Warum ich Probleme mit einer Bankenunion habe

by Dirk Elsner on 28. Januar 2013

Morgen gibt es ja unseren Ökonomen live Hangout, in dem wir über die Bankenunion diskutieren wollen. Ich freue mich auf diese Runde, weil auch der „EU-Insider“ Eric Bonse seine Teilnahme zugesagt hat. Eric versorgt uns über seinen Blog „Lost in EUrope“ schon seit einiger Zeit mit erstklassigen Informationen und beobachtet vor Ort in Brüssel das Entstehen der Bankenunion und kann sicher mehr dazu sagen, als ich.

Nicht ganz genau klar ist, was eigentlich eine Bankenunion sein soll bzw. wie sie gestaltet wird. Für die EU-Komission gehört sie zu einem Konzept einer echten Banken-, Fiskal- und Wirtschaftsunion (hier zum Blueprint der Komission). Sehr kurz skizziert soll danach die europäische Bankenunion aus diesen drei Bestandteilen bestehen:

  1. Sanierungs- und Abwicklungsrahmen für in “Not” geratene Banken
  2. zentrale Bankenaufsicht
  3. Abwicklungsfonds

Teil 2. der Bankenunion, nämlich eine zentralisierte Bankenaufsicht bei der EZB wurde bereits von den Finanzministern der EU beschlossen. Die Einigung sieht vor, dass die Europäische Zentralbank (EZB) – möglicherweise schon ab Januar 2014 – die direkte Aufsicht über Banken des Euroraums übernimmt. An den Details wird noch gefeilt.

Der zentrale Überwachungsmechanismus ist für die Länder des Euroraums gedacht, kann jedoch auf andere EU-Länder ausgedehnt werden. Zum Abwicklungsmechanismus gibt es einen Richtlinienvorschlag zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen.

In diesem Richtlinienvorschlag wird auch ein Abwicklungsfonds erwähnt, der zwar hauptsächlich von Banken (vor-)finanziert werden soll. Allerdings kann man den Text auch so deuten, dass es einen Rückgriff auf öffentliche Mittel gibt. Ob die Details so umgesetzt werden, wie im Richtlinienentwurf, ist noch offen.

Die Vorschläge sind alle miteinander verknüpft in einer Logik, die ich nicht nachvollziehen kann, weil ich sie bisher schlicht nicht verstanden habe.

Meine Position zu der aktuellen Diskussion:

zu 1. Einen Sanierungs- und Abwicklungsrahmen zu haben, finde ich im Prinzip gut. Man braucht ihn allerdings nicht zwingend auf europäischer Ebene. Deutschland hat bereits ein Restrukturierungsgesetz. Es spricht nichts dagegen, wenn sich andere europäische Länder ebenfalls ein eigenes Restrukturierungsgesetz geben. Darüber hinaus hat jedes Land ein Insolvenzrecht, das im Zweifel auch für Banken gilt. Wegen der vermeintlichen Sonderstellung der Banken in den Volkswirtschaften, glaubt man allerdings, hier eigene Gesetze zu benötigen. Schaden kann es vor allem wegen der Finanzverpflechtungen nicht. Ich könnte mich daher mit einem einheitlichen europäischen Abwicklungsregime anfreunden.

zu 2. Es wird eine Logik konstruiert nach der eine europäischer Sanierungs- und Abwicklungsrahmen einer gemeinsamen Bankenaufsicht bedarf und diese bei der EZB angesiedelt sein soll. Ich kann den Gedanken nach der Vereinheitlichung der Finanzaufsicht nachvollziehen und begrüße ihn. Tatsächlich zentralisieren aber die neuen Vorschläge nicht die Finanzmarktaufsicht, sondern es wird ein weiterer bürokratischer Moloch geschaffen. Die EU selbst hat in den letzten Jahren bereits drei zusätzliche Behören (ESA, EBA und ESMA)* sowie das European Systemic Risk Board“/ESRB eingerichtet. Die nationalen Aufsichtsbehörden bestehen daneben weiter. Und mir ist nicht bekannt, dass nationale Aufgaben an die supranationalen Behörden übertragen wurden.

Die faktischen Aufgabenabgrenzungen zwischen den verschiedenen europäischen und nationalen Behörden sind längst nicht klar und inkonsistent. Alle überschütten den Finanzsektor mit eine Fülle von Regularien, letztlich auch um die eigene Existenz zu rechtfertigen. Ich glaube persönlich nicht, dass diese Behörden in der Summe wirklich effizient arbeiten können und sich stets sauber und ohne gegenseitigen Neid sinnvoll abstimmen. Erst Recht zweifele ich daran, dass in diesem Kompetenzwirrwar das europäische Finanzsystem wirklich stabiler wird und eine neue Finanzkrise verhindert wird. Spätestens nach dem nächsten Knall auf den Finanzmärkten wird man sich hier an die eigene Nase fassen.

Unten habe ich außerdem die Argumente des Sachverständigenrates gegen eine Aufsicht bei der EZB angehängt.

zu 3. Ich bin prinzipiell gegen staatliche Unterstützungsfonds für Banken und Unternehmen. Banken können gern einen eigenen Versicherungsfonds einrichten, der ihre jeweiligen Ausfallrisiken absichert. Die Banken werden dann untereinander für markt- und vor allem risikogerechte Prämien sorgen. Banken, die sich nicht absichern wollen sind entweder so gut, dass sie das nicht brauchen oder sie zahlen am Markt entsprechende Prämien für aufgenommene Gelder.

Ich habe an anderer Stelle bereits über die Fehlanreize aus expliziten und impliziten Staatsgarantien geschrieben und will das nicht noch einmal aufwärmen. Siehe dazu

Mein Fazit

 

Mich überzeugt das Konzept der Bankenunion nicht. Die viel tiefer liegenden Probleme in der Eurozone werden dadurch nicht gelöst, sondern bestenfalls verschleiert. Bestenfalls kann man die Bankenunion als einen weiteren Beleg dafür ansehen, dass es sich bei der Schuldenkrise in Wirklichkeit um eine Gläubigerkrise handelt.


* Die neuen Aufsichtsbehörden

  • EBA: die Europäische Bankenaufsichtsbehörde, deren Aufgabe die Beaufsichtigung von Banken, einschließlich der Beaufsichtigung der Bankenrekapitalisierungen, die Koordinierung zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden und die Beilegung von Streitigkeiten zwischen ihnen ist,
  • SMA: die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, die die Kapitalmärkte beaufsichtigt, und
  • EIOPA: die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, die für die Versicherungsaufsicht zuständig ist

Argumente des Sachverständigenrates gegen eine Aufsicht bei der EZB

 

Weit schwerer wiegen Argumente, die gegen eine direkte Einbeziehung der Notenbank
in die Aufsicht sprechen (Jahresgutachten 2012/13, S. 176).

Erstens führt eine Ansiedlung von Aufsicht und Geldpolitik unter einem Dach zu Zielkonflikten. Beispielsweise könnte eine Notenbank, die zugleich Aufsichtsfunktionen innehat, davor zurückschrecken, ihre Zinsen zu erhöhen, wenn sich hierdurch die finanzielle Lage der Banken verschlechtern würde. Solche Zielkonflikte gefährden die Unabhängigkeit der Notenbank von der Politik. Wird die Notenbank mit verschiedenen und möglicherweise im Konflikt zueinander stehenden Zielen beauftragt, ohne dass sie gleichzeitig die erforderlichen Instrumente zur Durchsetzung dieser Ziele erhält, besteht ein erhebliches Risiko, dass die Geldpolitik für Aufsichtsziele und damit letztlich fiskalische Zwecke instrumentalisiert wird. Die Gipfelbeschlüsse zur Bankenunion können so interpretiert werden, dass zwar Aufsichtskompetenzen an die europäische Ebene abgegeben werden, um Banken direkt über den ESM finanzieren zu können, allerdings ohne der europäischen Ebene tatsächlich Eingriffsrechte einzuräumen (Ziffer 298). Diese wären insbesondere bei der Restrukturierung und Abwicklung von Banken erforderlich. Solange diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, sollte der jeweilige Mitgliedstaat, wie bisher, für seine Banken haften.

Zweitens steht der EZB, im Gegensatz zur nationalen Ebene, keine direkte fiskalische Institution gegenüber. Hieraus entsteht ein zusätzliches Risiko für die Geldpolitik, für fiskalische Ziele bei der Rettung von Banken eingespannt zu werden. Es muss ein unabhängiger Finanzierungsmechanismus etabliert werden, über den im Krisenfall fiskalische Ressourcen zur Verfügung gestellt werden können. Die Kontroll- und Verantwortungsstrukturen müssen so ausgestaltet werden, dass die Mitgliedstaaten die finanzielle Verantwortung nicht mit dem Argument auf die europäische Ebene abwälzen können, die europäische Aufsicht habe versagt und die Gemeinschaft müsse daher haften.

Drittens erfordert die Unabhängigkeit der Notenbank, dass diese außerhalb der üblichen demokratischen Kontrolle operieren kann. Im Gegensatz dazu muss eine Aufsichtsbehörde durch hinreichend demokratisch legitimierte Instanzen kontrolliert werden. Der Vorschlag der Europäischen Kommission versucht, diese Problematik zu lösen, indem er der EZB nur in Ansehung ihrer Aufsichtstätigkeit über Banken eine Rechenschaftspflicht gegenüber Europäischem Parlament und Ministerrat auferlegt. Allerdings wäre es besser, die Aufsicht von vornherein bei einer unabhängigen Behörde anzusiedeln, die sich demokratischer Kontrolle unterwerfen muss.

Weitere Literaturhinweise

ifo Schnelldienst 14/2012 zu Bankenunion
Working Paper European University Viadrina Frankfurt (Oder): Bankenrettung, Bankenaufsicht und Bankenunion
Deutsche Bank Research: EU-Bankenunion: kein Grund zum Jubeln

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