Paradigmenwechsel im Banking durch Bitcoin?

by Dirk Elsner on 2. Juni 2014

Meine Kolumne für das Wall Street Journal heißt “Der Bankenwandler”. Das Wort Paradigmenwechsel habe ich bisher genau einmal in den bisher 49 Ausgaben dieser Kolumne in die Tasten getippt (nämlich für die allererste). Auch für die Kolumne über wo Aktien kaufen habe ich den Begriff vermieden, weil ein Paradigmenwechsel im Kuhnschen Sinne mehr umfasst, als eine Digitalisierung analoger Dienstleistungen.

Aber wenn man sich das Bitcoin-Konzept genauer anschaut, dann hat es tatsächlich das Zeug zu einem Wechsel des Banking Paradigmas, sogar im Sinne von Thomas Kuhn. Und daran scheint fleißig gearbeitet zu werden.

Wall Street Journal: Bitcoin elektrisiert mittlerweile immer mehr Profis 

Um Bitcoin ist es zwar ruhiger geworden. Aber die Idee der virtuellen Währung versandet damit nicht. Im Gegenteil. Immer mehr Profis aus dem Finanzsektor glauben, das Konzept könne den internationalen Zahlungsverkehr verändern.

Ich will an dieser Stelle aber nochmal darauf hinweisen, dass ich unterscheide zwischen dem Bitcoin-Konzept und der aktuell verwendeten Version von Bitcoin. Auch wenn ich in der Zwischenzeit wieder einiges dazu gelernt habe, bleibe ich bei der in einer Beitragsreihe vertretenden Auffassung, das sich Bitcoins in er derzeitigen Fassung nicht eignen für große geschäftliche Abschlüsse sowie für margenenge Geschäfte.

Stärke des Konzepts

Die Stärke der Bitcoin-Idee liegt in dem Konzept und den Sicherheitsprotokollen, die als sehr sicher gelten (wobei das natürlich nicht für alle Ewigkeit gelten muss). Der Paradigmenwechsel besteht darin, dass Geldzahlungen und überhaupt digitale bzw. digitalisierbare Rechte nicht mehr über Konten bei Drittparteien wie Banken geleistet werden, sondern über ein Peer-to-Peer-Netzwerk direkt zwischen Zahler und Zahlungsempfänger. Das bedeutet, es gibt keine zentrale Verwaltungsinstanz, die das Konto führt, Überweisungen prüft und über ein Netz von Korrespondenzbanken und Clearingstellen ausführt (siehe auch How Different Bitcoin and Fiat Payments Really Are mit einer groben Skizze der unterschiedlichen Zahlungswege). Sein Konto führt damit praktisch jeder selbst. Zur Unterstützung kann man zwar verschiedene Wallet-Services nutzen. Diese haben aber tatsächlich eher die Funktion eines Portemonnaies und nicht die einer Bank.

Bargeldloser Zahlungsverkehr ist also national und international ohne Giro- oder Kreditkartenkonto möglich. Das 1000 Jahre alte Konto bei einer Bank (oder einem Zahlungsdienstleister) wird also überflüssig, theoretisch zumindest. Praktisch wird sich daran in absehbarer Zeit nichts ändern, weil Bitcoins in der derzeitigen Fassung 0.9.1 aus verschiedensten Gründen nicht das erforderlichen Vertrauen genießen und neben einigen hier von egghat dargestellten technischen Mängeln einen Deflationsdefekt aufweist. Die durch die Mengenbegrenzung eingebaute Deflation, an der sich übrigens auch nichts ändert, wenn man Bitcoin in tausendstel Bruchteilen verwendet, hemmt die Nutzung.

Nach meiner in der Kolumne geschilderten Wahrnehmung, interessieren und befassen sich aber immer mehr traditionelle Finanzinstitutionen mit dem Konzept. Sie versuchen die Schwächen der aktuellen Bitcoins für ein Bitcoin 2.0 oder gar ein EuroBitcoin oder DollarBitcoin, bei denen die Umtauschrisiken komplett eliminiert werden, zu überwinden. Und nicht vergessen sollten wir, dass Bitcoin nicht die einzige Kryptowährung ist.

Reizvoll wäre es, den Paradigmenwechsel einmal weiter zu denken und was er bedeutet für die verschiedensten Formen der Bank- und Finanzdienstleistungen und wie institutionelle Arrangements gestaltet werden müssten, um entsprechendes Vertrauen bei Privat- und Geschäftskunden aufzubauen.

PS

Der Bitcoin 1.0 scheint derweil vor einer Renaissance zu stehen. Nach dem Hoch im Herbst letzten Jahres, das den Preis für ein Bitcoin auf über 1160 US Dollar steigen ließ, und dem Verfall im Zuge der Mt. Gox-Pleite, hat der in US Dollar notierte Preis um über 44% auf 650 US Dollar zugelegt.

Hauke Hess Juni 2, 2014 um 10:50 Uhr

Wobei die Deflationsproblematik ja weniger die Nützlichkeit der Bitcoin als Zahlungsverkehrsvehikel ohne zwischengeschaltete „Mautstationen“ einschränkt, als die der Wertaufbewahrung.
Wenn ich es für nützlich halte, 10 BTC nach Timbuktu zu überweisen, dann erwarte ich mir aus dieser Transaktion ja möglicherweise mehr Nutzen, als wenn ich diese 10 BTC über 10 Jahre aufbewahre um aus der Wertzunahme aus eingebauten Deflationseffekten zu profitieren. Vor allem, wenn ich mein Gehalt teilweise oder vollständig in BTC (er)halte und meinen täglichen Lebensunterhalt ja ohnehin bestreiten muss und möchte. Auch Bitcoins kann man nicht essen!

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