieder. Die ganze second lien, subordinated usw sind wertlos, ein Totalverlust – Wer das nicht abschreibt macht im engeren Sinne (was ja nicht mehr gilt) Bilanzbetrug. Keine Ahnung was die da konkret in FMS reingepackt haben. Die Staatsanleihen wurden bestimmt zur „Aufhübschung“ reingepackt. Ich schätze ein Großteil der Garantien wird am Ende gezogen werden. Da braucht man sich garkeine Illusionen machen.

Wie hieß es nochmal: „Optimismus ist mangelndes Wissen!“ Also braucht man nur ein paar Wirtschaftsprüfer und Rechnungswesen-Fuzzies beim FMS einstellen…

dels Oktober 3, 2010 um 08:56 Uhr

Ich glaube nicht, dass ein Großteil der Garantien gezogen wird. Aber gerade diese Diskussion zu führen ist eigentlich ein Skandal, denn trotz des übernommenen Milliarden-Risikos und eines zwei Jahre dauernden Prozesses gibt es keine glaubhaften Informationen darüber, wie hoch der Wert des übertragenen Vermögens ist. Interessant dazu, was am Samstag auf Handelsblatt Online veröffentlicht wurde:

„Die Nachrichtenagentur Reuters hatte zuvor Details aus einem Soffin-Papier für das geheim tagende Finanzmarktgremium des Bundestages verbreitet. Konkret geht es um Risiken im HRE-Immobilien-Kreditbuch. Demnach sei bei 36 Prozent des HRE-Kreditvolumens in der Kernsparte Immobilienfinanzierung seit über drei Jahren keine Neubewertung der Sicherheiten mehr erfolgt. Bei anderen befragten Banken liege dieser Anteil nur bei zwölf Prozent. Der Soffin bezifferte laut dem Papier das HRE-Kreditvolumen in der gewerblichen Immobilienfinanzierung zum 31. März auf 45 Milliarden Euro. Als Gründe für die verschleppte Neubewertung der Sicherheiten nennt die Behörde demnach die unzureichende Personaldecke der HRE und eine IT-Umstellung.“

Jan Oktober 2, 2010 um 13:15 Uhr

Etwas reißerische Überschrift, aber gut: Die hat mich ja auch erst zum Lesen gebracht! 🙂

Spannend wäre noch die wohl nicht vollständig zu beantwortende Fragen, wer hinter diesen Altgläubigern steht. Teilweise ist das ziemlich klar: eine ganze Menge Pensionskassen, wie ja auch im Fall von BP. Der Großteil sind jedoch Banken. Aber die bösen, bösen Banken sind ja in der Regel nur Vermittler. Welche Vermögensbesitzer stecken dahinter?

So oder so sind die Listen sehr beeindruckend und man kann sich lebhaft vorstellen, dass die Telefone bei den Verantwortlichen nicht mehr still gestanden haben – bis eine die Gläubiger zufriedenstellende Lösung gefunden war…

s. Oktober 2, 2010 um 10:23 Uhr

„Wer zu diesen ungeschorenen Begünstigten gehört sollte eigentlich verschwiegen werden. Der Tagesspiegel hatte aber vor einem Jahr in dieser Dokumentation eine Reihe von Gläubigern zusammengetragen.“

Diesen Herren hat man wohl vergessen ^^

J. Christopher Flowers:
(Mit 31 der jüngste Partner in der Geschichte der Investmentbank Goldman-Sucks)

„Als Führer einer privaten Investorengruppe kaufte er 2006 für 1,25 Milliarden Euro 26 % der HSH Nordbank von der WestLB,
seit Juni 2008 mit 24,9 Prozent an der Hypo Real Estate (Kaufpreis: 1,1 Milliarden Euro)“
http://de.wikipedia.org/wiki/J._Christopher_Flowers

„Hinter dem SoFFin steht bekanntlich der Bund“

-> schreibt doch mal was über den Assussen …

Grüße s.

dels Oktober 2, 2010 um 12:15 Uhr

Ich glaube nicht, dass man hier etwas über Christopher Flowers schreiben muss. Er gehört weder bei der HSH Nordbank noch bei der Hypo Real Estate zu den Begünstigten, weil er als Anteilseigner beteiligt war und nicht dem Institut Fremdkapital überlassen hat. In diesem Beitrag geht es allein darum, dass die Fremdkapitalgeber (wie z. B. die Anleihegläubiger) ohne jede Schramme aus der HRE kommen. Sowohl bei der HSH als auch bei der HRE haben dagegen die Anteilseigner viel Geld verloren.
Warum soll ich etwas über Asmussen schreiben?

warmist Oktober 1, 2010 um 14:15 Uhr

Too big to jail und ihre Komplizen

Wie schon jemand längst erkannt hat, es gibt keine „too big to fail“ sonder ausschliesslich:

„too big to jail“

Die s.g. Investmentbank sind bekanntlich weder „investment“ noch „Banken“, sondern Makler der Papiere, die häufig wertlos sind. In dem Fall versucht der Makler den Kunden auf betrügerische Weise die Schrottpapiere einzudrehen, siehe StGB

Das es sich um einen Team handelt, wäre berechtigt nach StGB §263 Abs. 3 Pkt. 1 sogar von „Investementbande“ zu sprechen. Somit sind die demokratischen Abgeordneten in Bundestag und die demokratische Bundesregierung die Komplizen diesen Ganoven.

Diese Art des Betruges ist in der Politik besonders häufig verbreitet und gehört zu EU-Prinzipein, sie wird in D besonders gern angewendet, siehe Stuttgart 21. Dann wissen die o.g. Ganoven und Komplizen auch brutal vorzugehen, gegen die Bürger die nach dem GG Art 20 Abs. 4 handeln.

dels Oktober 1, 2010 um 14:56 Uhr

@warmist
Das ist mir ehrlich gesagt viel zu platt. Der „Schrott“, den die „FMS Wertmanagement” übernommen hat, ist erst einmal nicht wertlos, auch wenn das die Häufigkeit der Berichterstattung uns suggerieren will.
Wenn man jemand verurteilt, der riskante als risikolose Papiere verkauft, sollt man auch bedenken, dass die Käufer ebenfalls Profis waren bzw. sich dafür hielten. Ich sehe hier keine Straftatbestand erfüllt. Der Skandal liegt darin, dass hier eine Vereinbarung zu Lasten Dritter geschlossen wurde, die das Risiko sozialisiert und die Gewinne bereits individualisiert hat.

egghat Oktober 1, 2010 um 09:00 Uhr

Gut, dass auch hier steht, dass die Garantien nicht zwangsläufig Verluste sein werden. In der Mainstreampresse werden die Garantien (140 Mrd.) und die Eigenkapitalzufuhr (10 Mrd) immer einen Topf geworfen.

Dass kein Haircut von den Gläubigern verlangt wird, ist schon seltsam. Langsam aber sicher müsste man doch mal ein Framewokr für sowas schaffen.

Mich würde es im Übrigen nicht wundern, wenn die Gläubiger auf ihre Forderungen jetzt sogar noch einen Gewinn verbuchen, weil sie die schon teilweise abgeschrieben haben, nun aber wieder Forderungen gegen eine (hoffentlich) gesunde Restbank haben.

dels Oktober 1, 2010 um 11:10 Uhr

Das mit den Zuschreibungen auf bereits wertberichtigte HRE-Forderungen ist in der Tat eine sehr interessante Frage, die man den Banken stellen sollte, die die Forderungen im Portfolio haben.

Den Vorschlag mit der Beteiligung der Gläubiger gibt es übrigens. Er kam sogar von einer internationalen Bankenlobby selbst. Berichte dazu gab es meines Wissens dazu nur in Blogs.
http://www.blicklog.com/2010/08/30/banklobby-mit-starkem-regulierungsvorschlag-bail-in-statt-bail-out-als-modell-zur-bankenrettung/

dels Oktober 24, 2010 um 18:51 Uhr

Ich glaube nicht, dass dieser Beitrag die Problematik der Bewertung unterschätzt. Das Problem ist viel mehr, dass man die Bewertung kaum beurteilen kann, weil gar keine Einzelheiten zu der Bewertungshöhe bekannt gemacht werden.
Vielleicht schauen Sie auch noch einmal in meinen Follow-up
http://www.blicklog.com/2010/10/05/hypo-real-estate-skandal-liegt-nicht-in-bonizahlungen-sondern-in-bewertungsverschleierung-und-glubigerbevorzugung/

Danach müssen Zweifel an der Bewertung erlaubt sein.
Eine zentrale Frage ist ja, ob man den Schaden für die Steuerzahler hätte geringer halten können, wenn man die Gläubiger mit einem Haircut beteiligt hätte.

Comments on this entry are closed.

{ 6 trackbacks }

Previous post:

Next post: