Heute mal wieder Weltfinanzuntergang? Frist für „freiwilligen“ Zwangsumtausch griechischer Anleihen endet plötzlich

by Dirk Elsner on 8. März 2012

Glaubt man der Finanzbranche, besser den Bankenverbänden, könnte ja heute mal wieder der Maya-Kalender für die Finanzwelt enden. Die Gläubiger Griechenlands können noch bis heute Abend das Tauschangebot annehmen. Klappt das nicht, so ließ der internationale Bankverband vorsorglich durchsickern, drohe eine ungeordnete Pleite Griechenlands und Schäden, die locker 1 Billion Euro betragen könnten. An ähnliche Drohungen erinnere ich mich übrigens vor einem Jahr, allerdings für den Fall, dass es zu einem Schuldenschnitt für Griechenland kommen solle.

Happy Last New Year!Nun läuft also heute die Umtauschfrist für private Gläubiger (die öffentlichen Gläubiger dürfen ja nicht) ab. Gerade Ende letzter Woche haben es die Depotbanken noch geschafft, die nervigen Privatanleger anzuschreiben. Die Hausbanken der Depotkunden haben, so ist in der FTD zu lesen, ihren Informationsaufwand dabei glücklicherweise auf das absolut Notwendigste beschränkt. Und wer wird denn da zickig wie Tom König auf Spiegel online meckern, wenn die Banken das Fachkauderwelsch der Originalunterlagen auf zwei Seiten zusammengedampft haben (siehe hier das Musteranschreiben)?

Apropos Originalunterlagen. Wer die Verkaufsprospekte einsehen will, der kann das selbstverständlich auch tun, vorausgesetzt er findet über die Webseite Greeceexchange und die vielen Multiple Choice Fragen den Weg zu der Übersichtsliste mit den Unterlagen und weiß dann noch, was er anklicken soll. Ich schätze, das ist nur Lehrern oder Rechtsanwälten gelungen.

Aber wozu hätte man auch Privatanlegern, die ja nur Peanuts am Gesamtpaket halten, hier auch mit einem besonderen Service entgegen kommen sollen? Das hätte nur die Kosten, die ja für die Rechtsberatung, Abwicklung und Konsortialführung bereits hoch genug waren, nur noch weiter in die Höhe getrieben. Und natürlich gibt es in der bunten Welt des Internets professionelle Medien und Blogs. Die reißen sich quasi darum, die Anleger kostenlos aufzuklären, wie z.B. der Patrick Bernau, der sogar die Anleihebedingungen erklärt oder André Kühnlenz von der FTD, der die Feinheiten der Collective Action Clauses seziert. Da muss man als Finanzbranche nicht noch Geld für die Übersetzung komplizierter Unterlagen oder gar in die Schulung eigener Mitarbeiter rauswerfen.

Optimal abgestimmt war ja übirgens auch das Timing der Börsen, auf denen die Anleihen noch gehandelt wurden. Selbst wenn Lehrer und Rechtsanwälte das Orakel der Umschuldungspapiere gelesen hätten und sich als Alternative für den bis vergangenen Woche noch möglichen Verkauf entschieden hätten, wollte man es den Anlegern in dieser Woche nicht mehr so leicht machen und stellte flux den Börsenhandel ein.

Kein Wunder also, dass die Finanzbranche angesichts der enormen Anstrengungen, aller außer sie selbst in die Haftung zu drängen, sich nicht um alle Kleinigkeiten selbst kümmern konnten. Dass vielleicht doch der eine oder andere Retail- oder Großanleger nicht so will, lässt nun freilich trotz weiter kühler Witterung einige Schweissperlen bei den Bankern entstehen. Oder ist man nur nervös, weil bei bei gescheitertem Umtausch keine Provision einstreichen kann.

Wichtiger war es ohnehin, dass schon vor dem eigentlichen Umtausch rechtzeitig die Credit Default Swaps genannten Kreditversicherungen gehandelt werden. Das sind die Versicherungen, deren Kleingedrucktes noch komplizierter ist, als das einer Zahnzusatzversicherung. Weil im Kleingedruckten der CDS (hier für 60 US$ zu lesen) nicht steht, dass es ein Kreditereignis* ist, wenn die Gläubiger unter Drohung des finanziellen Weltuntergangs “freiwillig” umtauschen, ist natürlich der Versicherungsfall nicht eingetreten. Ist doch Logisch. Man kann das z.B. im Handelsblatt oder auf FTAlphaville, die inoffizielle Klatschwebseite der Finanzbranche, nachlesen. Weil das selbst die mit allen Derivaten gewaschenen Banker nicht verstanden haben, versucht die ISDA ebenfalls über die Gossipseite zusätzliche Informationen zu streuen und holt sich, um die eigenen Regeln zu verstehen einen sauteuren  Anwalt. Auch das hat niemand verstanden, ist aber auch egal, denn das ist ja schon eine Woche her.

Und die Leser hier glauben doch nicht im Ernst, dass ich heute noch einmal die Details des Umtauschangebots erläutere und berechne. Diejenigen, die anstatt eines simplen Tausch sich so eine irre Konstruktion ausdenken, können die Anleger schön selbst informieren, was es genau heißt, wenn es für je Nennwert EUR 1.000 einer Anleihe gibt:

  • 20 neue Anleihen im Gesamtnennwert von EUR 315,- mit Fälligkeiten ab dem 24. Februar 2023,
  • sog. „GDP-Linked-Notes“ im Nennwert von EUR 315,-, deren Zahlungen von der Entwicklung des Bruttosozialprodukts Griechenlands abhängen,
  • sog. „PSI Payment Notes“ im Nennwert von je EUR 150,-, je zur Hälfte mit einjähriger und zweijähriger Laufzeit – hierbei handelt es sich um Anleihen des europäischen Rettungsschirms EFSF – und
  • sog. „Accrued Interest Notes“ für den Gegenwert der aufgelaufenen Zinsen.

Fehlt eigentlich nur der Hinweis: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihren Bankberater oder Kreditversicherer.

Mit dem oben bereits gehuldigten Tom König möchte ich schließen: “Habt ihr noch alle Oliven am Baum?”

Kurzer Nachtrag. Drüben bei dem Egghat kann man noch seinen Tipp auf den Weltfinanzuntergang abgeben. Ich hoffe, er kann seine ausgezeichnet Beratungsdienstleistung zu den Feinheiten des Haircuts dem Bankverband in Rechnung stellen.


* Das Kreditereignis tritt normalerweise dann ein, wenn der Schuldner nicht so zahlt, wie ursprünglich vereinbart.

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