Warum ich Bitcoin faszinierend finde, es aber dem Einzelhandel nicht empfehlen würde (I)

by Dirk Elsner on 6. Dezember 2013

Bitcoin ist weiter in aller Munde und macht weiter Schlagzeilen, wie zuletzt gestern. Da brach nämlich der Kurs um etwa 25% ein, weil Chinas Notenbank Bitcoins nicht als Zahlungsmittel „im eigentlichen Sinne“ akzeptiert, was nicht so besonders überraschend ist.

Einige halten Bitcoin bekanntlich für das neue Gold, andere halten es für einen großen Witz. Aber längst setzt sich die seriöse Presse ernsthaft mit der Kunstwährung auseinander, wobei das allein kein Qualitätsnachweis ist. “When will the people who called Bitcoin a bubble admit they were wrong?” fragte Timothy B. Lee auf der Webseite der Washington Post. Und sogar die FAZ hält Bitcoins – für mich überraschend – für eine mögliche Alternative (wobei die Fragen offen bleibt Alternative für was?). Joe Weisenthal, bis vor kurzem noch großer Kritiker von Bitcoin und Kolumnist für Business Insider, hat seine kritische Haltung übrigens jüngst revidiert und stellt dies dar in: I’m Changing My Mind About Bitcoin. Mich fasziniert die Eleganz des Konzeptes, gleichwohl halte ich die kryptografische Netzwährung für die Praxis aus verschiedenen Gründen noch nicht geeignet. Dafür musste ich allerdings etwas tiefer schürfen und versuche mit dem heutigen und zwei weiteren Beiträgen in der nächste Woche das gedankliche Gold zu verstehen.

Bitcoin sind virtuellen Verrechnungseinheiten, die über Computernetzwerke geschöpft, verwaltet und gesichert werden. Eine Währungseinheit in Bitcoin wird als coin (BTC) bezeichnet. Ein coin wiederum kann in nach dem Erfinder benannte Satoshi’s unterteilt werden. Ein STC entspricht dabei 0.00000001 BTC. Bitcoins, so lesen wir etwa in der Wikipedia, “können elektronisch beliebig zwischen den Teilnehmern überwiesen werden. Ihr Besitz wird durch den Besitz kryptographischer Schlüssel nachgewiesen. Jede Transaktion von Geldeinheiten wird mit einer digitalen Signatur versehen und in einer öffentlichen, vom gesamten Netzwerk betriebenen Datenbank aufgezeichnet. Die Geldeinheiten können an Online-Börsen gegen andere Währungen getauscht werden.” Das Konzept basiert auf dem Working Paper “Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System”, das “Satoshi Nakamoto” am 1.11.2008 über eine Mailingliste veröffentlichte.

Wirklich gut erklärt haben die Funktionsweise Harald Bögeholz und Fabian A. Scherschel in der vorletzten C´t in “Währung im Kollektiv” (paid content). Auf vier Seiten stellen sie das Konzept und die Sicherheitsmechanismen in verständlicher Weise dar.

image
Bitcoin Preis in US Dollar November 2013 bis gestern
(Screenshot bitcoinity.org, Kurse Mt Gox)

Sicherheitsphilosophie und Mining

Dort lernt man auch, warum die Währung so fälschungssicher ist. Sie stellen dar, wie robust das System gegen Störungen ist, “etwa wenn das Netz vorübergehend in mehrere Teile zerfällt oder wenn zufällig zwei Miner gleichzeitig jeweils ihren gelösten Block veröffentlichen. Aber auch gegen Manipulationen ist das das rechenintensive Mining gut geschützt.” Ein Angreifer, der das System manipulieren wollte, müsste mehr Rechenleistung aufbringen als alle ehrlichen Teilnehmer des Systems zusammen.”* Mit dieser Technik ist eine faszinierende Philosophie umgesetzt, die man zumindest mal gedanklich auf andere Anwendungsbereiche ausdehnen sollte.

Auch sonst macht der Artikel deutlich, wie ausgeklügelt das System ist. Man lernt aus dem Beitrag auch, dass das sogenannte “Mining” nicht allein dazu dient, neue Bitcoins zu schöpfen, sondern vor allem Transaktionen bestätigt und sie erst sicher macht. Stellen die Miner ihre Aktivitäten ein, würden Zahlungen in der Kryptowährung nicht mehr verifiziert werden können (siehe dazu auch ZEIT Die Chronisten der Bitcoin).

Ergänzend zum Mining noch etwas, was ich in Daniel Kerschers Bitcoin-Buch gefunden habe:

Bitcoins werden durch das sogenannte Mining erzeugt. In diesem Prozess werden die Transaktionen der Bitcoins in Blöcken verarbeitet und verifiziert. Diese Blöcke werden dann einem öffentlichen Transaktionsprotokoll, der Block Chain, hinzugefügt, in der alle erfolgreichen
Transaktionen verzeichnet sind. Die Mining-Tätigkeit ist aufgrund ansteigender Schwierigkeitsgrade sehr komplex und erfordert umfangreiche technische Kenntnisse, eine große Rechenleistung sowie einen erheblichen Stromverbrauch. Für diesen Einsatz erhalten die
Miner, diejenigen, die Computer und Rechenleistung zur Verfügung stellen, eine Gegenleistung, denn jeder gelöste und zur Block Chain hinzugefügte Block enthält derzeit 25 neue Bitcoins.”

Woher kommt die 21 Millionen BTC Obergrenze?

Aus dem noch deutlich tiefer bohrenden Beitrag von Dennis Assenmacher, Bitcoin und E-Commerce, erfährt man übrigens auch, warum es die Begrenzung auf 21. Mio. Bitcoins gibt. Er schreibt:

Jeder gefundene Block berechtigt zur Generierung einer bestimmten Anzahl von Bitcoins durch eine initiale Transaktion. Es ist die einzige Möglichkeit, coins zu erzeugen und in den Umlauf zu bringen. Das Problem der initialen Verteilung der Währung wird damit nebenbei gelöst. Die Belohnung für das Finden eines Blockes betrug anfänglich 50 BTC und wird nach jeweils 210.000 Blöcken halbiert. Die maximale Anzahl der sich jemals im Umlauf befindlichen Bitcoins kann folgendermaßen berechnet werden:

image

Insgesamt werden in Zukunft also höchstens 21 Millionen Bitcoins im Umlauf sein. Berücksichtigt man, dass die kleinste Stückelung von coins, also ein Satoshi genau 0.00000001 BTC betragen, lässt sich die Anzahl an Blöcken bestimmen, die benötigt werden, um alle Bitcoins auszuschütten. Es ist zu beachten, dass drei viertel der maximalen Bitcoins bereits nach ca. 420.000 Blöcken also nach ungefähr 8 Jahren ausgeschüttet werden.”

Man erfährt aus dem C´t-Artikel außerdem etwas über die Kapazitätsgrenzen. So soll etwa die die Kreditkartenfirma Visa in der Weihnachtszeit über 10.000 Transaktionen pro Sekunde verarbeiten. Das Bitcoin-Protokoll verkraftet derzeit maximal sieben Transaktionen pro Sekunde verarbeiten. Allerdings ist diese Grenze künstlich festgelegt und lässt sich verändern. Die Grenze soll verhindern, dass die Blockchain nicht zu schnell wächst. Die Blockchain dokumentiert alle Transaktionen mit Bitcoins. Sie kann über blockchain.info/de eingesehen werden.  Dort kann man übrigens auch die Transaktionen in Bitcoins verfolgen.

Wichtig für die Transaktionen sind außerdem folgende Informationen (Quelle Wikipedia):

“Bitcoin verwendet ein Peer-to-Peer-Netzwerk, um Geldzahlungen zwischen den Teilnehmern zu übermitteln und zu speichern. Eine Zahlung kann nicht widerrufen werden, nachdem sie durch das Netzwerk bestätigt wurde. Die Bestätigung einer Zahlung dauert etwa zehn bis sechzig Minuten, wobei die Bestätigung umso verbindlicher wird, je länger sie zurückliegt. Zur Durchführung einer Zahlung kann eine Gebühr abgeführt werden, wobei Zahlungen mit höheren Gebühren bevorzugt bestätigt werden. Der Besitz von Geldbeträgen wird durch den Inhalt einer elektronischen Geldbörse nachgewiesen, welche kryptographische Schlüssel enthält. Die Verwendung des eigenen, privaten Schlüssels ist erforderlich, um die Durchführung einer Zahlung zu autorisieren. Die privaten Schlüssel als solche müssen bei diesem Verfahren nicht offenbart werden. Die Geldbörse muss jedoch gegen Verlust durch Ausspähen und Schadsoftware geschützt werden.”

Kein elektronisches Geld

Laut Christoph Sorge von der Universität Paderborn ist Bitcoin kein elektronisches Geld (sogenanntes E-Geld) im Sinne des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes. Dies würde nach § 1a eine Forderung gegenüber einem Emittenten erfordern (siehe auch Präsentation für die Bundesbank). Dies ist bei Bitcoins nicht der Fall. Bitcoin lebt wie jedes andere Zahlungsmittel vom Vertrauen, dass dies auch nach Erhalt für die Begleichung von Schulden eingesetzt werden kann.

In der Wirtschaftspraxis spricht juristisch derzeit überhaupt nichts dagegen, dass Forderungen statt in Euro, Dollar oder Yen durch eine Bitcoin-Transaktion beglichen werden, wenn sich beide Seiten darauf verständigen. Insbesondere für internationale Zahlungen kann das vorteilhaft sein, zumal die reinen Transaktionsgebühren für Zahlungen in Bitcoin verschwindend gering sind (sie sind aber nicht Null).

Bis hierhin deckt sich meine Auffassung noch mit denen der Anhänger der Netzwährung. Was die Bitcoin-Vertreter aber meist vernachlässigen sind die gesamten Transaktionskosten, die ein Händler berücksichtigen muss, wenn er eine solche Zahlungsform anbietet. Und zu diesen Transaktionskosten gehören auch die Risikokosten. Darum geht es in dem Beitrag am nächsten Mittwoch. In einem Beitrag am Montag versuche ich, hier einen Bezahlprozess mit Bitcoins grafisch zu skizzieren.


* Dennis Assenmacher spricht in seinem Text übrigens davon, dass ein Angreifer 50% der gesamten Rechnerkapazitat des Bitcoin Systems benötigt (S. 8).


Zwei interessante Beiträge möchte ich hier als Nachtrag zu diesem Beitrag empfehlen:


Diese Beitrag ist eine deutlich erweiterte Fassung eines Beitrags, den ich für die Webseite der CFOWorld geschrieben habe.


Hintergrund

Dennis Assenmacher: Bitcoin und E-Commerce

Blick Log:  Neuer Hype um Bitcoin: Muss man die Cyperwährung haben?

Blick Log: BITCOIN schon genutzt? Der Erfahrungsbericht eines Lesers

Blick Log: Bitcoin kommt gerade erst in der Realität an

Hier weitere Texte zum Einlesen (Danke Vera)

Vera Bunse: Bitcoin: Aussichtsreich, gefährlich oder was?

Beate Reszat: Bitcoin: Nicht mehr nur für Träumer, Nerds und Spekulanten

Beate Reszat: Bitcoin fasst in Europa Fuß

Ulrich Voss: Warum steigen Bitcoins immer weiter?

Felix Dezember 6, 2013 um 14:55 Uhr

Ein schöner Überblick über den Bitcoin. Mir persönlich kommen solche Entwicklungen etwas gespenstisch vor, denn immer mehr Werte geraten auf diese Weise in die Aura des Nicht-Anfassbaren und Manipulierbaren.

Karl-Heinz Thielmann Dezember 6, 2013 um 07:52 Uhr

„Ein Angreifer, der das System manipulieren wollte, müsste mehr Rechenleistung aufbringen als alle ehrlichen Teilnehmer des Systems zusammen.“ Wenn dies das Hauptargument für Sicherheit bei Bitcoins ist, dann können wir schon mal Wetten abschliessen, wieviele Monate es dauern wird, bis es geknackt wird.

„In the end, everything is a toaster“ hat Bruce Greenwald einmal über Hypeprodukte gesagt, die auf einem technologischen Vorsprung beruhen. Alles hat ein Verfallsdatum, auch Bitcoins. Im Übrigen haben wir hier wieder ein schönes Beispiel für Storytelling: Erst nachdem Bitcoins gestiegen sind, hat man sich überlegt, warum sie vielleicht doch nicht so doof sind.

Die Kursentwicklung von Bitcoins ist nur von Herdentrieb und Gier getrieben und verläuft exakt nach den gleichen Verlaufsmustern wie seit der Tulpenzwiebelhausse vor 400 Jahren alle Spekulationsblasen. Das einzige, was ihr Aufstieg mir sagt, ist dass Menschen aus der Geschichte offensichtlich nichts lernen.

Dirk Elsner Dezember 6, 2013 um 09:24 Uhr

Moin Karl-Heinz,
ich sehe die von Dir genannten Kritikpunkte ähnlich, will aber dennoch einmal das Phänomen aus Sicht eines Warenverkäufers beleuchten. Deutlich wird das vor allem in einem Beitrag am kommenden Mittwoch.
Das Entschlüsselungsproblem sehen die Vertreter von Bitcoin übrigens auch und verstecken sie gar nicht.
Zum Beispiel hier
https://de.bitcoin.it/wiki/Mythen#Quantencomputer_w.C3.BCrden_die_Sicherheit_von_Bitcoin_zunichte_machen
Dennoch bleibt das Grundkonzept spannend.
Ich glaube nicht, dass Bitcoin selbst die Zukunft des Handels sein wird. Aber wir lernen alle eine ganze Menge aus dem Konzept vielleicht eine ganze Menge für die Konstruktion eines Bitcoins 2.0

queue Dezember 6, 2013 um 16:44 Uhr

Die Manipulationsmöglichkeiten eines Angreifers mit mehr Rechenleistung als das gesamte restliche Netzwerk sind aber beschränkt. Er könnte eigene Zahlungen rückabwickeln (also eigene Bitcoins doppelt ausgeben und den ersten Empfänger betrügen) oder die Bestätigung fremder Transaktionen blockieren. Außerdem kann mit den anderen Minern Hase und Igel spielen, also immer, wenn die einen Block errechnet haben, „Ich bin schon da!“ rufen, so dass sie leer ausgehen.

Er kann keine Bitcoins außerhalb des Regelwerks erschaffen und auch nicht an fremde Bitcoins kommen.

Die Kosten einer solchen Attacke werden derzeit auf 2,3 Mrd. $ geschätzt, weil das Netz derartig schnell wächst, dass es schwer ist, schneller Rechenleistung aufzubauen. Wenn man einen bestehenden Mining-Pool übernimmt entsprechend weniger. Allerdings hat niemand, der in Bitcoin-Mining investiert, ein Interesse, dem System derart zu schaden. Daher verlassen Miner auch Pools, die einen zu hohen Anteil an der gesamten Rechenleistung haben.

Comments on this entry are closed.

{ 7 trackbacks }

Previous post:

Next post: