Warum nicht nur Manager manchmal schlecht entscheiden

by Dirk Elsner on 8. Mai 2009

Managerkritik ist nach der hefttigen Schelte am vergangenen Montag aus dem Kanzleramt das Small Talk Thema dieses Frühlings. Dabei ist es etwas einseitig, ständig auf die gleiche Personengruppe zu (sc)hauen. Ich denke, dass das bei vielen Managern sichtbare Verhalten nur durch eine öffentlichkeitswirksame Lupe ein Verhalten zeigt, dass auch bei vielen anderen Menschen zu beobachten ist.

Diese Gedanken jedenfalls kamen mir nach der Lektüre eines Beitrags in der aktuellen Ausgabe des Harvard Businessmanager. In diesem Artikel erklären die drei Autoren, warum selbst sehr wichtige und in bester Absicht getroffenen Entschei­dungen manchmal hoffnungslos verfehlt sind. Sie beziehen sich dabei zwar ausdrücklich auf Führungskräfte. Inhaltlich passen die Entscheidungsfehler aber auf alle Personen die Entscheidungen treffen.

Die Autoren befassten sich vier Jahre mit Fehlentscheidungen und reisten dabei tief in das Gebiet der Neurowissenschaft. Sie analysierten detailliert krasse Fälle von Fehlentscheidungen und versuchen, die Frage zu be­antworten, wie solche falschen Urteile entstehen können.

In ihrem Beitrag stützen sie sich auf zwei fest im Gehirn ver­ankerte Prozesse: “Anhand der Mustererkennung beurteilt das Gehirn, was gerade abläuft; und auf­grund emotionaler Etiketten, die in unserem Ge­dächtnis abgespeichert sind, reagieren wir entwe­der auf diese Informationen oder ignorieren sie. Normalerweise können wir uns darauf verlassen, dass diese beiden Prozesse richtig ablaufen; sie ge­hören zu unserem evolutionären Vorteil. Doch in bestimmten Situationen lassen sie uns eben leider manchmal auch im Stich”, schreiben die Autoren.

So stellt das Gehirn bei der Mustererkennung aufgrund früherer Erfahrungen und Urteile bestimmte Vermutungen an, wenn Menschen mit einer bestimmten Situation in der Gegenwart konfrontiert werden.  Dabei könne dieser Prozess der Mustererkennung in die Irre führen. Weiter schreiben sie: “Denn wenn wir mit scheinbar vertrauten Situationen konfrontiert sind, suggeriert unser Gehirn uns manchmal, dass wir sie durchschauen, obwohl das gar nicht stimmt.”

Zur emotionalen Etikettierung lernt man, dass dies der Prozess ist, “mit dem wir die in unserem Gedächtnis gespeicherten Ge­danken und Erfahrungen mit emotionalen Infor­mationen verknüpfen. Diese emotionalen Informa­tionen sagen uns, ob wir eine Tatsache beachten müssen oder nicht und welche Art von Reaktion wir ins Auge fassen sollten (jetzt gleich oder erst später, Flucht oder Angriff).”

Nach diesem Vorspiel, das die Autoren ausführlich darstellen und mit Beispielen unterlegen, kommen sie zum Kern, nämlich drei Faktoren, die Ursachen für schlechte Entscheidungen sind:

  1. Unangebrachte Eigeninteressen. Wie Untersuchungen zeigen, “können selbst Menschen mit den besten Absichten – bei­spielsweise Ärzte oder Wirtschaftsprüfer – nicht verhindern, dass Eigeninteressen ihr Urteil dar­über verfälschen, welches Medikament sie ver­schreiben oder welches Statement sie bei einer Betriebsprüfung abgeben sollen.”
  2. Das Vorhandensein persönlicher Bindungen. “Diese inneren Bindungen können uns in unserem Urteil über die Situation und die Maßnahmen, die ergriffen wer­den sollten, beeinflussen. So sträuben Führungs­kräfte sich beispielsweise oft dagegen, einen Unter­nehmensbereich abzustoßen, in dem sie früher einmal gern und erfolgreich tätig gewesen sind.”
  3. Irreführende Erinne­rungen. “Dabei handelt es sich um Erinnerungen, die uns in der betreffenden Situation zwar relevant zu sein scheinen, die unser Denken aber in die falsche Richtung lenken. Sie können uns dazu verleiten, wichtige Unterschiede zwischen der früheren und der jetzigen Situation zu übersehen oder zu unterschätzen. Noch leichter lassen wir uns von Erinnerungen in die Irre führen, mit denen zusätzlich auch noch emotionale Etiketten ver­knüpft sind: Wenn sich unsere Entscheidung in der zurückliegenden ähnlichen Situation als rich­tig erwiesen hat, neigen wir dazu, wichtige Unter­schiede zu übersehen.

Die  Autoren bewegen sich damit auf einem Feld, das die neoklassische Ökonomie als Verhaltensanomalie bezeichnet, mittlerweile aber durch die noch vergleichsweise junge Forschungsrichtung den Behavioural Economics wissenschaftlich erforscht wird. Die Neuroökonomie als ihr Unterzweig versucht aktuell mit der Hirnforschung neue Erkenntnisse zum Verhalten in der Wirtschaft beizusteuern.

Literaturhinweise

A Campbell et al, Warum Manager schlecht entscheiden, in: Harvard Businessmanger 5/2009.

Viele weitere Beiträge zum Verhalten in der Finanzkrise sind auf dieser Seite zu finden.

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