Hugo Bänziger war von 2006 bis 2012 im Vorstand der Deutschen Bank für das Risikomanagement zuständig. Mit der Neuordnung des Vorstands der Bank musste oder wollte Bänziger gehen. Er ist dann wie viele andere Vorstände nicht einfach in der Versenkung verschwunden, sondern engagiert sich für eine Neuordnung des Finanzsektors und greift auch in die gesellschaftliche Debatte über die Rolle der Finanzwirtschaft ein. Mit gefällt, dass er mit der Abgabe seines Amtes vergleichsweise offensiv Positionen vertritt, die hier im Blog seit Jahren zu finden sind. So forderte er in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt im Juli Banken müssen sich neu erfinden. Zu seinen zentralen Sätze gehörte damals:
„Erstaunlicherweise hat man bis heute vonseiten der Finanzbranche wenig gehört, wie neue Geschäftsmodelle aussehen sollen. Wie man Banken sicher, profitabel und nützlich für die Gesellschaft betreibt, ist eine der Kernfragen, die wir beantworten müssen. Fest steht, dass mit all den zusätzlichen Kapital- und Liquiditätsauflagen unsere Banken wesentlich höhere Refinanzierungskosten zu tragen haben.“
Kürzlich hat Bänziger, der auch in der Liikanen Kommission an konkreten Vorschlägen mitgearbeitet hat, im Handelsblatt (Printausgabe) eine stärkere gesellschaftliche Auseinandersetzung über die Rolle der Finanzwirtschaft gefordert. Er stellt darin zunächst fest
„Eigentlich könnte man erwarten, dass derart traumatische Ereignisse eine breite, öffentliche Diskussion zum Verhältnis von Gesellschaft, Staat und Finanzwirtschaft auslösen würden. Aber zu einer vertieften gesellschaftlichen Debatte kam es bisher kaum. Der Unmut vieler Bürger in Europa macht sich sporadisch Luft in der Empörung über die Vergütung von Bankern oder im französischen Wahlkampf zu Jahresbeginn, als Präsident François Hollande die Finanzbranche als seinen eigentlichen Gegner bezeichnete. Doch die meisten Reformen waren bisher eher technischer Natur. Welche Rolle Banken in unserer Gesellschaft in Zukunft spielen sollen, bleibt offen.“
Er äußert sich dann für einen ehemaligen Vorstand ausgesprochen offen und kritisch zu der asymmetrischen Risikoverteilung der Stakeholder einer Bank:
„Vom alten Modell haben ja weder Aktionäre noch Steuerzahler, noch Käufer von Anlageprodukten profitiert. Mit Ausnahme des Bankmanagements haben alle Geld verloren. In keiner anderen Branche liegen die Personalkosten bei 50 Prozent der Bruttoerträge. Es ist mit liberalen Ordnungsprinzipien nicht vereinbar, dass jemand, der kein Risiko trägt, viel verdient.“
Viele Innovationen, die die traditionelle Finanzbranche hervorgebracht hat, nutzten damit weniger der Realwirtschaft als den Mitarbeitern oder dem Management. Möglich, dass sich Bänziger mit diesen Positionen bereits intern auch in der Deutschen Bank unbeliebt gemacht hat. Dennoch ist es erstaunlich, dass er gegangen, ist, denn auch die neuen Chefs, Anshun Jain und Jürgen Fitschen, setzen sich für eine Änderung ein (etwa hier Fitschen). Während Fitschen und Jain es bei solchen allgemeinen Feststellungen belassen und geschickt jedes angreifbar machende Detail vermeiden, lehnt sich Bänziger viel weiter aus dem Fenster. Und genau das fehlt der Finanzbranche, wie etwas das Special ebenfalls im Handelsblatt letzter Woche über die blasse Vertretung der Branche durch den Bankenverband deutlich gemacht hat.
Bänziger fordert nichts Geringeres als einen „Contrat Social“, „in dem sich Banken auf die Realwirtschaft zurückbesinnen“. Ober er bei der Begriffswahl gleich an den Gesellschaftsvertrag im Sinne von Jean-Jacques Rousseau gedacht hat, weiß ich nicht. Wie man dahin konkret kommen soll, lässt er außerdem offen, hebt aber einige Eckpunkte aus der Liikanen-Kommission hervor.
Als Topmanager ist man es gewohnt, gut klingende Formulierungen inhaltlich möglichst unbestimmt zu lassen. Dennoch gefällt mir an Bänzigers Position, dass er ähnlich wie Robert Shiller und ich nicht die Finanzwelt pauschal aburteilt, sondern Schwächen benennt und die abstellen will. Ob Bänziger auch so konkrete Ideen zur Weiterentwicklung des Finanzsektors hat, wie Shiller sie in seinem Buch „Märkte für Menschen“ vorstellt, weiß ich nicht. Ich würde die beiden gern einmal zusammen über die neue Finanzwelt diskutieren sehen.
Es wären der alten Finanzwelt mehr solche Stimmen, wie die von Bänziger zu wünschen. Leider neigen wir dazu, eher Stimmen nach ihrem Prominentenstatus zu gewichten. Daher hört man eher darauf, wenn Ackermann gegen seine früheren Kollegen austeilt, als die Positionen Bänzigers zu vertiefen. Bänziger fehlt zwar dieser Promi-Bonus, deswegen sind seine Positionen aber nicht weniger kompetent.
Ich würde mir solche Diskussionsanstösse von aktiven Vorstandmitgliedern der Banken wünschen, wie es einst Herrhausen verstanden hat.
Gruß
Hansjörg Leichsenring
http://www.der-bank-blog.de
stimmt. ist wie ein Politiker, der nach seinem Ausscheiden in Büchern, Talkshows, usw. erzählt was er anders machen würde.
Die Finanzwirtschaft muss sich nicht neu erfinden. Der Herr Bänziger spricht die Probleme einer kranken Organisation an, die einfach zu groß ist. Zerschlagung oder Insolvenz wäre die Lösung.
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