Die Puppenspieler von Anglo Irish und das Schweigen der Finanzwelt

by Dirk Elsner on 2. Juli 2013

Die Welt darf sich beim Irish Independent bedanken, dass sie das öffentlich gemacht hat, was viele Kritiker des Finanzsystems der “Elite” des Bankings schon immer unterstellt haben: Sie machen Kunden, Eigentümer und Steuerzahler zu Muppets. Der Tagesanzeiger hat den Skandal in 7 Akten aufbereitet.

A Message from the Banks
Das Management der Anglo Irish zeigte Irland und der Welt den Finger (Foto: flickr/Byzantine_K)

In den Mitschnitten, so die FAZ, entstehe der Eindruck, dass die Anglo-Irish-Banker gegenüber der Zentralbank das Ausmaß ihres Finanzbedarfs bewusst heruntergespielt hätten, um einen Notkredit nicht zu gefährden. „Das ist eine neue Dimension“, sagte [Notenbankchef]  Honohan. Die Notenbank prüfe rechtliche Schritte gegen die Banker.” .

Die staatlichen Garantien für die kontrollierte Auflösung der Anglo Irish Bank kosteten die irischen Steuerzahler etwa 30 Milliarden €, ist auf Wikipedia zu lesen. Die mittlerweile in Abwicklung befindliche Bank hat Irland in den Ruin und in die europäischen Rettungsfonds getrieben.

Man werde „zurückzahlen, wenn wir das Geld haben… also nie“, zitiert „Spiegel Online einen Vertreter des Hauses. Marcus Theurer kommentiert für die FAZ die Aufnahmen, die der Irish Idependent öffentlich gemacht hat, so:

“Die Kaltschnäuzigkeit der „Bankster“, ihre atemberaubend vulgäre Sprache und ihre dummdreisten Erpressungsversuche gegenüber handzahmen Aufsichtsbehörden – jeder kann all das nun mit eigenen Ohren hören, und viele sehen ihre schlimmsten Befürchtungen über die Auswüchse im Finanzgeschäft bestätigt.”

Das Handelsblatt meint, die Telefonate zeigen “die ganze Verachtung der Banker gegenüber Politik und Kunden”. Die gewählte Tonart der Spitzenmanager ist weder neu (siehe z.B. Zusammenstellung der SZ) noch auf Banken oder auf Manager beschränkt. Neu ist nur, dass dies aufgezeichnet und nun in die Öffentlichkeit gespielt wurde.

Die aufgedeckten Telefonate zwischen Führungskräften Anglo Irish Bank sind ein echtes Pulverfass vor allem für die Banken, die sich um eine Änderung ihres Images bemühen. Der Finanzminister Schäuble schimpft: "Diese Banker gefielen sich offensichtlich in der Rolle von abgehobenen Übermenschen, die nur Verachtung für ihre Mitmenschen haben". Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel befürchtet gar, dass es diese Tonalität bankübergreifend gäbe. "Sie ist für Menschen, die ganz normal jeden Tag zur Arbeit gehen, die ihr Geld verdienen, einfach nur ganz, ganz schwer zu verkraften, um nicht zu sagen, gar nicht zu verkraften", fügte sie laut Handelsblatt sichtlich erbost hinzu. "Deshalb habe ich dafür wirklich nur Verachtung."

Nach dieser Branchenschelte bin ich umso erstaunter, dass ich bisher kaum über offizielle Reaktionen aus Bankenkreisen lesen konnte. Auch die Verbände, die sonst nicht müde werden, Fehlverhalten insbesondere der Politiker zu kommentieren, fallen in alte Verhaltensmuster zurück und schweigen über das Versagen der eigenen Zunft. Aussitzen und wieder einmal hoffen, dass ein Kelch an der Branche vorbei geht?

Nicht nur das irische Blut kocht. Ich kenne eine Reihe von Mitarbeitern und Führungskräften, die sich seit Jahren in Banken intensiv bemühen, das aufzuräumen, was eine Clique von arroganten Selbstüberschätzern angerichtet hat. Ihre kaum gewürdigten Mühen werden erneut beschmutzt. Und das wird wohl auch noch weiter gehen in den nächsten Jahren, wenn man sich nicht endlich traut, die Versäumnisse aufzuarbeiten.

Die Mitschnitte bestätigen einmal mehr gängige Klischees und Verschwörungstheorien, nämlich, dass

  1. viele Manager offenbar ihre Kunden, Mitarbeiter und Bürger für Muppets halten,
  2. staatliche Organe nicht so genau hinsehen, wenn es um das Finanzwesen geht. Nach den Medienberichten sollen die Bänder mit den Aufnahmen seit 4 Jahren bei der Polizei liegen.
  3. überall dort wo (finanzielle) Macht sitzt, Arroganz und Überheblichkeit verbreitet ist.

Nach drei staatlichen Untersuchungsberichten in Irland, will man jetzt die “ganze Wahrheit” aufdecken, ist zu lesen. Da gefriert mir das Schmunzeln. Immerhin gibt es in Irland Untersuchungsberichte. In Deutschland hält man das ja nicht für nötig, wie Gerard Schick im vergangenen Jahr hier im Blog bedauerte.

Irland musste auch wegen der miesen Geschäfte von Anglo Irish unter den europäischen Rettungsschirm. Mit 17,7 Mrd. haften die europäischen Steuerzahler für die “verachtenswerten Entgleisungen”. Dafür will man, glaubt man Irlands Notenbankgouverneur Patrick Honohan, hart durchgreifen. Er droht mit Berufsverbot und Geldstrafen. Das ist natürlich lächerlich und wird den Managern in ihren Luxusdomizilen ein nur noch höhnischeres Grinsen entlocken.

Unsere Empörungsöffentlichkeit verlangt natürlich wie immer in solchen Fällen Reaktionen. Bringt das was? Vielleicht hat Rainer Hand ja Recht mit seiner Feststellung recht:

“Moralisieren erleichtert die Seele des zornigen Bürgers, nützt ansonsten aber nicht viel. Es ist in vielen Jahrhunderten den besten Moralisten nicht gelungen, die Schlechtigkeit der Menschen abzuschaffen, da nützt auch der dreiundzwanzigste „Kulturwandel“ nichts.”

Er schlägt deswegen vor, “die Banken so zu regulieren, dass auch Halunken dort wenig anrichten können.” Nur wie soll das funktionieren? Er fordert dazu strengere Eigenkapitalanforderungen. Ich halte das für nicht zielführend, will das aber heute nicht vertiefen.

Ich glaube, die Finanzbranche ist nun erst selbst erst einmal dran, Anglo Irish zu verstehen und aufzuarbeiten. Die Politik selbst täte gut daran, sich endlich einmal wirkliche Alternativen zu den ewigen Bankenrettungen zu überlegen. Sie muss außerdem per se bei jeder Maßnahme davon ausgehen, dass “moral hazard” dominiert. Auch wenn das Schlagwort so häufig verwendet wird, ist überhaupt nicht klar, welche Maßnahmen aus seinem latenten Vorhandensein abzuleiten sind.

Und wir Kunden? Wie haben eigentlich viel mehr Macht als wir denken  und könnten ebenfalls reagieren. Wir tun es aber nicht. Nur ein kleiner Bruchteil der sich aufregenden Menschen und handelnden Personen in Unternehmen wird überhaupt aktiv und stellt seine Bankverbindung in Frage.

PS

David Drumm, der ehemalige Chef von Anglo Irish hat sich übrigens mittlerweile entschuldigt. Die Details dazu kann man auf Wirtschaftswoche Online nachlesen. Ich finde das zu spät. Außerdem ist die Entschuldigung nur unter öffentlichen Druck entstanden.

Karl-Heinz Thielmann Juli 2, 2013 um 06:59 Uhr

Eine kleine Ergänzung: Großbritannien ist bisher das einzige Land gewesen, dass sich ersthaft um eine Aufarbeitung des Verhaltens von Bankmanagern bemüht hat, u.a durch die Einsetzung von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen (die im Gegensatz zum deutschen Hypo Real Estate Ausschuss die Gründe für die Krise und nicht nur das Verhalten von Politikern analysieren) und dem Verbot von Geschftspraktiken wie der Provisionsberatung. Ich kann jedem nur empfehlen, sich mal den Report der Untersuchungskommission zum Untergang von HBOS anzusehen (leider nur auf Englisch verfügbar), der schon vielsagend betitelt ist: „An accident waiting to happen“:

http://www.parliament.uk/business/committees/committees-a-z/joint-select/professional-standards-in-the-banking-industry/news/an-accident-waiting-to-happen-the-failure-of-hbos/

Liest sich teilweise so spannend wie ein Kriminalroman.

Eines zeigt der Report sehr deutlich. Es gab schon Jahre vor dem Zusammenbruch deutliche Warnsignale, die aber insbesondere von der Finanzaufsicht ignoriert wurden. Mehr Regulierung nützt nichts, solange die Regulierer völlig inkompetent sind oder sogar als Mittäter agieren.

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