Die Frequenz der dunklen Schlagzeilen um die Finanzkrise ist deutlich herunter getaktet in diesen Wochen. Damit ist die Zeit für Beobachter gekommen, mal das eine oder andere Thema aus den vergangenen Wochen etwas näher zu beleuchten. So ging mir am Feiertag während der Lektüre des Artikels “Mach’s noch einmal, Joe!” das Alpha-Tier-Verhalten einiger Manager nicht aus dem Kopf. Offenbar scheint es in dieser Finanzkrise einige Köpfe zu geben, für die es wichtiger war und ist, sich persönlich zu positionieren und zu profilieren als ihr Unternehmen zu unterstützen.
Damit meine ich nicht Ackermann, sondern Aufsichtsratschef Clemens Börsig, der sich wie auch immer angeblich selbst ins Spiel für Ackermanns Nachfolge gebracht haben soll. Zur Ehrenrettung von Herr Börsig soll aber auch eine Vermutung der Welt am Sonntag nicht unerwähnt bleiben: “Möglicherweise, so wird spekuliert, wurde der Vorstoß mit Börsig und Kagermann nur inszeniert, um Josef Ackermann die uneingeschränkte Unterstützung zu sichern. Dann hätte Börsig seinen Ruf zugunsten Ackermanns ruiniert – was nicht wirklich passt. Soviel Altruismus wäre beispiellos in der von Eigennutz geprägten Führungskultur der Deutschen Bank.”
Aber nun zum Alpha-Tierverhalten von vorwiegend männlichen Managern. Dazu konnte man schon vor 5 Jahren Harvard Businessmanager lesen:
“Viele erfolgreiche Manager sind Alpha-Tiere – selbstbewusst, energisch, dominant. Diese Charakterzüge lassen sie schnell Karriere machen, doch Mitarbeiter und Kollegen leiden häufig unter dem selbstherrlichen Führungsstil. … Hochintelligent, selbstsicher und erfolgreich: Etwa 70 Prozent aller Führungskräfte sind Alpha-Männer. Wie das Etikett impliziert, handelt es sich dabei um Menschen, die erst als Anführer glücklich sind – wenn sie das Sagen haben. Obwohl es viele erfolgreiche weibliche Führungskräfte mit ähnlich starker Persönlichkeit gibt, haben wir doch kaum eine gefunden, die das Alpha-Profil komplett erfüllt. Die meisten Menschen empfinden es als Stress, wenn sie Wichtiges entscheiden müssen; Alphas sind dagegen gestresst, wenn harte Entscheidungen nicht in ihren fähigen Händen liegen. Ihnen bietet das Tragen der Verantwortung einen solchen Nervenkitzel, dass sie bereitwillig ein Maß an Verantwortung übernehmen, das die meisten vernünftigen Menschen für zu groß hielten.”
Während das Gezerre um Ackermann Nachfolge ja noch hinreichend verständlich ist und daraus kein offensichtlicher Schaden für das Institut zu erwachsen scheint, ist der Fall des ehemaligen HSH Vorstands Frank Roth ganz anders gelagert. Hier hat offensichtlich einem Alpha-Männchen die eigene Positionierung über das Wohl seiner Bank gestellt. Und sollten die Vorwürfen sich als richtig erweisen, wäre die Chuzpe, mit der Roth agiert hat, angesichts des Zustands der Bank nicht nur ein Fall für den Staatsanwalt.
Eddie Erlandson und Kate Ludeman arbeiten in dem schon erwähnten Artikel noch einige Eigenschaften heraus, die Alphas zeitweilig zum Verhängnis werden:
“Die Alphas, mit denen wir zusammengearbeitet haben, denken sehr schnell. Dieses schnelle Denken kann sie davon abhalten, anderen zuzuhören – besonders wenn sie nicht in der Alpha-Sprache kommunizieren. Ihre Ungeduld kann dazu führen, dass sie subtile, aber wichtige Details nicht mitbekommen. Darüber hinaus haben Alphas zu allem eine Meinung und gestehen selten ein, dass ihre Einschätzungen falsch oder unvollständig sein könnten. Schon früh im Leben stellen Alphas fest, dass sie klüger sind als die meisten Menschen, vielleicht sogar klüger als ihre Eltern und Lehrer. Als Erwachsene glauben sie, dass ihre Erkenntnisse einzigartig sind, und vertrauen völlig ihrem Instinkt.
Weil sich ihre Intuition so oft als richtig erwiesen hat, fühlen sich Alphas berechtigt, sich auf die Schwachstellen bei Ideen und Argumenten anderer Menschen zu konzentrieren. Dadurch werden Mitarbeiter eingeschüchtert, was es wiederum schwer macht, von diesen Managern zu lernen. Je mehr Druck ein Alpha glaubt ausüben zu müssen, desto mehr tendiert er dazu, seinen Führungsstil von konstruktiv und herausfordernd auf einschüchternd und sogar beleidigend umzustellen. Unternehmen funktionieren nicht länger optimal, wenn Menschen den Umgang mit einem schwierigen Alpha meiden und stattdessen um ihn herum arbeiten oder ihm nach dem Mund reden. “
Diejenigen, die aufgrund dieser Eigenschaften gerade mal zum Alphatier mutieren wollen, seien aber gewarnt. “Aus Unsicherheit treten manche Manager besonders martialisch auf, schaffen sich eine Aura der Unnahbarkeit. Manch einer vergreift sich in Tonfall oder Wortwahl und gleicht dann mehr einem arroganten Besserwisser als einem souveränen Chef. Die Mitarbeiter stellen sich darauf ein und wissen, wann ein Gewitter aufzieht und sie sich warm anziehen müssen. Loyalität gegenüber der Führungskraft kann schnell einer zynischen Distanz Platz machen. Rasche Wechselbäder im Auftreten und Verhalten vergiften die Arbeitsatmosphäre, kreative Glanzleistungen darf solch ein Chef kaum erwarten”, schrieb Ingrid Weidner in der Computerwoche.
In die gleiche Richtung zielen Äußerungen des Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer in einem Interview mit Spiegel Online:
„Das Selbstgefühl solcher Chefs schreit dauernd: „Ich bin grandios, alle anderen sind Flaschen.“ Sie feiern mit der Abwertung der Mitarbeiter dauernd die eigene Stärke, Misserfolge werden auf die Unfähigkeit anderer reduziert, Widersprüche niedergebügelt. Solche Chefs umgeben sich gern mit Schmeichlern, die ihnen auch angesichts von Fehlern dauernd huldigen.“
Keine Informationen habe ich darüber gefunden, ob Alphatiere unter den Managern zu überzogenem Opportunismus neigen. Die oben genannten Eigenschaften sprechen aber dafür, dass Alphamanager weniger selbstkritisch sind und eher unter Selbstüberschätzung leiden. Selbstüberschätzung und Übertreibungen gehören aber auch zum Verhaltensmindset, dass die Finanzkrise begünstigt hat. Allein darauf die Ursache zu schieben, ist allerdings zu kurz gesprungen.
Weitere Literaturhinweise
Alpha-Tiere, 2007 by Redline Wirtschaft, Redline GmbH, Heidelberg, Kapitel 1
Andrew Campbell, Jo Whitehead und Sydney Finkelstein, Warum gute Manager schlecht entscheiden, HBM 5/2009
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