Nachdem die US-Regierung am Wochenende noch dem Investmenthaus Lehman Brothers das rettende Nest verweigert hatte, hat sie nun den Versicherungskonzern American International Group (Hintergrund hier) mit 85 Milliarden Dollar Krediten weich gebettet. Dafür hat sich die Federal Reserve eine Option auf eine 79,9%tige Beteiligung einräumen lassen und will sich über Vermögenswerte der Gesellschaft, insbesondere dem profitablen Versicherungsgeschäft, absichern lassen.
AIG hat die großen Verluste insbesondere durch riskante „strukturierte Finanzmarktprodukte“ ihrer Tochter Banque AIG erzielt. Damit sind die in diesem Blog in den letzten Tagen intensiv beleuchteten Credit Default Swaps (CDS) gemeint. Das Geschäft hat AIG in einer separaten Geschäftseinheit betrieben, die losgelöst war vom traditionellen Versicherungsgeschäft.
Die Gesellschaft ist nach Angaben des Wall Street Journal „major seller“ auf diesem Markt und hat Unternehmens- und Hypothekenkredite in der ganzen Welt abgesichert. Insbesondere die Immobilienkrise in den letzten Monaten hat viele Kreditereignisse der CDS ausgelöst und zu Zahlungsverpflichtungen und damit zu hohem Kapitalbedarf von AIG geführt.
Ein Ausfall von AIG hätte dazu geführt, dass weltweit Finanzinstitute, die mit diesen Instrumenten die Ausfallrisiken ihrer Kredite direkt oder indirekt über AIG abgesichert haben, plötzlich höhere Ausfallrisiken in den Büchern gehabt hätten. Die Konsequenz: Viele Banken hätten weitere Abschreibungen vornehmen müssen. Die Folge: Sie hätten sich weiteres Kapital beschaffen oder die Kreditvergabe einschränken müssen.
Auch deutsche Banken wären massiv von einer AIG-Insolvenz betroffen gewesen. Es wäre also aktuell interessant zu wissen, in welchem Umfang deutsche Institute sich über den CDS-Markt absichern. Dabei ist es unerheblich, ob sie sich über AIG oder andere Marktteilnehmer absichern. Der Ausfall von AIG hätte den 62-Billionen-Dollar Markt weiter ins Straucheln gebracht und hätte allein wegen der Markt- bzw. Absicherungslogik auch deutsche Institute betroffen.
Der Fall AIG offenbart eine weitere Lücke in der Regulierung des Finanzsystems. Die Division von AIG, die das CDS-Geschäft betrieben hat, unterlag nämlich weder der Versicherungsaufsicht noch der Bankenaufsicht. Der Fall macht auch mehr als deutlich, wie eng hier die Verzahnung zwischen den Sektoren ist.
Ich wage auch hier die Aussage, dass der bestehende enge und auch für die USA geltende Regulierungsrahmen durch Basel II nicht schuldlos an der Entwicklung ist. Denn letztlich haben die strengen Eigenkapitalvorschriften dazu geführt, Risiken aus dem Bankensektor heraus in nicht durch Basel II regulierte Bereiche zu transferieren. Eine Disziplinierung der Banken, ihre hoch riskanten Geschäfte zu reduzieren, wird so natürlich nicht erreicht.
Es darf weiterhin die Frage gestellt werden, wie ausgerechnet eine Versicherung so viele Risiken in ihr Portfolio aufnehmen konnte, ohne selbst ausreichende Sicherung zu betreiben. Auch hier behaupte ich, eine Ursache liegt in den falschen Anreizen für die Manager und Mitarbeiter des Unternehmens.
Abschließend muss man feststellen, dass die staatliche Stützung leider nachvollziehbar ist. Die Selbsthilfe der Finanzbranche untereinander wird so aber nicht gerade gefördert. Immerhin hat die US-Regierung durch das Lehman-Signal deutlich gemacht, dass sie es den Finanzinstituten so leicht auch nicht machen will.
Das Risiko für die US-Regierung könnte im Fall AIG auch überschaubar sein. Denn durch die Abtretung des hochprofitablen Versicherungsgeschäfts, besteht immerhin die Aussicht, ohne langfristig Belastung des Steuerzahlers aus der Transaktion zu kommen.
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