Managerbrief an Kanzlerin: „Gebt unser Spielzeug zurück“

by Dirk Elsner on 24. Mai 2009

Vorgestern rieb sich wieder einmal die Republik die Augen nach der Lektüre von Berichten wie diesen hier: “Manager setzen Merkel unter Druck” betitelte des Handelsblatt einen Artikel über einen Protestbrief von “zwölf namhaften Aufsichtsratsvorsitzende großer deutscher Unternehmen”, die darin von der Bundesregierung den Verzicht auf die Verschärfung bestimmter Regeln für Manager verlangen. Ohne auf die Inhalte im Detail einzugehen, jammern die Manager über ein Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (siehe hier den Entwurf des Gesetzes).

„In dem Brief bringen die zwölf Aufsichtsratsvorsitzenden ihr Missfallen darüber zum Ausdruck, ‚dass die Diskussion über Managergehälter ein falsches Bild der wirtschaftlichen Verantwortungsträger reflektiert‘. Die entsprechenden Pläne der Koalition seien nicht geeignet, da sie ‚die Vertragsfreiheit der Unternehmen stark einschränken und damit von vornherein deutlich Misstrauen signalisieren.“

Persönlich halte ich zwar ebenfalls wenig von einem Gesetz, das Aktionären und Aufsichtsräten die Verantwortung für die Vorstandsgehälter abnehmen will. Jedoch halte ich die “Protestaktion” gegen den populistischen Gesetzkomplett für komplett fehlplatziert. Dies zeugt von gestörter Selbstwahrnehmung einer Personengruppe, die eigene Defizite in den vergangenen Monaten insbesondere durch ihr Schweigen dokumentierte.

Seit Monaten fällt der Funktionselite der Wirtschaft selbst nichts Gescheites ein zur Lösung der Finanz- und Wirtschaftskrise (siehe z.B hier Nichts los in Davos). Manager treten nur noch öffentlich in Erscheinung, wenn man Staatshilfe für für das eigene Unternehmen benötigt und Konjunkturmaßnahmen der Bundesregierung anmahnt. Eigene Aktivitäten oder gar aufmunternde Rhetorik sind allenfalls in kleineren Zirkeln abseits der öffentlichen Wahrnehmung zu beobachten. Selbstkritische Diskurse beschränken sich auf allgemeine Marktversagensfloskeln. Nach Monaten des Schweigens wird plötzlich mit diesem Brief aus Angst um persönliche Spielzeuge um deren Rückgabe bei der Regierung gewinselt.

Bemängelt wird in dem Brief das “falsche Bild der wirtschaftlichen Verantwortungsträger”. Sorry, aber gerade die Verantwortungsträger, die sich idR. auf Firmenkosten teure Berater und PR-Agenturen leisten, bedienen mit diesem Schreiben die gängigen Klischees. Kritiker unser Wirtschaftsordnung klopfen sich angesichts dieses Geschicks wieder einmal auf die Schenkel. Sie können darin die Bestätigung für die Selbstbedienungsmentalität einer Gruppe sehen, die stets an die Verantwortung denkt, an die Verantwortung für das eigene Wohlergehen.

Das Schreiben zeugt durchaus von einem großen Selbstvertrauen (böswillig könnte man auch Selbstüberschätzung schreiben). Richtig eingesetzt könnte dieses Selbstvertrauen gerade in der Wirtschaftskrise auch Positives bewirken. So aber geht der Schuss wieder einmal nach hinten los. Wenigstens hätten die PR-Berater dem Zwölfer-Rat empfehlen sollen, diese Forderungen in einen Katalog bestimmter Selbstverpflichtungen oder gar einer Initiative zur Krisenbewältigung (wie von Kanzlerin Merkel Anfang Mai gefordert) zu verstecken.

„Wir warnen nachdrücklich davor, unternehmerische Entscheidungen wie die Gestaltung von Vorstandsverträgen bis ins Detail zu verrechtlichen“, schreiben die Aufsichtsratschefs. „Derartige Bestrebungen können der komplexen Unternehmenswirklichkeit nicht gerecht werden.“

Vor was warnen denn die Zwölf überhaupt? Was ist die Konsequenz dieser Warnung? Ein Braindrain von “Top-Managern”. Das wäre nicht einmal bedauerlich. Ich denke, viele Unternehmen kommen ohne das ohnehin von der ökonomischen Realität abgekoppelte Alphagehabe vieler Bosse besser über die Runden als mit Managern, die schon lange vergessen haben, dass das Top in erster Linie für Top-Leistungen und nicht Top-Bezahlung steht.

Das Beste was die Regierung tun könnte wäre, gar nicht zu reagieren oder mit einer Formularantwort in der Form: “Ihr Anliegen wurde zur Kenntnis genommen. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir angesichts der Vielzahl persönlicher Anfragen, nicht alle Briefe persönlich beantworten können.” Dem Gesetzgebungsverfahren haben die Zwölf übrigens einen Bärendienst erwiesen. Angesichts der voraussehbaren Proteste gegen die Chuzpe dieses Briefes, wird nun eine Änderung dieses unsinnigen Gesetzes kaum möglich sein.

Weitere Stimmen

Merkur: Bonuszahlungen: Gefährliche Reize

FTD: Politiker greifen Manager an

NZZ: Wenn Manager mehr Lohn fordern

HB: Manager setzen Merkel unter Druck

HB: SPD empört sich über sture Manager

Focus: Trotz Wirtschaftskrise wollen Manager keine Begrenzung der Gehälter

SZ: Die Herren sind beleidigt

LUR: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser scheiße

Wiwo: Norbert Bolz im Interview „Irgendwas kann man immer werden“

NZZ: Aufstand gegen Lohnexzesse bei Shell

Frühere Artikel im Blick Log zum Managerverhalten

Finanz- und Wirtschaftskrise: Die Ratlosigkeit der Finanzelite

Spitzenmanager schreiben sich in Davos endgültig ab

Warum nicht nur Manager manchmal schlecht entscheiden

Alphatierverhalten in der Finanzkrise?

Merkel vergibt Höchststrafe für Stars der Managerelite: Nichtbeachtung

Gipfel der Ratlosigkeit im Kanzleramt

Vom Schweigen und Versagen der Funktionselite

Statt mit Bonus mal mit Bindung motivieren

Gehalt, Motivation und unvollständige Verträge

Managementausbilder: “Manager überschätzen sich”

follhorst Mai 25, 2009 um 23:27 Uhr

Daimler hat keinen Mehrheitsaktionär und das Management bedient sich selber und misswirtschaftet nach Gutdünken.
Die Versager Kopper und Grube sind fröhlich weiter unterwegs.
Bewiesene Fehlleistung muss sich auszahlen.

Nunja, Angestellte gebärden sich wie Eigentümer ohne Verantwortung.

Ulf Mai 25, 2009 um 00:19 Uhr

Mensch, das war ja mal hart. Hat die ganze Aufsichtsrat/Manager Geschichte nicht ein Principale-Agent-Problem namens „Deutschland-AG“.

HeinrichPeters Mai 24, 2009 um 16:22 Uhr

Die Vertragsfreiheit zwischen Vertragspartnern in einer freien Wirtschaft ist nicht etwa irgendein Gesichtspunkt oder Argument unter vielen anderen, sondern das entscheidende Kriterium fuer das Funktionieren einer Marktwirtschaft. Haette z.B. die Deutsche Bank nicht ihren teuren (?) Ackermann sondern etwa den billigen (?) Blessing gehabt, waere sie ebenso wie die bisherige Privatbank Commerzbank zur volkseigenen Sparkasse abgestiegen. Ohne intelligentes Risiko-Management kann man den Finanzplatz D sowieso vergessen.

dels Mai 24, 2009 um 16:37 Uhr

@Herr Peters,
ich bin Ihrer Auffassung, was die Vertragsfreiheit betrifft, allerdings ändert dies nichts am Unsinn dieses Schreibens. Außerdem wünscht man sich mit der Begründung, die Sie verwenden auch, dass man sich in gleicher Vehemenz von staatlich einseitigen Unterstützungen bestimmter Industriezweige distanziert.
Was Herrn Ackermann betrifft denke ich, dass er als Person etwas überschätzt wird. Ein Zusammenhang zwischen dem Ergebnis der Deutschen Bank und Herrn Ackermann, wird zwar gern angenommen, einen kausalen Zusammenhang sehe ich allerdings nicht. Ich denke, Herr Blessing hätte bei der Deutschen Bank ähnlich abgeschnitten, wie Herr Ackermann möglicherweise bei der Commerzbank. Ich denke, wir sollten gerade bei CEOs die Macht des Zufalls nicht unterschätzen.

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