Bad Bank der Hypo Real Estate mit 7,4 Mrd. Euro Forderungen gegenüber Griechenland: Wie werden die eigentlich jetzt bewertet?

by Dirk Elsner on 8. Juni 2011

Gestern hat Finanzminister Schäuble mit einem Schreiben an europäische Kollegen, die EZB und den IWF überrascht, in dem er eine Umschuldung Griechenlands fordert. Diese Meldung elektrisiert vor allem im Zusammenhang mit den Forderungen deutscher Banken gegenüber Griechenlands. Am Montag veröffentlichte die Bank für International Zahlungsausgleich (BIZ) in ihrem Quartalsbericht, dass deutsche Banken die größte Gläubigergruppe gegenüber dem griechischem Staat stellen mit einem Forderungsvolumen von 23 Mrd. € (Marktwert, Nennwert?).

In einem Nebensatz eines Artikels der FTD dazu wurde erwähnt, dass darin nicht die 7,4 Mrd. € griechischer Schuldtitel enthalten sind, die im Depot der Bad Bank der Hypo Real Estate (HRE) liegen. Ein unglaubliche Summe, die man ausschreiben muss in  7.400.000.000 Euro.

Die Hypo Real Estate ist also irgendwann Gläubiger Griechenlands geworden. Im vergangenen Jahr hat man diese Schuldtitel nach welchen Gründen auch immer in die FMS Wertmanagement” genannte Bad Bank verlagert, für die ja bekanntlich und gern verdrängt wir Steuerzahler haften. Wusste man im September 2010, als es offiziell ruhig um griechische Schulden geworden war, mehr in München oder warum wurden Staatsanleihen, die die EZB ja noch als erstklassige Sicherheiten akzeptiert, damals bereits als Schrott behandelt?

Viel interessanter ist aber die Frage, zu welchem Wert eigentlich die Anleihen damals verbucht wurden. Die Hypo Real Estate hatte den in die Bad Bank übertragenen Anleihen, Krediten, CDOs, ABS-Paketen etc. ein Preisschild umgehängt und darauf 173 Mrd. Euro geschrieben (siehe dazu Pressemeldung der HRE). Insgesamt, so die HRE damals, wurden über 12.500 Einzelpositionen aus fast 70 Rechtsräumen übertragen. Zusätzlich übergab man Derivate, die überwiegend der Absicherung der Vermögenswerte gegen Zinsrisiken dienen sollten.

Über die Bewertungen gab es ja (auch dies wird gern verdrängt) bereits im September 2010 Unstimmigkeiten. Niemand erläuterte trotz der enormen Risiken für den Bund öffentlich, wie diese Zahlen ermittelt wurden. Je nach Bewertungsmethode könnte man nämlich für die sich hinter den 173 Mrd. verbergenden 12.500 Einzelpositionen zu deutlich niedrigeren (vielleicht sogar höheren?) Wertansätzen kommen.

Damals drang freilich ein Detail an die Öffentlichkeit, das man wohl lieber verschwiegen hätte. Nach einem Bericht auf Handelsblatt.com hatte die  Nachrichtenagentur Reuters “Details aus einem Soffin-Papier für das geheim tagende Finanzmarktgremium des Bundestages verbreitet. Konkret ging es um Risiken im HRE-Immobilien-Kreditbuch. Demnach sei bei 36 Prozent des HRE-Kreditvolumens in der Kernsparte Immobilienfinanzierung seit über drei Jahren keine Neubewertung der Sicherheiten mehr erfolgt. Als Gründe für die verschleppte Neubewertung der Sicherheiten nannte man die unzureichende Personaldecke der HRE und eine IT-Umstellung.”

Ich vermutete daher bereits damals, dass der Marktwert der übertragenen Vermögenstitel deutlich unter den übertragenen Buchwerten liegen könnte. Klarheit erhielten wir Steuerzahler aber bisher nicht, obwohl wir theoretisch für 173  Mrd. Euro (+/- Derivatepositionen) die Haftung übernommen haben.

Erst im Mai diesen Jahres war dann aus einer wenig beachteten Pressemitteilung der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) zu erfahren, dass der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) das Jahr 2010 mit einem Fehlbetrag in Höhe von 4,80 Mrd. Euro abgeschlossen hat. Darin enthalten auch 3,87 Mrd. Euro aus dem negativen Bewertungsergebnis des HRE-Schrottpools. Übrigens wurde der Öffentlichkeit außer der zitierten Presseerklärung bisher keine weitere Rechenschaft über die Milliardenrisiken des SoFFins abgelegt.
Waren nun in den 3,87 Mrd. Euro bereits Korrekturen auf griechische Anleihen enthalten? Ich schätze nicht. Und wie hoch ist aktuell die Diskrepanz zwischen den Buchwerten in der FMSA und den derzeitigen Marktwerten? Wie weit ist man überhaupt mit der Bewertung der verschiedenen Vermögenspositionen und welche Risiken schlummern da noch für uns Steuerzahler?

Fragen, die derzeit wohl niemand aus der Politik stellen mag, weil die Antworten sehr unbequem ausfallen könnten. Für uns Steuerzahler ist dies allerdings skandalös, schließlich hat sich durch die ominöse HRE-Rettung die Staatsverschuldung Deutschlands um 8% erhöht, wie die ZEIT damals ausgerechnet hat.

Es sind aber Fragen, die vor dem Hintergrund von Schäubles Brief hohe Brisanz erhalten dürften. Vielleicht werden wir eine Antwort bekommen, wenn die EU ihr Beihilfeverfahren abgeschlossen hat. Dann könnte freilich das Gejammer groß werden, weil die Hypo Real Estate viel zu großzügig, sprich mit viel zu hohen Werten ihren “Schrott” übertragen hat und sich damit unerlaubt eine Beihilfe erschlichen hat. Die HRE könnte dann dazu verdonnert werden, die Beihilfe zurückzuzahlen. Sie müsste abermals vom Staat gestützt (oder nach dem neuen Restrukturierungsgesetz abgewickelt) werden.

Antworten aus der Blogwelt

Eine erste Antwort habe ich über den  Kommentarthread erhalten vom Blog Goowell unter dem Titel: Replik auf den Blick Log

Nachtrag vom 9.6.11

Das Verwirrspiel steigert sich. Die oben zitierten Zahlen der BIZ stammen aus 2010. Nach einem internen Arbeitspapier des Finanzausschusses, aus dem Zeitungen zitieren, sind die Forderungen deutscher Banken im Laufe dieses Jahres deutlich zurück gegangen. Ob auch die Bad Bank der HRE ihre Positionen reduziert hat, wird daraus nicht deutlich. Bestätigt wurde aber noch einmal, dass die staatseigene KfW ca. 8 Mrd. Euro gegen griechische Schuldner (Staat und/oder Unternehmen?) im Bestand haben soll.

Marsman Juni 8, 2011 um 11:55 Uhr

Was sich im Extremfall wie in Irland letztendlich
herausstellt ist dies: dass es auch ohne so eine
Problembank gehen muss.
Unter anderem wird hier in Irland die Anglo Irish
Bank abgewickelt. Auch dies Bank wurde lange Zeit
als systemrelevant postuliert, bis es dann eben nicht mehr ging, der Schaden einfach zu gross wurde.
Und wie man jetzt feststellt: es fehlt wirklich
nichts durch die Schliessung, aber auch gar nichts.
Je eher so ein Problemfall dicht gemacht wird umso
beser ist es.

dels Juni 8, 2011 um 14:03 Uhr

Hallo Marsmann,
das ist ja ein interessanter Fall. In Deutschland wird im Zweifel jeder Bank nachgesagt, sie sei systemrelevant. Es sei denn, sie muss wg. der Systemrelevanz eine höhere Bankenabgabe zahlen oder mehr Eigenkapitalpuffer haben. Dann will man nicht systemrelevant sein 😉

PeterK Juni 8, 2011 um 08:26 Uhr

Vielen Dank für diese lesenwerte Erinnerung. Ich habe mich auch am Montag gewundert, dass niemand die Konsequenzen gesehen hat. Überhaupt ist erstaunlich, dass deutsche Banken zur größten Gläubigergruppe des griechischen Staats gehören. Im Klartext bedeutet dies, im Falle einer Umschuldung und der spätestens dann notwendig werdenden Abschreibungen auf die Forderungen, könnten die ersten Banken wieder Probleme bekommen.

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