Eigentlich habe ich heute gar keine Zeit für diese Zeilen. Aber das, was heute in den Online-Gazetten über die Umschuldungsposse zu Griechenland zu lesen, treibt mir die Worte in die Tasten.
Apropos Tasten. Seit Monaten tasten sich europäische Politiker und internationale Institutionen sorgsam an die Umschuldung, uups ich meine natürlich Neuprofilierung der Verbindlichkeiten Griechenlands heran. Der Öffentlichkeit werden dabei maximal möglichst die Fakten hinter Begriffen verschleiert, die so kompliziert erscheinen, dass niemand nachfragen mag. Nach der Wir-wollen-Sicherheiten-Forderung und einem fragwürdigen Troika Bericht (siehe dazu die Analyse von Querschüsse), heute also der nächste Schritt, der mit dem sachlich klingenden Begriff Roll Over verkleistert wird. EZB-Boss Trichet hat nun erstmals signalisiert, dass er sich eine Umschuldung vorstellen kann, diese aber natürlich nicht so nennen will.
Hinter den Kulissen arbeitet “man” an einer “freiwilligen Selbstverpflichtung” großer Investoren, Hellas auch künftig Geld zu leihen, was übersetzt bedeutet, die derzeitigen Kreditgeber sollen ihre Forderungen einfach verlängern. Ökonomisch ist dies selbstverständlich ein Schuldenschnitt, wie ich hier bereits dargestellt habe. Wie freiwillig das sein soll, wird natürlich (noch?) nicht offen gelegt.
Die Finanzmärkte und die EU ersticken aber im Prinzip hauptsächlich am eigenen Regelwerk. Sie wollen nämlich die eigentlich notwendige Zwangsumschuldung der Anleihen vermeiden, weil diese angeblich unabsehbare Konsequenzen habe. Diese Konsequenzen sind aber hausgemacht, wie etwa die Auswirkungen, wenn eine Rating-Gesellschaft die Zahlungsunfähigkeit feststellt. Daran geknüpft sind nämlich zahlreiche Auflagen und Konsequenzen, die in verschiedensten Regeln festgeschrieben sind.
Jetzt soll es eine “freiwillige Neuprofilierung” in Form eines Roll Over-Kredit richten. Das ist lächerlich. Die Behörden wissen ganz genau, dass die an das Aktienrecht gebundenen Banken und andere Investoren dies gar dürfen, wollen sich ihre Manager nicht persönlichen Schadensersatzforderungen ihrer Anteilseigner aussetzen.
Nur am Rande sei hier erwähnt, dass die Hypo Real Estate griechische Anleihen, die die EZB immer noch als Sicherheiten akzeptiert, bereits im September letzten Jahres als Schrott deklariert hat. Da packte man nämlich kurzerhand für 7,4 Mrd. Euro griechische Staatsanleihen in eine Bad Bank (siehe dazu “Deutsche Banken bangen mit Griechenland”), für deren Verbindlichkeiten wir Steuerzahler haften.
Ich bin gespannt, wie die Irreführung weiter geht.
Nachtrag von 22:20
Kaum war der Beitrag rausgeschickt und ich in einer Telefonkonferenz, da machten die Wirtschaftsmedien mit Schäubles Brief an seine europäische Kollegen, die EZB und den IWF auf, in dem der Finanzministers offiziell eine Umschuldung Griechenlands fordert. In dem Brief, so schreibt Claus Hulverscheid in der SZ gesteht er ein, “dass das bisherige Konzept von EU, EZB und IWF für eine Stabilisierung Griechenlands gescheitert ist. Es sah vor, dass die Regierung in Athen rigide Programme zur Sanierung des Haushalts und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit auflegt und im Gegenzug Kredite der Partner erhält. Vom Frühjahr 2012 an sollte sich das Land sein Geld dann wieder schrittweise bei Banken, Versicherungen, Investmentfonds und Kleinanlegern leihen.”
Hier Meldungen zu dem Schreiben mit ausführlichen weiteren Informationen dazu:
- SZ: Schreiben des Finanzministers an europäische Kollegen und den IWF Schäuble fordert Umschuldung Griechenlands
- HB: Brief an EZB-Chef Trichet Drohender Griechenland-Bankrott alarmiert Schäuble
- FAZ: AnleihetauschSchäuble will Zahlungsaufschub für Griechenland
Ein besonderer Blick lohnt sich auch in den Beitrag von Lostineurope: Schäuble in der Schuldenfalle. Hier wird gut dargestellt, welche wie sich Schäuble mit dem Brief in den internationalen Regelungswirren verfängt.
Hier der Blick in weitere ausgewählte Schlagzeilen der letzten Tage zur Umschuldungsdebatte
HB: Moody’s zu GriechenlandBonitätswächter schlagen Alarm: Die Ratingagenturen kennen keine Gnade. Jeden Umschuldungsversuch für Griechenland werten sie als Ausfall. Die Folgen seien unabsehbar.
FTD: Schuldenkrise – Trichet ebnet Merkel Weg für neue Griechen-Hilfen: Wochenlang sperrte sich die Europäische Zentralbank dagegen, private Gläubiger in die nächste Rettungsaktion einzubinden. Der oberste europäische Währungshüter erklärt sich aber zu einem Kompromiss bereit. Damit kommt die Notenbank Athen erneut entgegen – und der Bundesregierung.
HB: BIZ-Bericht – Welche Banken in Griechenland engagiert sind: Die Banken zittern wegen Griechenland: Eine Umschuldung wird immer wahrscheinlicher. Das würde auch deutsche Institute treffen – und nicht zuletzt auch den Steuerzahler. Welche Bank mit viel Geld in Griechenland steckt.
FTD: Drachme oder Tod? Griechenland steckt im Teufelskreis aus Rezession und Schuldenchaos. Die Finanzmärkte haben das Land abgeschrieben. Die Griechen leiden unter kollektiver Depression. Ein Bericht aus einem Land im Überlebenskampf.
HB: Griechenland-RettungEZB hofft auf Unterstützung der Banken: Eine Umschuldung Griechenlands wird immer öfter zum Thema, doch die EZB sucht nach alternativen Lösungen. So wird zum Beispiel über eine freiwillige Beteiligung der Banken an der Griechenland-Rettung diskutiert.
richt, die EU verheddert sich in ihren eigenen Regeln. Zum Problem gehört aber auch, dass man den IWF beteiligt hat, der nun Zicken macht, da er seine fällige Tranche nicht auszahlen kann. Und dann wäre da noch der glaube an die Märkte, die leider nicht mitspielen und Griechenland in den Orkus downgraden… Ergebnis: Nun sitzt auch Schäuble in der Schuldenfalle! mehr auf lostineurope.posterous.com
Die EU verstrickt sich auch in ihren eigenen Regeln, siehe Regeln für Annahme von gerateten Anleihen, zu hohe Bedeutung des Ratings. Die IWF-Regeln, die, wie Du in Deinem Blog schreibst, eine Auszahlung nur dann vornehmen dürfen, wenn gesichert ist, dass sich Athen die nächsten zwölf Monate refinanzieren kann, und viele mehr gehören natürlich alle dazu.
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