Von der Unzufriedenheit mit Steinbrücks Transparenz und dem Markt für Reden

by Dirk Elsner on 15. November 2012

Julius Raab Saal WKO

Das Thema Nebeneinkünfte des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück beherrscht die öffentliche Vorwahlkampf-Diskussion deutlich intensiver als viele andere Themen. Es schlägt mal wieder die Stunde der Tugendwächter und der Populisten.

Im “Fall” Steinbrück fällt nun erneut das auf, was auch bei Christian Wulff am Jahresanfang zu beobachten war. Je mehr Steinbrück den Forderungen nach Offenlegung nachkommt, desto unzufriedener klingen die Berichte. Das ist kein Wunder, denn jede Offenlegung wirft neue Fragen auf. Der Mikrokosmos um Steinbrücks Nebeneinkünfte unterstreicht erneut meine These, warum die Forderungen nach Transparenz und Offenheit unrealistisch sind.

Der Bundestagsabgeordnete Peer Steinbrück hatte in der vorletzten Woche über einen zwanzigseitigen Bericht (pdf) eines Wirtschaftsprüfers seine Nebeneinkünfte aus Vorträge veröffentlicht (Kurzanalyse dazu im Blog Abgeordnetenwatch). Darin sind 89 Vorträgen gelistet, für die Steinbrück in den vergangenen drei Jahren Honorare erhalten hat, daneben hat er mehr als 230 weitere öffentliche Reden ohne Gegenleistung gehalten.

Nach Veröffentlichung passierte genau das, was nach jeder Offenlegung passiert. Jede Information wirft logischerweise neue Fragen, die die originären Unterlagen nicht beantworten können. Es ist das exakt gleich Spiel wie bei Christian Wullf (siehe dazu “Das Spiel mit mangelnder Transparenz und unbeantworteten Fragen”).

Beispielhaft kann man das gut studieren an Timo Fraschs Beitrag auf FAZ Online “Unterm Schlussstrich”. Frasch stellt schon in der Einleitung seines Beitrags fest: “Die Aufstellung, die nach Steinbrücks Einschätzung „vollständige Transparenz“ herstellt, wirft nämlich noch immer Fragen auf.” In der Folge arbeitet sich Frasch dann an mehreren Positionen ab, die nach seiner Ansicht unzureichend aufgeklärt seien. Er kommt dann zu dem Schluss, dass Transparenz anders aussähe. So fragt sich Frasch, aus meiner Sicht zu Recht, wie es zu erklären sei, dass Steinbrück bei einer Bausparkasse 20.000 Euro Honorar erhalten hat. Ich bin ganz sicher, wenn Steinbrück oder die Bausparkasse diese Frage beantworten, dann ergeben sich daraus sofort wieder neue, zunächst unbeantwortete Fragen. Der Vorwurf der Intransparenz lässt sich also immer weiter ausdehnen.

Steinbrück hat letztlich das genommen, was der Markt für Redner hergibt und er gerade noch mit seiner Tätigkeit als Abgeordneter für vereinbar hielt. Albrecht Müller stellt zwar zwar in den NachDenkseiten fest, dass Spitzenhonorare bis 25.000 € für einen Vortrag von der Sache her nicht gerechtfertigt und nicht vertretbar seien, weil ein Redner an einem Abend so viel gar nicht leisten könne. Müller glaubt, mit der Vereinbarung so hoher Honorare sei mehr entgolten, nämlich auch politische Einflussnahme. Deswegen fordert Müller den Rückzug Steinbrück von der Kandidatur. Müller glaubt noch an das ideal des unbefleckten Politikers. Ich halte das für eine schon lange nicht mehr aufrecht zu erhaltene Illusion, insbesondere wenn man sich die Aktivitäten einstiger Aushängeschilder wie Joschka Fischer oder Jürgen Trittin ansieht.

Man kann sich natürlich fragen, warum Unternehmen überhaupt so viel für jemanden bezahlen, dessen Gedanken in unzähligen öffentlichen Beiträgen ohnehin bekannt sind. Das bestätigt erneut die Vermutung, dass es bei dem Engagement von Rednern nicht darum geht, möglichst frische und originelle Inhalte geliefert zu bekommen, sondern eine angesagte und möglichst einflussreiche Persönlichkeit. Dazu kommt, prominent aufbereitete Rhetorik zu alt bekannten Inhalten schafft mehr Imagegewinn für die Auftraggeber als ein intellektuell anspruchsvoller Vortrag zu einem Nischenthema. Der Rednermarkt funktioniert letztlich nicht anders als das Starsystem Hollywoods.

Mich jedenfalls erstaunt erneut, mit welcher Akribie sich Berufene und Unberufene nun an Steinbrück abarbeiten. Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass auch die öffentliche Debatte um Steinbrücks Bankenpapier eine solche Tiefe erreicht hätte. Aber in unserer Gesellschaft zählen nicht Inhalte, sondern Gesichter.

EdN Dezember 2, 2012 um 21:09 Uhr

„Aber in unserer Gesellschaft zählen nicht Inhalte, sondern Gesichter.“

Das ist zwar grundsätzlich zu beklagen. Allerdings: Grade Volksparteien, für eine davon Steinbrück ja kandidiert, lassen in ihren Wahlkämpfen Inhalte zugunsten personenorientierter Wahlkämpfe untergehen. Insofern ist es wenig überraschend, daß die derart beworbenen Personen besonders hinterfragt werden.

Bei Steinbrück kommt hinzu, daß er sich einerseits als Art weißer Ritter gegen die Finanzindustrie darstellt, andererseits kann ähnliche Verhaltensweisen wie deren Vertreter entwickelt und deren Zahlungen zudem zu seinem Einkommen beitragen.

nigecus November 15, 2012 um 22:43 Uhr

vielleicht sollten wir den MdBs mit je 1 Millionen Euro vergüten. Dann halten sie vielleicht wieder mehr Reden im Bundestag und müssen nicht in der Wirtschaftswelt herumhuren. Ich verstehen aber dieses Empörungsgebare der (wahrscheinlich schlecht bezahlt neidischen) Journalisten nicht, weil ich davon ausgehe, dass alle Menschen korrupt sind (Jeder ist eine Hure). Wirtschaft und Menschen ist ganz einfach: Wedel mit genug Scheinchen und man kriegt jeden. Diesbezüglich unterscheiden sich Streikenden bei Traifverhandlungen und irgendwelche hochbezahlten Manager, Politiker, usw. in Nix. Wer diese Idealvorstellungen von gewissenhaften XYZ-Berufler tatsächlich glaubt und propagandiert belügt sich nur selbst und sollte lieber einen Comicbuch-Handlung aufsuchen um mit seinen Lieblingsmärchenhelden seine Seele streicheln.

Zu den 1 Mio für MdBs. Es wäre mir lieber wenn das Volk seine Volksvertreter korrumpiert als wenn es andere tun, um das Volk abzuzocken. Aber das kapiert das Wählervolk in ihren notorischen Neidattacken nicht, weil es dafür erstmal kapieren muss das jeder (inkl. sie selbst) auf mehr oder weniger abstrakter Ebene im Kleinen bis Großen bestechlich sind.

Lothar Lochmaier November 15, 2012 um 11:52 Uhr

Moin Dirk,

wieder so ein Zufall, denn gestern habe ich das Thema Steinbrück auch ausführlich auf meinem Blog Social Banking 2.0 behandelt:
http://lochmaier.wordpress.com/2012/11/14/spd-kanzlerkandidat-a-de-wie-banken-bashing-peer-steinbruck-ins-abseits-stellt/
Steinbrück und andere Politiker verdanken die Chance, sich als hochbezahlter Experte für Vorträge honorieren zu lassen, dem Steuerzahler und der Öffentlichkeit, weniger ihrer individuellen Leistung. Und genau deshalb bin ich in diesem seltenen Fall völlig konform mit Volker Kauder von der CDU: Mit dem Bundestagsmandat sind die Reden sonstwo bereits finanziell abgegolten. Hätte Steinbrück ein Beratungsunternehmen gegründet und sein Mandat ruhen lassen, okay. Um die Neiddebatte geht es hier übrigens auch nicht. Die unterstellen anderen jene gerne, die umso mehr die eigene Tasche aufhalten und füllen. Kurzum: Der Markenkern der SPD ist mit diesem Kanzlerkandidaten längst „a.De“.

FDominicus November 15, 2012 um 07:44 Uhr

Nun ich denke es liegt daran, daß die Politiker Wasser predigen aber selber Wein „saufen“. Ich hab schon mal geschrieben was Steinbrück „bekommt“ und „verdient“ hat nicht mal mehr peripher etwas miteinander zu tun.
http://fdominicus.blogspot.de/2012/10/soll-ich-schmunzeln-oder-mich-argern.html

Und mir ist sogar lieber er redet auf Vorträgen als das er als Politiker „entscheidet“, das eine kostet nur die Entschuldigung „Deppen“, die ihn bezahlen etwas. jede Entscheidung aufgrund der Arbeit von unseren „Volks(ver)tretern“ kostet mich und auch meine Kunden etwas. Wenn also alle Abgeordneten den lieben langen Tag nur Vorträge halten würde, wäre das für mich etwas ausnehmend Gutes.

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