Wenn sich der Rauch an den Finanzmärkten gelegt hat, wird die Zeit kommen, nüchtern auf die Kontrolle der Finanzinstitute zu schauen. Der pauschale Ruf nach mehr Regulierung und stärkerer Kontrolle hilft wenig. Im Ergebnis gibt es viele Spuren, die zu möglichen Tätern führen. Mein Spurensuche führt mich zum Versagen der Regulierung, überzogenen Renditevorstellungen und falschen Anreizsystemen in vielen Banken.
1. Versagen der Regulierung
Zunächst sollte man fragen, warum der aktuelle Regulierungsrahmen versagt hat. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Möglicherweise tragen die Eigenkapitalvorschriften Basel II eine erhebliche Mitschuld an dem Dilemma. Diese Vorschriften haben erst dazu geführt, den Markt für Credit Default Swaps (CDS) so stark zu machen und Kreditrisiken verstärkt auf unregulierte Nichtbanken auszulagern.
Mit dieser Form der Absicherung hat die Sorgfalt der Banken bei der Kreditvergabe nachgelassen. Man konnte ja die Kreditrisiken für Darlehen an bonitätsschwache Kreditnehmer einfach weiter veräußern. Nicht übersehen werden sollte, dass durch die Informationsasymmetrien zwischen Verkäufer und Käufer von CDS opportunistisches (Moral-Hazard-) Verhalten gefördert werden kann. So hielt es bereits 2004 die Deutsche Bundesbank für denkbar, „dass Banken als kreditvergebende Stelle ihren Informationsvorsprung bezüglich der Kreditengagements dazu nutzen, den Sicherungsgebern überwiegend schlechte Risiken weiterzugeben.
Für den Sicherungskäufer könnte sich zudem der Anreiz vermindern, weiterhin mit der gleichen Intensität die Bonität des Referenzschuldners zu überwachen.“
Die Summe der Regulierungen hat außerdem zu einer Komplexität in der Bankensteuerung und einem Kostenapparat geführt, der mir kaum noch beherschbar erscheint. Die Ertragsspanne pro Geschäft muss deutlich höher liegen als noch vor 10 Jahren, um die mit den Regulierungsvorschriften verbundenen Kosten abzudecken. Da die Regulierung auch zu einer Fragmentierung von Entscheidungen in Front-, Middle- und Backoffice sowie zentraler Risikosteuerung zwingt, sind Verantwortliche für „schlechte Geschäfte“ kaum noch auszumachen.
2. Überzogene Renditevorstellungen
Jeder BWL-Student lernt heute: „There is no such thing as a free lunch.“ Ein Spruch, der dem Nobelpreisträger Milton Friedman zugeschrieben wird. Die moderne Modelle der Portfolio Theorie, die jeder Investmentbanker verinnerlicht haben sollte, besagt, dass sich die erwartete Rendite eines Wertpapiers zusammensetzt aus einem risikolosen Zinssatz und einer Risikoprämie, wobei die Risikoprämie sich aus dem Marktrisiko und dem Risiko des betrachteten Investment bestimmt. (Vgl. z.B. Principles of Corporate Finance von Richard A. Brealey, Stewart C. Myers, und Franklin Allen).
Im Klartext bedeutet dies, will ich eine höhere Rendite erzielen, muss ich bereit sein ein höheres Risiko einzugehen. Höheres Risiko bedeutet höhere Schwankungen in den erwarteten Erträgen und natürlich auch Verlusten. Eigenkapitalrenditen über 15%, wie häufig für Finanzinstitute als „normal“ angesehen werden, sind daher bei dem gegenwärtigen Kosten nur unter Inkaufnahme höhere Risiken möglich.
Immerhin scheint hier ein Prozess des Umdenken begonnen zu haben, wie noch in der FTD vom 11.9. nachzulesen war:
„Der Sprecher der Privatbank Sal. Oppenheim Matthias Graf von Krockow, hatte erst kürzlich gefordert: „Die Gier muss gestoppt werden.“ 15 Prozent nachhaltige Eigenkapitalrendite nach Steuern seien „mit einem normalen, soliden Geschäft einfach nicht machbar“.
„15 Prozent nach Steuern ist eine ziemlich willkürliche Zahl, die meiner Ansicht nach keine solide Grundlage hat“, sagt auch Ursula Walther, Professorin für Corporate Finance an der Frankfurt School of Finance. „Die Eigenkapitalrendite für sich alleine gesehen ist nicht aussagekräftig. Die zentrale Frage ist immer: Welchen Ertrag erwirtschaftet eine Bank bei welchem Risiko?“
Laut Josef Ackermann fordern allerdings die Investoren die hohen Renditen. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns mit 10 bis 15 Prozent begnügen werden.“ wird er im gleichen Artikel der FTD zitiert.
3. Falsche Anreizsysteme
Vom methodologischen Individualismus lernen wir, dass nicht eine Organisation verantwortlich ist für ein bestimmtes Verhalten, sondern dass in den Unternehmen nur individuelle Ziele und Strategien von Personen gibt. Die Anreizsysteme für Entscheidungsträger in Finanzinstituten weisen häufig eine hohe Asymmetrie zwischen Gut- und Schlechtleistungen auf. Im Klartext bedeutet dies. Durch erfolgsabhängige Boni können die Entscheidungsträger im Erfolgsfall vergleichsweise hohe Zahlungen erwarten. Ich erinnere mich an Berichte über Bonuszahlungen, die bei Investmentbanken schnell einen sieben- bis achstelligen Dollarbetrag erreichen. Umgekehrt wird bei Mißerfolg kein Malus berechnet. Es fällt lediglich der Bonus weg, im schlimmsten Fall der Arbeitsplatz. Selbst der Wegfall des Arbeitsplatzes wird in bestimmten Fällen sogar noch versüßt.
Insbesondere die Investmentbanker können somit mit der Aussicht auf hohe Bonus-Zahlungen ihre Institute in immer riskantere Anlagen getrieben haben.
Dass es hier eine Schwachstelle gibt, hat auch der Bundesverbands deutscher Banken (BdB) erkannt. Der Geschäftsführende Vorstand des BdB, Manfred Weber, hat vor zwei Wochen gegenüber Reuters gesagt, zur Bewältigung der Finanzkrise seien unter anderem Korrekturen an den Anreizsystemen für Banker erforderlich. Kritiker werfen den Geldhäusern vor.
Literaturhinweise:
Zwei interessante Papiere habe ich nach Fertigstellung dieses Artikels gefunden (PDF-Dokumente) und möchte darauf hinweisen:
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