Poker um US-Schuldengrenze ist spieltheoretisch ein Chickengame und wird in letzter Sekunde entschieden

by Dirk Elsner on 26. Juli 2011

Im US-Schuldenpoker wird zwar die Zeit knapp und die Situation von beiden Seiten dramatisiert. Die Angst vor der US-Pleite wird kräftig geschürt und sorgt reflexartig für bedrohliche Szenarien. So fürchtet der Internationale Währungsfonds einen „schweren Schock“, wenn sich bis Dienstag nächster Woche Republikaner und Demokraten im Kongress nicht auf eine höhere Schuldengrenze geeinigt haben. Bleibt die Erhöhung aus, dann können die USA einen Teil ihrer Verpflichtungen nicht mehr zahlen, weil sie keine Kredite mehr aufnehmen dürfen.

Die Märkte selbst scheinen sich von diesem Showkampf nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und bewegen sich im Rahmen normaler Schwankungen. Sollte tatsächlich eine Pleite bevor stehen, dann würden wir ganz andere Bewegungen beim Dollar, den US-Zinsen nebst Prämien für Kreditversicherungen und den US-Aktienmärkten sehen.

Nachvollziehbar werden diese gelassenen Reaktionen, wenn man das Verhalten der Streithähne spieltheoretisch betrachtet. Spieltheoretisch handelt es sich bei dem Verhandlungspoker um ein Chickengame, dem Spiel mit dem Untergang als Zweipersonenspiel. Den größten Nutzen hat derjenige Spieler, der kaltblütig weiterfährt, während sein Mitspieler Angst bekommt und ausweicht, so zumindest die Theorie.

Tatsächlich kann sich keine Partei ein zu frühes Nachgeben erlauben, weil sie Nachteile im nahenden US-Präsidentschaftswahlkampf befürchten.

Das Chickengame wurde bekannt aus dem Film “Jenseits von Eden” (oder war es "Denn sie wissen nicht, was sie tun" mit James Dean) und hat Eingang in die Wirtschaftstheorie gefunden. Gut erklärt wird es von Ali Arbia im Science Blog:

“In den 50er sagt man, hätten Jugendliche in den USA ein Spiel gespielt, welches sie als Chicken (wörtlich ‚Huhn‘) bezeichneten (1). Zwei Halbstarke sitzen je in einem Auto und rasen frontal aufeinander los. Der der zuerst ausweicht hat verloren. Dies inspirierte Spieltheoretiker zu einer Formalisierung.

Jeder der beiden Draufgänger hat zwei einfache Aktionen (‚Strategien‘) zur Auswahl: Kurs halten oder ausweichen. Das ideale Resultat wäre aus der Perspektive eines einzelenen Spielers, den Gegner blamieren zu können. Der würde als ‚Huhn‘ dastehen wenn er zuerst ausweicht. Dies wird durch einen Minus- (Ausweichender) respektive einen Pluspunkt (Kurs gehalten) ausgedrückt. Erweisen sich beide Spieler als irrational stur, ist die Konsequenz eine fatale Kollision. Eine solche ist nicht im Interesse der Spieler, beide würden daher -10 Punkte kassieren. Für beide Spieler ist klar, dass sie es doch bevorzugen als Feigling dazustehen. Weichen beide gleichzeitig aus, gibt es weder Gewinner noch Verlierer.”

Eine Möglichkeit in diesem Spiel zu gewinnen ist, den Gegner davon zu überzeugen, dass man nicht ausweichen wird oder kann. Vielleicht überzeugt man ihn davon, dass man nicht rational handelt und einem der Preis der Kollision nichts ausmacht (Strategie ‚Kamikaze‘). Alternativ ¨überzeugt man ihn davon, dass man nicht anders kann als Kurs halten (z.B. Lenkrad blockieren und Schlüssel wegschmeissen ganz im Sinne des ‚Doomsday Device‘ in Kubricks Dr. Strangelove).”

Das spannende an diesem Spiel, es existiert hier keine dominante Strategie, da das Defektieren (weiterfahren) zum bestmöglichen, aber auch zum allerschlechtesten Ergebnis führen kann. Wiederum besteht Unsicherheit über das Verhalten des anderen, weswegen auch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen in die Entscheidung einfließen können, erklärt Wissen Digital.

Republikaner und Demokraten können sich keinen Crash leisten, denn der würde beide erheblich beschädigen. Nimmt man die Spieltheorie als Maßstab, dann ist aber erst in letzter Minute mit einer Einigung zu rechnen. Ich bin gespannt und bis dahin entspannt.

nigecus Juli 29, 2011 um 23:34 Uhr

ich denke auch dass die parteipolitiker da einigen werden. ich finde es nur witzig, dass die großen ratingagenturen ihr AAA/Aaa beibehalten nur weil es die USA ist. würde die großen ratingagenturen konsequent sein, hätten sie die USA schon längst um 1 oder 2 (oder mehr) notches downgraden müssen. bei wesentlich kleineren problemchen werden bei PIIGS staaten die ratings runtergesetzt, bei den USA passiert garnichts.

– der PIIGS-Arbeitsmarkt ist im Eimer. Der von den USA auch.
– die wichtigen Branchen der PIIGS-Länder sind kaputt (Bau in Spanien, Finanz in Irland). Und die USA? Finanz kaputt, Produktion ist schon lange weg.
– die PIIGS-Länder sind hochverschuldet. Am schlimmsten die Griechen. Und die Pro-Kopf Verschuldung der USA spielt in der gleichen Liga wie Griechenland.
– die PIIGS-Länder können sich am Kapitalmarkt nicht mehr finanzieren. Und wenn China Nein sagt, dann die USA auch nicht mehr.
….
das kann man nun ewig weiterspinnen.

eine kleine us-ratingagentur hat außerdem USA ein AA gegeben.
http://www.egan-jones.com/17g-2_download.php?type=sovereign&format=html

Die Begründung ist toll: Die USA haben zuviele Schulden. Wenn sie nicht die Schuldengrenze anheben, dann geht es auf D, aber wenn sie es anheben werden die Schulden noch mehr (was dann in richtung AA spricht).

Letztlich sind die sovereign ratings eh egal, weil keine bank für staatsanleihen eigenkapital hinterlegen muss (außer bei ausfall). dafür geht das ganze sovereign risk an die zuständige zentralbank und letzlich in die preisniveaus. ich denke die usa ist das neue japan. die werden auf niedrigzinsniveau eine stagnierende wirtschaftsentwicklung mit ihrer alternden bevölkerung hinlegen.

Stefan Wehmeier Juli 26, 2011 um 15:18 Uhr

Aktueller monetärer Ist-Zustand der USA:

Zinsgeld-Vermögen (konzentriert auf 15 Mio. Privathaushalte mit sehr ungleicher Verteilung): 52 Bio. USD
Liquidität M1 (Bargeld plus Sichtguthaben auf Giro-Konten): ca. 2 Bio. USD
Gesamtverschuldung (verteilt auf 145 Mio. Privathaushalte): 50 Bio. USD
Davon Staatsverschuldung: 14,3 Bio. USD

Durchschnittliche Verschuldung pro Zinsverlierer-Haushalt: 345.000 USD
Durchschnittliches Zinsgeld-Vermögen pro Zinsgewinner-Haushalt: 3,5 Mio. USD

Bei einem Kapitalmarktzins von 3 Prozent ergibt sich daraus

ein durchschnittlicher Zinsverlust von 10.400 USD pro Jahr und Zinsverlierer-Haushalt;
ein durchschnittlicher Zinsgewinn von 100.000 USD pro Jahr und Zinsgewinner-Haushalt;
eine Zinsbelastung für den Staatshaushalt (alle Steuern und Sozialabgaben müssen in einer Zinsgeld-Ökonomie immer die Zinsverlierer erarbeiten) von 430 Mrd. USD pro Jahr.

Über die Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz durch die Liquiditätsverzichtsprämie des Zinsgeldes hinaus besteht noch eine Zinsumverteilung durch die Mindestverzinsung allen noch unverschuldeten Sachkapitals (Eigenkapitalrendite) sowie durch die privaten Bodenrenten, von denen ein Großteil in den Wohnungsmieten enthalten ist.

Die USA haben, so wie unsere ganze „moderne Zivilisation“, genau zwei Probleme:

1. eine fehlende konstruktive Geldumlaufsicherung;
2. ein fehlendes allgemeines Bodennutzungsrecht.

Die erste Maßnahme regelt den Kapitalmarktzins auf Null, ohne dass es dabei zum Geldstreik (Investitionsstreik) kommen kann, um eine stetige Proportionalität von marktwirtschaftlich erbrachter Leistung und Gegenleistung für alle Wirtschaftsteilnehmer zu erreichen; die zweite Maßnahme zahlt die gesamte Bodenrente als Kindergeld nach Anzahl der Kinder an die Mütter aus, um die effektiven Kosten für die Kindererziehung auszugleichen, was zur ökonomischen und gesellschaftlichen Gleichstellung von Männern und Frauen führt.

Alle Probleme gelöst, „Gegenargumente“ zwecklos.

Nur solange in „God´s own country“ noch immer an „Apfelbäumchen“ geglaubt wird, kommt man aus „Himmel und Hölle“ nicht heraus:

http://www.deweles.de/willkommen/himmel-und-hoelle.html

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