Seltene Erden sind gar nicht so selten und der Hype darum wird übertrieben ( + Hintergrund)

by Dirk Elsner on 3. November 2010

Scandium Seit Monaten dramatisieren Medien einen globalen Kampf um Rohstoffe und wollen einen Währungskrieg zwischen den USA und China herbei schreiben. Bei den Rohstoffen steht ebenfalls China im Mittelpunkt, das nach Auffassung von Medien und Industrievertretern einen Streit um seltene Erden heraufbeschwört. Schlagzeilen wie “Rohstoffknappheit alarmiert die Industrie” lassen Schlimmes befürchten. Der Bundesverband der Deutschen Industrie beschwört quasi den nahenden Produktionsstillstand in der High-Tech-Industrie. Das ist vollkommen übertrieben und schürt überflüssige Ängste.

Wohltuend sachlich beweist die FAZ, was guter Wirtschaftsjournalismus ist und holt das Phänomen um die Seltene Erden auf den Boden zurück. Jan Grossarth schreibt:

Seltene Erden – also die chemische Gruppe der Lanthanoide – haben auch nichts mit Erde zu tun, sondern sind Metalle, die wiederum geologisch eine Massenware sind. Doch viele Vorkommen blieben in den vergangenen Jahren unangetastet, da China dank niedriger Arbeitskosten, Umwelt- und Arbeitsschutzstandards konkurrenzlos günstig abbauen konnte. Nun aber, da Peking die Exporte des Seltene-Erden-Konzentrats mit dem Namen „Mischmetal“ seit Jahren und 2010 sogar um rund 40 Prozent kürzt, ist der Aufschrei groß. Industrieunternehmen fühlen sich erpresst, Produktionsstandorte nach China zu verlagern. Die chinesische Regierung beteuert jedoch, ihre Macht nicht als Druckmittel einsetzen zu wollen.”

China liefert derzeit zwar mehr als 95 Prozent des weltweiten Bedarfs, Reserven gibt es freilich in diversen Ländern. Dort werden sie allerdings aufgrund des Lohndumpings in China nicht abgebaut. Die Unternehmen, so Jan Grossarth weiter in der FAZ, “sind daran aber nicht ganz unschuldig: Sie kauften lange Zeit Rohstoffe nur dort, wo sie günstig waren, verfolgten aber keine langfristige Strategie.”

Aus einer leider nicht online erhältlichen Infografik auf Basis verschiedener Quellen nimmt die FAZ der Diskussion die Dramatik. Danach beträgt zwar Chinas Anteil an der derzeitigen Weltproduktion 97%, schaut man aber auf die Vorkommen insgesamt, dann sollte sich die Industrie etwas zurücklehnen können. Danach werden die Gesamtvorkommen derzeit auf 98,6 Millionen Tonnen geschätzt, bei einer Förderungsmenge von 123.730 Tonnen im Jahre 2009. Die größten Vorkommen (freilich nicht differenziert nach Elementen) verteilen sich danach wie folgt:

  • China: 36,5%
  • Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS): 19,3%
  • USA 13,2
  • Australien 5,5%
  • Indien 3,1%
  • Sonstige 22,3%

Darin berücksichtigt sind noch nicht die Prüfungen auf neue Fördermöglichkeiten. Gerade die Erschließung neuer Vorkommen war ja in der Vergangenheit durch die chinesische Dumpingpolitik stark gehemmt. Mit der “künstlichen” Verknappung, die China unterstellt wird, wird es nun aber wieder lukrativ, nach neuen Vorkommen zu suchen und diese zu erschließen. Insoweit sollte der Westen China nicht mit Klagen drohen, sondern dankbar sein. Und tatsächlich zeigt die Verknappung bereits Wirkung, denn schon im nächsten Jahr könnten Anbieter außerhalb der Volksrepublik stärker auf den Markt drängen, schreibt das Handelsblatt.

Berücksichtigt man diese Fakten, dann ist unklar, warum die deutsche Industrie so jammert. Will man das Aufbauschen um die Knappheit der seltenen Metalle und die damit verbundenen Preiserhöhungen am Weltmarkt als Begründung für Preiserhöhungen nutzen? Überraschen würde mich das nicht. Ebenso springen die Finanzmarktakteure auf diesen Zug auf und propagieren Aktien und erste Indexfonds auf „Seltene Erden“. Ob das ein kluges Investment ist, wage ich zu bezweifeln. Ich bin da näher an Bernd Mikosch, der in der FTD schreibt, dass “jüngste Anzeichen bei den “Seltenen Erden” auf eine Blasenbildung hindeuten.” Es wäre jedenfalls längst nicht das erst Mal, dass ein von den Medien entdeckter Hype seinen tatsächlichen Bedeutungshöhepunkt mit der öffentlichen Aufmerksamkeit schon längst überschritten hätte.

Daher abschließend etwas Medienkritik. Die Medienwelle um die “Seltenen Erden” zeigt wieder einmal, dass man der aufgeblasenen Dramatik um ein Thema besser misstraut. Medien sind ökonomische Betriebe, deren Einnahmen von der Aufmerksamkeit abhängen. Und Aufmerksamkeit sichert man eher durch dramatisierende Schlagzeilen, als durch sachlich und gut recherchierte Berichte. Als Beispiele nenne ich hier die Dramatisierungen um die Finanzkrise wie etwa am um die Kreditkarten oder die europäische Währungs- und Schuldenkrise.

Hintergrund: Zur Definition Seltener Metalle

Quelle: Studie im Auftrag des Bundesumweltamtes

“Die Ausschreibung verwendet den Begriff „seltene Mineralien“. „Mineral“ ist zwar ein in der Literatur relativ einheitlich verwandter Begriff, aber hierunter werden schätzungsweise zweitausend Stoffe subsummiert. Von diesen wiederum werden ca. 300 als häufig und der Rest als selten beschrieben (Meyers Lexikon 1983: Mineralien). Mineralien werden aber nur selten zur Herstellung von Produkten eingesetzt, sondern es werden fast immer durch metallurgische Verfahren oder chemische Reaktionen zunächst die Reinformen der Stoffe, einfache Salze oder Legierungen der Stoffe hergestellt. Erstere können dann zumeist direkt in Zwischenprodukte (z.B. Drähte, Folien oder Legierungen aus Kupferbarren) zur Nutzung in Produktionsverfahren überführt werden, während letztere entweder zur Herstellung von Reinstoffen (z.B. Silizium aus Siliziumchloriden) oder wieder zur Herstellung von Zwischenprodukten verwendet werden können. Weiterhin ist die Datenlage hinsichtlich der Vorkommen und Verwendung der Mineralien sehr unzureichend, da Stoffregister und Datenbanken zumeist von den Reinformen der Stoffe ausgehen.

„Selten“ sind Dinge, die im Verhältnis zu anderen oder gleichartigen Dingen im geringen Umfange vorkommen. „Selten“ verweist somit auf Relativierungen zwischen Dingen. Es ist jedoch charakteristisch, dass diese Relativierung für spezifische Sachverhalte unterschiedlich gehandhabt werden muss. „Selten“ im Sinne von „im geringen Umfange vorkommend“ ist ein notwendiger Bestandteil der Definition, aber nicht hinreichend. Vergleicht man beispielsweise das Vorkommen der Metalle in der Erdkruste untereinander, so sind die „seltensten“ stabilen Metalle Tantal, Rhenium, Uran, Indium und Antimon mit Anteilen von 10-7% bis 10-8%. Danach folgen Beryllium, Bor, Rhodium, Silber, Cäsium, Hafnium, Wolfram, Gold, Quecksilber, Thallium, Wismut, Niob, Palladium, Cadmium, Iridium, Osmium, Ruthenium und Zinn mit Anteilen von 10-6% bis 10-7%. Zu den seltenen Metallen zählen somit auch wichtige Metalle der Elektro- und Elektronikindustrie wie Antimon, Indium, Gold, Platin, Selen, Silber und Tantal. Trotz ihrer (erdkrustenbezogenen) Seltenheit haben sie einen festen Stellenwert in der Herstellung von Produkten. „Seltenheit“ ist somit ein schwierig zu bestimmender Begriff, der einer genaueren Explikation in bezug auf das Untersuchungsthema benötigt. Im folgenden sollen deshalb verschiedene Ansätze zur Explikation geprüft werden.

Nachtrag vom 22.11.11

Schaut man nach einem Jahr auf den Hype der Seltenen Erden, dann hat es sich merklich abgekühlt

FTD: Rohstoffe Preisverfall bei Seltenen Erden (22.11.11): Die Metalle gelten als Schlüsselrohstoffe für moderne Technologien. Nach Exportbegrenzungen des Hauptlieferanten China steigen die Preise bis Mitte des Jahres rasant an. Inzwischen setzt der Preisverfall ein

Weitere Literatur und Berichte

Eine etwas kürzere Studie über die wichtigsten Elemente und deren Verwendung hier von Maren Liedtke und Harald Elsner

FTD: Infografik- Hier stecken die Seltenen Erden: Man braucht sie für Hochleistungsbatterien, sie stecken in Flachbildschirmen und Windkraftanlagen: Für die Produktion zahlreicher High-Tech-Produkte werden Seltene Erden benötigt. Ärgerlich nur, dass China quasi das Monopol besitzt. Doch die übrigen Industriestaaten holen au

FTD: Portfolio- Seltene Werte mit verlorener Erdung: Seltene Erden sind gefragte Nischenmetalle für Spezialanwendungen. Sie erleben gerade einen Höhenflug in den Medien und an der Börse. Jüngste Anzeichen deuten auf eine Blasenbildung hin.

Frankfurter Rundschau: Hintergrund – Seltene Erden

Tagesschau: Debatte um Rohstoffklemme – Warum Seltene Erden so wichtig sind: Effiziente Energiesparlampen, abriebfeste Autoreifen, leistungsstarke Elektromotoren – nur drei Beispiele aus unserem Alltag. Technik, die es ohne die Metalle der Seltenen Erden nicht geben würde. Die Industrie warnt jetzt vor einem Engpass. Was macht sie so unverzichtbar?

Telepolis: Streit um Seltene Erden: Die Energie- und Klimawochenschau: Die Energierevolution hat einen ihrer aktivsten Fürsprecher verloren, just zu einer Zeit, als sie richtig Fahrt aufnimmt. Derweil gibt es Knatsch um strategische Rohstoffe.

FTD: Jäger der seltenen Erden: Wer in Deutschland die begehrten Rohstoffe kaufen will, kommt an Gunther Maassen nicht vorbei. Der Bonner Händler hat beste Kontakte nach China, wo die seltene Erden fast ausschließlich gewonnen werden. Noch gelingt es ihm meist, die Wünsche seiner Kunden zu erfüllen. Noch.

NYT: China Said to Widen Its Embargo of Minerals

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