Banken können auch anders: Handelsbanken, das ignorierte Vorbild

by Karl-Heinz Thielmann on 14. Januar 2014

Es ist ja nicht nur in diesem Blog üblich geworden, über Banken zu schimpfen. Dirk Elsner hat dies in seinem Beitrag „Die fundamentale Bankenkritik der FAZ“ vor ein paar Tagen thematisiert. Im Zentrum der aktuellen Bashing-Welle steht das Buch von Anat Admati und Martin Hellwig. “Des Bankers neue Kleider. Was bei Banken wirklich schiefläuft und was sich ändern muss“.

Das Buch ist in zwei Teile geteilt, Teil I „Schulden, Bankwesen und Risiko“. In diesem Abschnitt sind tatsächlich viele der zweifelhaften Phänomene des heutigen Finanzwesens korrekt beschrieben worden. In Teil II „Warum Banken mehr Eigenkapital einsetzen sollten“ wird allerdings suggeriert, dass die Probleme der Finanzbranche sich vor allem durch mehr Eigenkapital lösen lassen.

Ich habe schon in meinem Kommentar zu dem oben angesprochenen Beitrag angemerkt, dass ich dieses Argument für viel zu simpel halte. Mehr Eigenkapital hilft natürlich, um die destabilisierenden Wirkungen von Bankzockereien auf die Gesamtgesellschaft zu vermindern. Es nützt aber nichts, um diese zu verhindern. Um Banken wirklich zu entschärfen, muss man die Anreizmechanismen abschaffen, die diese zu finanziellen Zeitbomben machen.

Man kann viel theoretisieren und über Banken im Allgemeinen schimpfen. Stattdessen sollte man aber mal schauen, was in der Praxis schon besser gemacht worden ist als bei den Finanzkrisenverursachern. Und hier lohnt wieder mal der Blick nach Skandinavien, wo es tatsächlich sogar eine Großbank gibt, die durch die letzten Krisen relativ unbeschadet durchgekommen ist: Handelsbanken.

Ich denke, es lohnt sich herauszuarbeiten, was diese Bank anders macht als ihre destruktiven Wettbewerber in Deutschland, USA oder sonst irgendwo. Dann kann man sehen, dass Eigenkapital zwar wichtig, aber nicht der entscheidende Faktor ist.

Handelsbanken wurde ursprünglich 1871 von einer Anzahl prominenter schwedischer Unternehmen und Geschäftsleute als “Stockholms Handelsbank“ gegründet. Derzeit werden 11.000 Mitarbeiter in 24 Ländern beschäftigt. Hauptmärkte sind neben Schweden Dänemark, Finnland, Norwegen und Großbritannien.

Vor 40 Jahren wurde die Bank in einer Art umorganisiert, die sie bis heute maßgeblich von den meisten börsennotierten Finanzinstituten unterscheidet: Sie wurde dezentralisiert, die einzelne Filiale zum Mittelpunkt der Geschäftsaktivität erklärt. Als Unternehmensziel hat sich Handelsbanken vorgegeben, über den gesamten Konjunkturzyklus eine höhere Profitabilität als die direkten Wettbewerber zu haben. Dies soll durch eine höhere Kundenzufriedenheit, niedrigere Kosten sowie ein besseres Risikomanagement erreicht werden.

In den letzten 40 Jahren wurde das Profitabilitätsziel erreicht. Die Eigenkapitalrendite lang in diesem Zeitraum über dem Durchschnitt der direkten Wettbewerber. Hierbei ist auffällig, dass die Profitabilität von Handelsbanken insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten weit überdurchschnittlich war. Derzeit liegt die Eigenkapitalrendite bei 14,2%.

Handelsbanken hat immer auf eine überdurchschnittliche Ausstattung mit Eigenmitteln Wert gelegt. Die Eigenkapitalquote liegt derzeit bei 18,8% (Basel III, Tier I) und ist relativ hoch, aber noch weit von den Werten entfernt, die z.B. Anat Admati und Martin Hellwig oder anderen Bankenkritikern vorschweben.

Im Hinblick auf die Kundenzufriedenheit erzielt Handelsbanken in allen Tätigkeitsgebieten auch über längere Zeiträume führende Positionen bei Umfragen. So führt seit Einführung vor 25 Jahren Handelsbanken den schwedischen Index für Konsumentenzufriedenheit SKI deutlich an.

Erfolgreiches Kostenmanagement wird bei Handelsbanken vor allem an der „Cost to Income Ratio“ festgemacht, dem Verhältnis von Kosten zu Einnahmen. Bei dieser Kennzahl wurde in den ersten 3 Quartalen 2013 mit 46,4% ein im Sektorvergleich sehr guter Wert erzielt.

Beim Risikomanagement wird ein klarer Fokus auf die Vermeidung von Kreditausfällen gerichtet. Zudem hat sich Handelsbanken auf Kundensegmente spezialisiert, die relativ risikoarm sind. Weiterhin werden Mitarbeiter und Führungskräfte grundsätzlich nicht abschlussorientiert bezahlt, um falsche Anreize zum Eingehen unnötiger Risiken zu vermeiden.

Dies hat sich insbesondere während der schwedischen Immobilienkrise ab 1992 ausgezahlt, während der Handelsbanken als einzige Großbank nicht auf Staatshilfe angewiesen war. Auch durch die Finanzkrise 2008 ist diese Bank nur mit einem relativ moderaten Ertragsrückgang durchgekommen.

Eine Erfolgsbeteiligung erfolgt nur im Rahmen des Beteiligungsprogrammes Oktogonen, das an den langfristigen Unternehmenserfolg gekoppelt ist. Alle oberen Führungskräfte haben praktisch ihre gesamte Berufslaufbahn bei Handelsbanken verbracht und haben durchschnittlich 25 Jahre Betriebszugehörigkeit. Sie können als sehr erfahren und eng verbunden mit den langfristigen Zielen angesehen werden.

Wenn man fragt, was sich bei Banken ändern muss, kann ich den einfachen Ratschlag geben: Einfach das Business-Modell von Handelsbanken kopieren. Neben dem Fokus auf eine hohe Eigenkapitalausstattung gehören hierzu: Langfristige Bindung von Mitarbeitern an das Unternehmen, Abschied vom reinen Umsatzdenken, Fokus auf Kundenzufriedenheit, keine Boni und sonstige falsche Anreize sowie effektive Risikokontrolle.

Ich persönlich finde es erschreckend, wie gerade das Beispiel von Handelsbanken (und einiger US-Banken, die mit ähnlichen Strategien auch schon lange erfolgreich sind) in Deutschland konsequent ignoriert wird. Dies kann nur daran liegen, dass führende Banker für sich persönlich immer noch die größeren Vorteile von kurzfristiger Abzocke erhoffen; und ihren Aktionären dieses egal ist. Die gestern veröffentlichte Untersuchung des BAFIN zu Vergütungssystemen bei Banken hat wieder einmal erschreckend verdeutlicht, wie gravierend dieses Problem gerade hierzulande ist.

Insofern erscheint mir auch die Diskussion, ob Banken mehr oder weniger Eigenkapitalunterlegung für bestimmte Geschäfte brauchen, als eher nebensächlich. Risikoarmes und gleichzeitig profitables Banking ist möglich. Hierzu ist aber nicht nur mehr Eigenkapital, sondern vor allem ein echter Kulturwandel erforderlich. Dieser darf nicht nur aus dem Formulieren von Wohlverhaltensformeln bestehen, wie unlängst bei der Deutschen Bank. Nur wenn sich die Art und Weise ändert, wie die überwiegende Anzahl von Banken Geld verdient, kann sich wirklich etwas ändern.

jens Januar 15, 2014 um 15:46 Uhr

Bankenregulierung hin oder her-Meiner Ansicht nach konzentriert man sich viel zu sehr auf technische Fragen und vergisst dabei den Geamtzusammenhang :Solange die Finanzmarktakteure vor der eigentlich unlössbaren Aufgabe stehen, einen Überschuss an Finanzkapital gewinnbringend anzulegen, wird es m.E. keine nenneswerte Bankenregulierung geben. Die Banken wissen leider, was das Publikum wirklich von ihnen erwartet. Das betrifft auch die Frage der Staatshaftung: Deutschlands Nettoauslandsforderungen betragen bekanntlich rund eine Billion Euro. Deren Einbringlichkeit setzt aber vorraus, das D. Leistungsbilanzdefizite hinnimmt-was ich für ziemlich illusorisch halte. Ein solches Risiko lässt sich privatwirtschaftlich nicht stemmen. never ever.
Gruß, Jens

topperhopper Januar 15, 2014 um 13:20 Uhr

Kann man die Handelsbanken nicht mit den deutschen Sparkassen vergleichen? Dezentralisiert, viele Filialen, recht unbeschadet durch die Krise gekommen.

Allen Banken dieses Geschäftsmodell zu empfehlen, halte ich aber für zu einfach. Wenn man nur auf das Kreditausfallrisiko guckt – wer steckt dann noch Geld in die Forschung oder riskante, aber im Zweifel fortschrittliche Projekte?

VG

Karl-Heinz Thielmann Januar 15, 2014 um 17:38 Uhr

Handelsbanken lassen sich überhaupt nicht mit Sparkassen vergleichen. Es handelt sich schon um eine Universalbank, u.a. mit zentralem Risikocontrolling, Investment Banking etc. In Hinblick auf Kundenzufriedenheit bieten Sparkassen ein sehr gemischtes Bild.

Der zentrale Unterschied liegt in der Ablehnung von Boni als Leistungsincentive. Auch Sparkassen arbeiten an kurzfristigen Umsätzen orientiert. Handelsbanken hat mit Oktogonen ein Anreizsystem, mit dem der Mitarbeiter von der langfristigen Entwicklung des Unternehmens profitieren, gemessen am Aktienkurs . Es gibt aber keine individuelle Differenzierung und sie können dies frühestens im Alter von 60.

Mehr zu Oktogonen findet sich hier: http://www.eurofound.europa.eu/areas/qualityofwork/betterjobs/cases/se04handelsbanken.htm

Dirk Elsner Januar 14, 2014 um 08:06 Uhr

Sehr interessanter Beitrag mit einem guten Beispiel. Zum Schutz von
Admati und Hellwig muss ich aber hier noch ergänzend einwerfen, dass sie nicht behaupten, höheres Eigenkapital sei DAS Allheilmittel, sie sagen nur, dadurch könnten Banken wesentlich sicherer gemacht und die Funktionsstörung Staatshaftung vermieden werden. Und sie setzen sich intensiv mit den Gegenargumenten der Banken auseinander.

Das Buch taugt allerdings nicht dazu, um neue Geschäftsmodelle zu entwerfen. Das ist aber auch nicht ihr Anspruch. Da werden wir weiter auf andere Werke, die Best Practice oder eigene Ideen schauen müssen.

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