Den „Märkten“ gefällt Rekapitalisierung von Banken besser als Stützung von Euro-Staaten

by Dirk Elsner on 17. Oktober 2011

Viel ist in diesen Wochen die Rede davon, was die “Märkte” (wer die “Märkte” sind, habe ich mal hier zusammen getragen) wollen, um wieder “zufrieden” zu sein, spricht mit steigenden Kursen reagieren. Gern wurde und wird dabei von Interessenvertretern der Kreditinstitute die These kolportiert, die “Märkte” wollen die Stützung von Eurostaaten, wie Griechenland und Portugal.

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Schaut man sich beispielsweise die Entwicklung des DAX an oder die CDS-Preise für Deutschland an, dann könnte man auch zu einem anderen Schluss kommen. Seit Mittel Juli wird über das neuen Rettungspaket für Griechenland bzw. den EFSF 2.0 debattiert und abgestimmt. Seit damals sind zumindest die Aktienmärkte im Abwärtsgang und insbesondere die Banktitel. Und auch die Kreditwürdigkeit Deutschlands hat erheblich unter der Debatte gelitten, wie der deutlich Anstieg der Risikoprämien auf Anleihen Deutschlands zeigt. Dabei vermieden die Euro-Institutionellen, wie Politiker und Notenbanker alle Äußerungen, die auf einen griechischen Schuldenschnitt hindeuten könnten und Probleme für die Finanzbranche hindeuteten.

Seit dem vorvergangenen Wochenende hat nun eine Kehrtwende eingesetzt, die ich als Wende zum Realismus deuten würde. Man hat nun endlich auch in Berlin, Paris, Brüssel und sonst wo erkannt, dass das bizarre Festhalten an einem Rettungsschirm für Griechenland möglicherweise doch nicht die Lösung ist. Zwar ist das seit Monaten von Wissenschaftlern, Marktteilnehmern, Bloggern und Medienvertretern zu hören, interessierte aber bisher in der Politikpraxis nicht.

Ich weiß nun nicht, welches Pferd der Politik in den letzten Tagen was auch immer eingeflüstert hat, jedenfalls steht seit einigen Tagen einer neuer Realismus auf der Agenda. Im Dezember letzten Jahres schrieb ich in dem Beitrag “EURO-Gossip zur Schuldenkrise: Der Trash der Politiker und Notenbanken verschleiert die Bankenstabilisierung”, dass das eigentliche Problem die Kapitalausstattung der Banken ist. Nun hat man das auch in der politischen Funktionselite erkannt.

Nun spricht Eurogruppenchef Jean-Claude „Wenn es ernst wird, muss man lügen“ Juncker plötzlich davon: „Wir reden über einen Schuldenschnitt von mehr als 60 Prozent“.  Und ebenso bei Frau Merkel und der Bundesbank hat eine paradigmatische Wende eingesetzt. Nur EZB-Chef Trichet selbst warnt noch vor einer Pleite Griechenlands und mal Horrorszenarien für Europa und die Weltwirtschaft. Seit knapp einer Woche steht nun das Thema Kapitalisierung von Banken, und damit das eigentliche Kernproblem, auf der Agenda. Inhaltlich geht es jetzt nur noch um das Wie und ob zwangskapitalisiert wird oder nicht.

Der DAX hat ein phänomenales Comeback (siehe oben) hingelegt und auch die Risikoprämien für deutsche Schulden haben den Rückwärtsgang eingelegt, wie dieser Bloomberg-Chart zeigt:

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Man könnte auch den Kursanstieg diverser Bankaktien, wie etwa hier der Deutschen Bank als Beleg anführen. Die Kapitalmärkte selbst honorieren damit offenbar den neuen Realismus, so jedenfalls meine Interpretation der aktuellen Marktentwicklung. Ob sie damit wirklich richtig liegen, ist damit natürlich nicht gesagt.

Die Unwägbarkeiten für die internationalen Finanzmärkte halte ich nämlich weiterhin für ausgesprochen groß. Tatsächlich kennt niemand genau alle Abhängigkeiten und insbesondere die Netzwerkeffekte, also die Zweit- und Drittrundeneffekte, wenn Griechenland (hier in der FTD: Das Griechenland-Risiko der Banken) die Schulden um über 60% erlassen werden. So muss etwa eine Bank A selbst Griechenland und anderen Schuldenstaaten kein Geld geliehen haben, jedoch vielleicht einer anderen Bank B, die dort hoch engagiert ist. Fällt Bank B, dann könnte auch Bank A Probleme bekommen.

Unabhängig von den weiteren großen Risiken, halte ich den neuen Realismus für eine notwendige Bedingung, um zu einer sachgerechten Lösung zu kommen. Ob eine Zwangskapitalisierung für Banken freilich der Königsweg ist, bezweifele ich unterdessen.

Aber dazu mehr in einem anderen Beitrag.

Beiträge zur Rekapitalisierung und Rettung von Banken

HB: SchuldenkriseSchäuble will Banken stärker in die Pflicht nehmen

HB: Rekapitalisierung: Bankenrettung mit Gewinn – das amerikanische Vorbild

Börsen Zeitung: EU-KRISENPAKET: Die Vorgruppe aus Brüssel

Kantoos Economics: Sind die Deutschen die dümmsten Bankenretter?!

FAZ: Banken brauchen womöglich mehr Kapital: Für Banken ist künftig eine Kernkapitalquote von 9 Prozent im Gespräch. Dann bräuchten die 55 größten europäischen Banken 150 Milliarden Euro.

Wiwo: Frisches Kapital Das große Zittern der europäischen Banken: Ein Zahlungsausfall Griechenlands wird immer wahrscheinlicher. Zuvor muss Europa seine Banken dafür rüsten. Die Aufsichtsbehörde plant höhere Kapitalquoten – vielen Banken könnte dann nur der Staat helfen.

WSJ: Getting Serious About Europe’s Banks

HB: Schuldenkrise: Wieviel Kapital brauchen Europas Banken?

FAZ: „Blitz-Stresstest“ Staaten erhöhen Druck auf Banken zur Kapitalaufnahme: EU-Kommissionschef Barroso will an diesem Mittwoch Vorschläge zur Bankenrekapitalisierung vorlegen. Die europäische Bankenaufsicht EBA hat bei den Großbanken Daten für einen „Blitz-Stresstest“ angefordert.

nigecus Oktober 18, 2011 um 00:08 Uhr

Was der Asmussen da treibt scheint auf den ersten Blick toll, aber kann den Fixed Income Markt in den Abgrund reißen. Es gibt da mehrere Ausgänge je nachdem wie eine Bank darauf reagiert.

1. Staat pumpt Equity in die Bankenbilanz
1a. Öffentliche Banken wird es egal sein: Danke nehmen wir gerne.
1b. Privatbanken werden ihren Aktienkurs in Richtung Süden segeln sehen.

Aus 1b. folgt, dass Privatbanken es entweder komplett verhindern wollen ihr Equity verwässern zu lassen (z.B. DB) oder zumindestens so wenig wie möglich in Anspruch nehmen zu müssen (z.B. CoBa).

2a. Emittiere Aktien –> Vergiss es, wir genau das nicht machen wollten!
2b. Emittiere Nachrangige Bonds (oder Vorzüge) die Dir von der EBA gerade noch als Kernkapital angerechnet wird –> Vergiss es, weil es keiner kaufen wird (z.B. Versicherungen würden wegen Solvency II sowas ums Verrecken nicht in die Bilanz nehmen, und ansonsten ist Sub Mezz ein echt verbranntes Kind)
2c. Verkürze die Bilanz indem Du Assets von der Aktiva wegverkaufst, und damit lfd. fällige Liabilities (ohne Refinanzierung via Schuldtitel) tilgst –> Schwupps wird die EK-Quote größer.

– Der Punkt 2a. ist einem Politiker egal.
– Beim Punkt 2b. hat der Politiker das Timing und Ausmaß der eigenen Regulierungswut nicht verstanden (Ich könnte mich tagelang darüber ergießen warum das über den Status einer „Herausforderung“ hinausschießt).
– Und Punkt 2c. ist fatal,weil nun Asmussen nun alle europäischen Banken zeitgleich auf diese Schubladenideen gebracht hat. Das ist so als ob er zu einem kollektiven Fire-Sale in den (eher illiquiden) europäischen Fixed Income Markt aufruft (der diese Mengen nicht mal im Ansatz aussaugen könnte).

Der Punkt 2c ist außerdem nicht so hypothetisch, sondern dieser Prozess hat begonnen, es wird sich herangetastet (Ich sage dazu lieber nix im Detail). Das kann ein paar wenige Wochen gut gehen, aber ich weiß auch das die Volumen noch größer sein können als es dafür Käufer gibt (Und nie gab und geben wird). In dem Moment wenn die Idee von Asmussen & Co. faktisch die finale Basel III Stufe auf heute vorzuziehen handfest wird, wird es richtig laut knallen (lauter als zuvor). Die Situation ist sehr fragil. Die Politiker sind aktuell in der Lage durch dumme Interviews einen Monstercrash auszulösen.

(Wenn Ackermann der gefährlichste Banker der Welt ist, dann ist Asmussen mit Sicherheit der gefährlichste Politiker).

@elsner
Es gibt noch eine andere Begründung für die CDS-Prämien auf sagen wir mal Deutschland. Seit Lehman sind Banken (und andere auch) hochsensibel für das Gegenparteiausfallrisiko und der Marktilliquidität geworden. Die von BBG veröffentlichten CDS-Prämien sind Composites Quotes, d.h. der aktuelle Composite Ask und Bid (und Mid) wird aus den vielen aktuellen (und gültigen) Ask und Bids der potentiellen Payer und Receiver (z.B. Bank A, B, C, … , …, Unternehmen D, E, F, … Versicherung X, Y, usw.) gebildet. Wenn einer dieser Parteien halt „weniger vetrauenswürdig“ betrachtet wird es halt teurer (und umgekehrt). Also wird auch BBGs Composite CDS-Prämie unterm Strich etwas höher sein, wegen dem (berücksichtigten) Gegenparteiausfallrisiko der Payer und Receiver. Dann kommt (viel heimtückischer) die Situation, dass manche Payer und Receiver anfangen ihre „Füße still zu halten“, ihre Ask-Bids aufweiten oder Urlaub machen (weil sie plötzlich ihre Präferenzen irgendwie in einem andere Licht sehen…). Das ist die böse Illiquiditätsprämie. Und die kann sich dann auch in BBGs Composite CDS-Prämie widerspiegeln.
Diese beiden Effekte sind halt das neue Post-2009er Regime. Es gibt faktisch keine Finanzkontrakte wo man das nicht findet. Zum Beispiel sind Vor-2009-Finanzbücher heute Altpapier bzw. Einführungsmaterial (noch zu schwer für den Laien, zu simpel für die Wirklichkeit), was aussieht wie eine Arbitrage ist heute nicht mehr zwingend eine, Risikoarten seperat und eindimensional zu bearbeiten ist vor allem ein sicherer Weg pleite zu gehen (oder sich auf sein Glück zu verlassen). Wer das nicht berücksichtigt, ist ein potentielles Opfer.

Ich habe doch mal was zu den Bayesian Networks verlinkt gehabt. Ein simples Szenario: Wie verändert sich die Ausfallwahrscheinlichkeit der Payer und Receiver (z.B. Bank A und B), wenn Griechenland ausfällt, und welche Auswirkung auf alle andere Finanzkontrakte in denen Bank A und B involviert sind?

(==> Wer man nun pessimistisch denkt, sagt sich „Oh Gott, wie schlimm“. Politiker denken dann, man müsse alles verbieten. Aber wenn man sich dessen bewusst ist, wird man es versuchen einzupreisen, und dann hat auch Deutschland eine höhere CDS-Prämie obwohl dies nicht unbedingt heißt es sei wahrscheinlicher dass Deutschland ausfalle. Man muss halt ein bisschen mehr rechnen als sich nur die CDS-Prämien anzugucken, um die ursprüngliche Frage, wie wahrscheinlich sei es dass Deutschland ausfalle, zu beantworten; Aber um zu kapieren, dass derjenige, der sich darum streitet alle Rechnungen zu zahlen, am Ende weniger in der Tasche hat, dafür braucht man dann nicht rechnen können)

@kritiker
Griechenland ist bereits aus dem „liquiden“ Bereich des Kapitalmarkt ausgestossen worden. Nee selbst Leute, die sich in illiquiden Märkten bewegen würden Griechenland nicht mehr mit der Zange anfassen. Ob die Griechen einen Schuldenschnitt machen oder nicht ist egal, weil sie quasi einen Argentinien-Status erreicht haben. Die Politik wird dies nicht mehr verhindern können, weil es bereits passiert ist. Man braucht auch keine EU-Politiker die dies „offiziell“ bestätigen. Die Wahrheit findet im Orderbuch bei der Auktion der Staatsanleihen statt. Der Zug ist abgefahren.

Der griechische Staatshaushalt wird mindestens ein Jahrzehnt lang nur die folgenden Einnahmemöglichkeiten haben: 1. Eigene Steuern und Abgaben, 2. EU-Subventionen, 3. Euro-Rettungsfonds, 4. EZB. Aber Kapitalmarkt? Ich hau‘ mich weg…

… Vielleicht könnten wir ein negatives Risikogewicht für Griechenland einführen oder potentiellen Gläubiger direkt Geld schenken, damit sie Griechenland Geld leihen… (kleiner Spass). Nunmal ernst. Wo stehen die mittlerweile? 170% Schulden pro BIP, oder so ähnlich. Das ist vollkommen außer Kontrolle geraten. Den Zinseszinseffekt werden die Griechen auch mit Rettungsfondsgeld niemals wieder einfangen können (ohne Schuldenerlass). Ich mache der aktuellen griechischen Regierung noch nicht mal einen Vorwurf. Es gab eine Minimalchance sich aus den Dreck zu ziehen (mit EU/EZB/IMF Unterstützung), aber es hat halt nicht geklappt bzw. kann nicht klappen (Außer man glaubt an Wunder und Märchen) ==> „Game Over! New Game?“

Kritiker Oktober 17, 2011 um 08:37 Uhr

Das weitere, noch nicht diskutierte Problem eines Schuldenschnitts ist, dass Griechenland nach diesem Schritt vom Kapitalmarkt ausgeschlossen sein wird, und die Finanzierung des Landes dann für absehbare Zeit von den europäischen Partnerländern bzw. den diversen Fonds geleistet werden muss.

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