Mangelhafte Prognosen zu den US-Wahlen: Trumps Sieg ist kein Schwarzer Schwan

by Dirk Elsner on 14. November 2016

In der vergangenen Woche konnte man mehrfach lesen, der Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl habe viele Prognostiker auf dem falschen Fuß erwischt. Tatsächlich sagten die meisten Umfragen und auch die Vorhersagemärkte einen Sieg von Hillary Clinton voraus. Das Fachmagazin Politico sieht in dem Triumph von Trump sogar einen Schwarzen Schwan (dazu gleich mehr).

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In meinem Live-Blog zur Wahlnacht habe ich die wichtigsten Veränderungen der Vorhersagemärkte dokumentiert. Solche Vorhersagemärkte, das zeigen immer wieder Untersuchungen, sollten eigentlich aussagekräftigere Schätzwerte aufweisen als traditionelle Meinungsumfragen. Das Besondere an diesen ist, dass dort Prognosen laufend gegen Geld gehandelt werden und somit die frei verfügbaren Informationen in Echtzeit in die Vorhersagen einfließen können. Ich habe dazu schon vor langer Zeitdiesen unddiesen Blogeintrag geschrieben. An meiner Einschätzung hat sich grundsätzlich nichts geändert.

Bevor man solche Instrumente in Bausch und Bogen verdammt möchte ich hier noch einmal betonen, dass keiner der beobachteten Vorhersagemärkte eine hundertprozentige Siegeserwartung formuliert hatte. Eine Siegeswahrscheinlichkeit von 80% zeigt eine gewisse Unsicherheit an und schloss einen Sieg Trumps nie aus. Tatsächlich hat Hillary Clinton landesweit nach der CNN-Darstellung auch 650.000 Stimmen mehr erhalten als Donald Trump. Aber offenbar haben die Vorhersagemärkte das US-Wahlmännersystem nur unzureichend abgebildet.

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Vorläufiges Wahlergebnis lt. CNN

Warum Trumps Wahlsieg kein Schwarzer Schwan war

Der Sieg von Donald Trump ist kein, ich betone kein, Schwarzer Schwan. Wer das in diesem Fall behauptet, der hat das Konzept des Schwarzen Schwans nicht verstanden. Ein Schwarzer Schwan ist ein unbekanntes Ereignis, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit als äußerst gering angesehen wird und große Auswirkungen hat. Populär gemacht hat die Denkfigur des Schwarzen Schwans, die auf den Philosophen Karl Popper zurückgeht, der Risikoforscher und PhilosophNassim Nicholas Taleb mit seinem gleichnamigen Buch.

Die Möglichkeit das Trump Präsident werden könnte, gehörte bei der Wahl vergangene Woche stets zum Möglichkeitsraum. Und bei einer erwarteten Wahrscheinlichkeit von ca. 25% kann man keinesfalls von einer geringen Wahrscheinlichkeit sprechen (siehe auch Newsweek: Why Donald Trump’s Election Victory Isn’t a ‚Black Swan Event‘).

Es lässt sich mit Taleb analog zur Finanzkrise 2007 bis 2009 argumentieren. In seiner 2. Auflage zum “Schwarzen Schwan” (in Deutschland als Buch “Konsequenzen aus der Krise” erschienen) schreibt er (S. 24): Die Krise von 2008 “war zwar alles Mögliche, aber kein Schwarzer Schwan, sondern lediglich das Ergebnis der Fragilität von Systemen, die auf Nichtwissen im Hinblick auf das Konzept der Ereignisse vom Typ des Schwarzen Schwans – und seiner Leugnung – aufgebaut waren. Wir wissen ja mit Sicherheit, dass ein von einem inkompetenten Piloten geflogenes Flugzeug irgendwann abstürzen wird.”

Vorhersagemethoden anpassen?

Nach einer solchen Wahl ist man immer schlauer. Beobachter und “Experten” verurteilen dann ex-post stets diejenigen, die daneben und feiern diejenigen die richtiggelegen haben. Bei den Wahlen 2008 und 2012 konnte Nate Silver die Vorhersagelorbeeren ernten und wurde in den Guru-Status erhoben. In diesem Jahr lag er daneben und musste sich Kritik anhören.

Nur, was soll diese Kritik? Wissen es die Kritiker besser? Natürlich nicht. In diesem Jahr lag die LA Times und das mir bisher unbekannte KI-System Mog-IA mit ihren Vorhersagen richtig. Vermutlich werden diese Orakel nun in den Guru-Status erhoben, um dann beim nächsten Mal wieder verkehrt zu liegen.

Gibt es eine Krise der Demoskopie? Ich halte das für Quatsch, denn viele Vorhersagen bewegten sich immer schon an der Grenze zur Wahrsagerei. Sicher lassen sich Umfrageverfahren stets weiter verbessern. Tetlock und Gardner machen dazu in ihrem Buch Superforecaster viele interessante Vorschläge gemacht. Sie verbreiten aber gar nicht erst die Illusion, das es sichere Vorhersagen für unsichere Ereignisse geben kann.

Ich bleibe weiter bei den Prognosemärkten. Sie können unglaublich genau sein, wie Adam Mann gerade für Spektrum der Wissenschaft zusammengefasst hat. Die Stärke der Vorhersagemärkte ist außerdem die, dass sie deutlich machen, dass es keine sicheren Vorhersagen gibt.

Zur Vertiefung

Süddeutsche: Die Orakel haben versagt

Deutschlandfunk: Die blamierten Demoskopen

FAZ: Wie können Prognosen so sehr daneben liegen?

Spiegel Online: US-Wahlumfragen – Kaum zu glauben

Spektrum: US-Wahl: Die Krise der Demoskopie

Spektrum: Meinung: An der Grenze zur Wahrsagerei

Spektrum: US-Wahl: Warum lagen die Umfragen falsch?

WDR: Darum können Meinungsforscher rechte Wähler nur schwer einschätzen – Landespolitik – Nachrichten – WDR

Spektrum: Prognosemärkte: Die Wahrsager von heute

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