Wirkung der Finanzmarktregulierung auf Bankenrefinanzierung und Finanzierungsgeschäfte (1): Vorbemerkungen

by Dirk Elsner on 24. Januar 2012

Der Blick in die Wirtschaftspresse zeigt, dass viel über die Schulden- und Bankenkrise berichtet wird. Dabei stehen die Banken im Fokus. Sie sollen ihr Kapital erhöhen und damit eingegangene Risiken abfedern, sie sollen die Risiken zurückfahren aber trotzdem in Anleihen der Euroländer investiert bleiben und diese weiter ihren Kunden schmackhaft machen. Natürlich sollen sie die Realwirtschaft nicht beeinträchtigen und weiter Kredite an Unternehmen vergeben. Daneben sollen sie ihre Aktionäre bei Laune halten, damit diese weiter zeichnen und der Staat nicht einsteigen muss. Frank Wiebe fragte im Handelsblatt letzte Woche (18.1.12): “Wer investiert schon in eine Branche, die jeden Tag gordische Knoten lösen oder Kreise quadrieren muss? Banken sollen besser und strenger reguliert werden, ist eine beliebte Forderung von Politikern, Wissenschaftlern und Kommentatoren. Wenig Aufmerksamkeit widmen sie allerdings den Wirkungen solcher Regulierungsmonstren wie Basel III, Solvency II oder dem Bankenrestrukturierungsgesetz und deren Wirkungen auf die Zukunft der Finanzierung von Banken und Unternehmen.

Nach einigen Gesprächen und der Lektüre vieler Unterlagen in den letzten Monaten komme ich immer mehr zu dem Ergebnis, dass sich vor allem Unternehmen und namentlich ihre Interessenvertreter in den Verbänden dringend mit der Materie beschäftigen müssen, um die drohenden Strukturveränderungen zu begreifen.

Manchmal entsteht der Eindruck, dass weder auf der Regulierungs- noch auf der Banken- und Unternehmensseite bisher wirklich das Big-Picture zwischen Finanzmarktregulierung und Unternehmensfinanzierung gesehen wird. Das ist freilich nicht verwunderlich, denn die Materie ist hoch komplex. Und man muss sich schon richtig quälen, wenn man verstehen will, dass etwa Basel III die klassischen Unternehmenskredite so stark diskriminiert, dass es mittel- bis langfristig sogar zu Strukturveränderungen in der Wirtschaft kommen könnte.

Das große Dilemma der Politik bzw. der Regulierungsbehörden ist, dass die von ihnen verschriebenen Therapien zur Heilung des Finanzsektors zu wenig auf die Nebenwirkungen achten, zumindest ist das mein Eindruck. Es wird nur auf die unmittelbare Wirkung geachtet, jedoch nicht auf die Zweit- und Drittfolgewirkung.

Mag sein, dass ich mit meiner Einschätzung falsch liege. Weil die Regulierung der Finanzmärkte aber so viele Facetten hat, will ich in den nächsten Wochen einen Aufschlag für eine vereinfachte Übersicht der Wirkung ausgewählter Maßnahmen wagen. Eine vollständige Betrachtung würde hier vollkommen den Rahmen sprengen und wäre auch in meinem Zeitbudget nicht drin. Aber ich versuche mal auf Basis der Vorschriften und gesichteter Literatur ein paar Hypothesen über die Wirkungen auf verschiedene Anlage- und Finanzierungsinstrumente zu formulieren. Ich werde die Ergebnisse auf einer Seite in diesem Blog zusammenfügen und je nach Rückmeldungen im Laufe der Zeit ergänzen und korrigieren.

Betrachtete Geschäfte bzw. Bilanzpositionen

Die Geschäftsmodelle nahezu aller Finanzinstitutionen beruhen im Grunde auf dem ganz einfachen Geschäftsmodell der Finanzintermediation. Finanzinstitutionen schaffen einen Interessenausgleich zwischen den Subjekten, die Finanzierungsmittel anlegen wollen (Überschusseinheiten), und den Marktteilnehmern, die Mittel aufnehmen wollen oder müssen (Defiziteinheiten). Daneben sorgen sie für den Transfer von Zahlungsmitteln. Die Gesamtheit derartiger Transaktionen einschließlich der sich dabei herausbildenden Usancen und der sie beeinflussenden institutionellen Rahmenbedingungen wird nach Michael Bitz als Finanzmarkt bezeichnet. Bitz schreibt dazu weiter:

“In seiner einfachst denkbaren, gewissermaßen „archaischen“ Urform kann dieser Finanzmarkt allein als Geflecht einer Vielzahl von Verträgen gedacht werden, die zwischen den potentiellen Geldnehmern der ersten Gruppe und den potentiellen Geldgebern der zweiten Gruppe jeweils unmittelbar und ganz individuell, ohne allgemein vorgegebene Rahmenregelungen und ohne jegliche Einwirkung Dritter vereinbart werden.”

Die heutigen Geschäftsmodelle der Finanzmärkte sind im Prinzip genau so simple, denn es geht vorwiegend um die Modellierung bedingter und unbedingter Zahlungsströme in Gegenwart und Zukunft sowie den dazu notwendigen Vereinbarungen zwischen verschiedenen Marktteilnehmern. Geld verdienen lässt sich damit vor allem, wenn die Märkte nicht so ticken, wie es die neoklassischen Ökonomen gern hätten und Marktteilnehmer über einen Informationsvorsprung verfügen und diese Informationsasymmetrien für sich ausnutzen können.

Um diese Geschäftsmodelle zu leben vergeben Banken auf der Aktivseite Kredite an Firmen und Privatpersonen, sie kaufen Staatsanleihen, finanzieren große Projekte und leihen anderen Banken Geld. Manche betreiben an den Finanzmärkte Eigenhandel, den sie aus eigener Tasche finanzieren.

Für ihre Geschäfte benötigen die Institute Geld (Passivseite). Eigenkapital  aus verschiedensten Quellen, Einlagen von Privatkunden und Unternehmen und von sogenannten institutionellen Anleger wie Versicherungen, Pensionskassen, Fonds. Banken finanzieren sich daneben über andere Banken und natürlich über ihre Zentralbanken.

In unterschiedlichem Ausmaß erwarten Geldgeber von Kreditnehmern die Stellung von Sicherheiten (in der Fachsprache Collateral) für die überlassenen Mittel. Dies trifft auch zunehmend die Banken. Diese Sicherheiten bestehen in der Regel aus Vermögenspositionen der Aktivseite, manchmal handelt es sich auch um staatlich Garantien, die von der öffentlichen Hand gewährt werden oder um sogenannte implizite Staatsgarantien, also der Hoffnung, die Passivseite einer Bank werde schon vom Staat gerettet, wenn sie Probleme bekommt.

Um die Betrachtung übersichtlich zu halten, werden hier nicht die Wirkungen auf alle Finanzmarktprodukte betrachtet. Die Darstellung folgt hier einen groben Struktur, die sich an bestimmten Asset- bzw. Fundingklassen orientieren. Asset steht dabei für Anlage der Mittel aus Sicht einer Bank, Funding steht für Finanzierung.

Betrachtete Regulierungen/Maßnahmen

Drei Regulierungen und eine geldpolitische Maßnahme der EZB sollen hier in den weiteren Abschnitten dieser Serie betrachtet werden:

  1. Das Banken-Restrukturierungsrecht, in Deutschland seit 1. Januar 2011 gültig, in Europa in verschärfter Form für 2013 erwartet
  2. die Regulierung der Banken im Rahmen von Basel III und
  3. die Regulierung der Versicherungen im Rahmen der Solvency II
  4. Collateralpolitik der EZB

Diese Maßnahmen sind nach meiner Ansicht derzeit die Regulierungsvorhaben bzw. Maßnahmen mit den größten Steuerungsimpulsen auf die Finanzierung und Refinanzierung der Banken.

Wirkung der Regulierung

Mit den genannten Regulierungsmaßnahmen sind verschiedene Steuerungsabsichten verbunden. Ich werde die Hypothesen für die Steuerungswirkung anhand einer vereinfachten Bilanz zeigen.

Muster für Wirkungsstruktur
Assets/Aktiva  Funding/Passiva
Position Wirkung Position Wirkung
Zentralbankgeld   Eigenkapital  
Interbankfinanzierung   ungedeckte Finanzierung  
Staatsfinanzierung   gedeckte Finanzierung/SCB  
Unternehmenskredite   Asset Backed Securities  
(Structured) Covered Bonds   reg. Covered Bonds/Pfandbr.  
pfandbrieffähiges Geschäft   gesich. kurzfr. Einlagen*  
Asset Backed Securities   gesich. langfr. Einlagen*  
Aktien und anderes AV   ungesich. kurzfr. Einlagen  
    ungesich. langfr. Einlagen  
       
abnehmend    
neutral o * durch Einlagensicherung  
zunehmend  + SCB = Structured Covered Bond  

Natürlich könnte ich die Produkte weiter auffächern und innerhalb der Produkte noch differenzieren nach Risikoklassen, Emittenten usw. Aber ginge die Übersicht verloren und meine Zeit.

Die Kennzeichnungen bedeuten:

  • – erwartet wird Abnahme der Position
  • o erwartet wird keine Veränderung der Position
  • + erwartet wird Zunahme der Position

Die Hypothese über die Veränderungen der jeweiligen Positionen erfolgen dabei stets unter der Ceteris paribus-Annahme, also unter der Voraussetzung, dass alle anderen Rahmenbedingungen unverändert bleiben.

Jede dieser Maßnahmen wird in einem eigenen Beitrag mit der jeweiligen Wirkung betrachtet und nach der Veröffentlichung auf dieser Seite ergänzt. Ich freue mich über den Austausch und Korrekturhinweise zu den einzelnen Paketen und hoffe so, die Qualität der Darstellung mit Hilfe der Community schrittweise zu erhöhen.

So, los geht es in dem heute ebenfalls erscheinenden Beitrag zum Bankenrestrukturierungsrecht, es folgen in den nächsten Tagen Basel III, Solvency II und etwas später die Collateralpolitik der EZB.

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