Der dritte Weg für das Finanzsystem – Heute erscheint der neue Shiller: “Märkte für Menschen”

by Dirk Elsner on 10. September 2012

Heute erscheint das neue Buch von Robert Shiller in deutscher Sprache: Märkte für Menschen: So schaffen wir ein besseres Finanzsystem (leider noch nicht als E-Book-Version). Ich freue mich schon seit Anfang des Jahres auf das Buch. Leser, die dieses Blog länger verfolgen, werden wissen das ich ein Anhänger von Shillers Analysen und Ideen bin und ihm jedes Jahr den Wirtschaftsnobelpreis gönne. Während die Medien gern auf seine prophetische Kraft verweisen, die er übrigens selbst zu Recht abstreitet, finde ich seine verhaltenswissenschaftlichen Analysen spannend aber auch seine Ideen für die Weiterentwicklung des Finanzsystems.

Er befasst sich damit in seinem neuen Buch nicht zu ersten Mal. In seinen Werken “Macro Markets” und “Die neue Finanzordnung” hat er gut fundierte Entwürfe für einen neuen finanzwirtschaftlichen Rahmen und neue Instrumente vorgelegt, mit denen wirtschaftlichen Risiken auf neue Art und Weise abgesichert werden können. Shiller ist davon überzeugt, dass es eine neue Kultur des Risikomanagements ermöglichen kann, vorhandenen ökonomischen Institutionen so zu vernetzen, dass sie Wohlstandsmotor und Sicherheitsnetz in einem werden. In einem Beitrag im Handelsblatt unter der Überschrift: Kapitalismus für alle verfasst plädierte Shiller einmal dafür, aus den offengelegten Schwächen im Risikomanagement zu lernen und das Finanzsystem auszubauen, zu demokratisieren und zu modernisieren, um so die Risiken besser in den Griff zu bekommen.

Unter Demokratisierung versteht Shiller freilich etwas anderes als Beispielsweise die Anhänger von Occupy. Demokratisieren heißt für ihn, den Zugang für die Menschen zu modernen Finanzdienstleistungen zu erweitern. Das wird auch ein Kernthema des neuen Buches sein, das in englischer Sprache bereits vorliegt und schon im Januar von Olaf Storbeck im Handelsblatt besprochen wurde unter dem Titel: Ohne Banken kein Wohlstand. Damals schrieb Olaf u.a.:

“Er bricht eine Lanze für den modernen Finanzkapitalismus, der im Zuge der Krise massiv in die Kritik geraten ist. Ohne das heutige Bankensystem würde es unseren wirtschaftlichen Wohlstand so nicht geben, argumentiert Shiller in einem Buch, das im März unter dem Titel „Finance and the Good Society“ bei Princeton University Press auf den Markt kommt. Auf der Jahrestagung der American Economic Association in Chicago gab Shiller jetzt einen Vorgeschmack auf sein neues Werk. „Den meisten Menschen ist nicht bewusst, welch große Rolle Finanzinnovationen für unser Leben spielen,“ lautet seine These.”

Shiller ergibt sich damit nicht dem Mainstream der öffentlichen Meinung. Am Freitag spitzte er das sogar in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt weiter zu. Er schreibt u.a.:

“All die Protestbewegungen können lediglich eine Unzufriedenheit manifestieren, die sich seit Einsetzen der Finanzkrise in Gesprächen und Blogs wiederfindet. Die Äußerungen von Demonstranten auf der Straße und verärgerten Unternehmern sind nicht zielführend und zeigen nicht auf, was fehlgeleitet ist und was getan werden sollte.”

Ich finde, Shiller spricht damit genau einen Schwachpunkt der Kritiker der Finanzmärkte an: Ihnen fehlt ein akzeptierter und umsetzbarer Gegenentwurf. Der Schwerpunkt der öffentlichen Debatte dreht sich schwerpunktmäßig darum, wie der Finanzsektor geerdet werden soll und wie er möglichst streng zu regulieren ist und gerade nicht wie er inhaltlich weiter zu entwickeln ist. Shiller ist aber dabei weit entfernt, den gegenwärtigen Zustand des Finanzsystems zu verteidigen. Er übt ausführliche und differenzierte Kritik an den Finanzmärkte und seinen Akteuren.

Shiller beschränkt sich aber nicht auf diese Kritik, sondern er will mehr. Er sucht viel eher etwas, das ich hier als dritten Weg ansehen würde. Shiller will hier anscheinend den Architekten spielen und erneut ein paar Steilvorlagen liefern. Die Ideen der oben erwähnten Werke haben bisher keine Anklang in der Praxis gefunden. Ich glaube Shiller, war damit zu früh und zu anspruchsvoll. 

Und das Nachdenken über diesen Weg ist notwendig. Das alte Finanzsystem hat nicht nur seine gesellschaftliche Akzeptanz verloren, sondern es vernachlässigt zunehmend die Bedürfnisse der Privat- und – für die Wirtschaftsentwicklung noch relevanter – der Unternehmenskunden. Eine Debatte über Neuerungen im etablierten Finanzsystem und in der Politik findet freilich nicht statt (sie gibt es aber z.B. im Next Generation Finance). Die Banken selbst präsentieren sich (wie letzte Woche auf einem Bankenkongress eindrucksvoll demonstriert) ebenfalls vollkommen kreativfrei und ideenlos angesichts der vielen Herausforderungen. Einer Herde gleichend stürzen sie sich in der Kongressrhetorik alle auf den Mittelstand, gestalten aber in der Praxis ihre Kreditprozesse so umständlich und ihre Konditionen so restriktiv, dass der im Januar von der Bundesbank festgestellte Trend weg von der Kreditfinanzierung sich nicht ändern dürfte.

Ob Shiller sich aber auf das Finanzierungsgeschäft stürzt weiß ich nicht, denn in die Originalausgabe habe ich noch nicht hinein geschaut. Ich bin aber gespannt, welche Vorstellungen er nun weiter konkretisiert. In jedem Fall ist er vielleicht der Autor, der am besten meine Haltung trifft, wenn er schreibt:

“Die kritische Haltung der breiten Öffentlichkeit infolge der Krise kann den unglücklichen Effekt haben, die Weiterentwicklung des Finanzsystems zu bremsen. Die Ironie dabei: Wir brauchen bessere Finanzinstrumente und nicht weniger finanzwirtschaftliche Aktivität, um die Wahrscheinlichkeit künftiger Finanzkrisen zu verringern.”

Previous post:

Next post: