Weitere Zweifel am too-big-to-fail-Mythos

by Dirk Elsner on 13. Januar 2012

Der US-Ökonom Simon Johnson hat in einem Beitrag für die FTD den too-big-to-fail-Mythos aufs Korn genommen. Johnson stellt auf die hier ebenfalls vertretene Auffassung ab, dass systemrelevante Banken durch die Rettungsgarantie staatliche Unterstützungen erhalten und sie direkt durch alle möglichen Maßnahmen der Notenbanken subventioniert werden (siehe dazu auch “Die Kosten der faktischen Staatsgarantie für Kreditinstitute”). Simon schreibt

“Die Begründung – oder besser die Ideologie -, die hinter der Unterstützung großer Banken steckt, ist, dass sie für die Erholung der Wirtschaft notwendig seien. Aber diese Argumentation ist recht zweifelhaft, wenn die Banken auf Bergen von Bargeld sitzen, während kreditwürdige Verbraucher und Unternehmen bei der Kreditaufnahme zurückhaltend sind.  …

Aber Kapitalismus ohne die Möglichkeit des Scheiterns ist keine wahre Marktwirtschaft. Wir unterhalten eine groß angelegte, nicht transparente und gefährliche staatliche Subvention, die hauptsächlich einigen wenigen, extrem wohlhabenden Menschen zugutekommt. “

Leider versäumt es Johnson die Zweifel am too-big-to-fail-Mythos (tbtfM) in einer tieferen Betrachtung zu zerlegen. Dafür wärmt er in seinem Beitrag die zwar zu Recht erhobene Kritik an den Vergütungssystemen im Finanzgewerbe auf. Ich hätte mir aber gerade gewünscht, wenn er als Wissenschaftler dieses Größenargumente mit intelligenter Argumentation weiter zerlegt hätte.

Wer tiefer in die Kritik am too-big-to-fail einsteigen will, dem empfehle ich daher einen Blick in den Artikel von Olaf Storbeck “Warum Großbanken ein Sicherheitsrisiko sind”, in dem er die Ergebnisse einiger Studien zusammenfasst. Storbeck schreibt u.a.:

 

“Die US-Regierung subventioniert jede Großbank im Jahr im Schnitt mit 4,7 Milliarden Dollar, zeigt eine US-Studie mit dem Titel „Size Anomalies in U.S. Bank Stock Returns“ . Eine andere Arbeit mit dem Titel „How Much Did Banks Pay to Become Too Big to Fail?“ belegt: Der staatliche Schutz ist so attraktiv, dass er eine zentrale Triebfeder für die vielen Fusionen und Übernahmen in der Branche war. (siehe dazu auch: „Wie der Staat die Großbanken subventioniert“, Handelsblatt.com vom 7.2.2011)

Die versteckten Staatshilfen für große Geldinstitute haben zudem eine perverse Konsequenz: Sie sorgen dafür, dass Banken waghalsigere Geschäfte machen.  Dadurch steigt das Risiko von Finanzkrisen, zeigt eine Studie der Londoner Ökonomie-Denkfabrik NIESR mit dem Titel „Is There a Link From Bank Size to Risk Taking?“.”

Lesenswert außerdem der etwas ältere Beitrag “Debunking the ‚Too Big to Fail‘ Myth Once and for All” auf Seeking Alpha. Der Beitrag enthält außerdem jede Menge weiterer Verweise. Daneben befasst sich Tim Fernholz auf The America Prospect mit dem Mythos, der nicht kleinzukriegen ist.

RalfKeuper Januar 13, 2012 um 17:51 Uhr

Als einer der wenigen hat Leonhard Fischer in einem HB-Interview vom 06.04.2009 die Systemrelevanz kritisch hinterfragt und auch der allgemeinen Auffassung widersprochen, eine Rettung von Lehman hätte den Ausbruch bzw. die Verschärfung der Finanzkrise verhindern können. Noch immer lesenswert: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken/die-finanzindustrie-hat-sich-kollektiv-blamiert/3150614.html

Nixda Januar 13, 2012 um 09:27 Uhr

Möglicherweise war es auch gar nicht der Fehler Lehman pleite gehen zu lassen, sondern vielleicht war der eigentliche Fehler, die anderen Banken zu retten. Eine derartiges Vorgehen, gekoppelt mit einem Regelwerk für eine Einlagensicherung von privaten und Industrie durch die Notenbank, hätte seinerzeit sicher ein Ende mit Schrecken bedeutet, aber vielleicht nicht den heutigen Schrecken ohne Ende. Die Zauberlehrlinge in der Politik bekommen jetzt die Geister nicht mehr los, die sie gerufen haben.

Dirk Elsner Januar 13, 2012 um 11:50 Uhr

Einer weiser Ansatz, über den leider zu wenig nachgedacht und diskutiert wird. Stattdessen wird die Legende gepflegt vom Fehler, Lehman Pleite gehen zu lassen.

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