Bloggerstreit mit Süddeutscher und Spiegel Online

by Dirk Elsner on 10. Mai 2009

Eine putzige Debatte in der Blogosphäre hat das „Süddeutsche Zeitung Magazin” mit einem Themenheft ausgelöst. Befeuert von Medienblogger Stefan Niggemeier hat sich die Blogosphäre eingeschossen auf die SZ und weitere Medien, die einen recycelten Artikel des Reuters Mitarbeiter Felix Salmon leicht modifiziert nachdruckten, um damit wieder einmal ein Schüssschen auf die deutsche Blogszene abzufeuern.

Von der SZ gut kalkuliert springt die gewohnt empfindliche Bloggerszene sofort auf die Provokation an (siehe den Kommentarthread bei Stefan Niggemeier). Egghat weist darauf hin, dass es zu Salmons Beitrag bereits eine durch den US-Blog Creditwritedown (“The German econblogger space is just fine”)  ausgelöste Mini-Debatte gegeben hat. Schade, dass die nachdruckenden Websites dies komplett ignorieren, zumal Edward Harrison im Gegensatz zu Salmon tatsächlich als renommierter US-Blogger gilt.

Wohl typisch für Deutschland, dass Blogs und Medien, wenn sie sich ausnahmsweise mal miteinander beschäftigen, gegeneinander anstänkern und damit in den USA wohl Kopfschütteln auslösen dürften. Dort ist man viel weiter und probt längst neuen Formen der Zusammenarbeit. Das würde ich mir für die deutschsprachige Szene ebenfalls wünschen.

Zarte Versuche der FAZ, des Handelsblatts, der Zeit, des Freitag und sogar der Bild zeigen, dass etwas gehen kann. Natürlich ist das zaghaft, aber es zeigt eine gewisse Experimentierfreude. Und genau die vermisse ich bei Spiegel Online der Süddeutschen oder der FTD. Das hat praktische Konsequenzen: Medien, die sich über Verlinkungsdienste wie Twingly (Handelsblatt, Wirtschaftswoche, Bild) oder gar eigene Beiträge (Zeit, Freitag) den Bloggern öffnen, erhalten von der Blogosphäre größere Aufmerksamkeit in Form von Links. Auch wenn kein deutscher Blog die Reichweite einer Arinna Huffington erreicht, nimmt die relative Bedeutung der Blogs und ihrer Links in der Summe zu.

Den Bloggern tut dennoch ein wenig Respekt vor den “klassischen” Medien gut, denn Blogs benötigen sie als zentralen Nachrichtenlieferant und als Multiplikator. Ohnehin ist mir nicht klar, warum man sich gegenseitig immer wieder über die jeweils andere Gruppe erheben muss. Wer sich selbst erhöht, der fällt tiefer, hat bestimmt mal ein schlauer Mensch gesagt. Beide Seiten sollten ihre jeweils arrogante und selbstgefällige Grundhaltung in die Klischeekiste packen und überlegen, wie sie gemeinsam Produktives für die Infojunkies leisten können. Ideen gibt es dazu genug.

Die großen Onlinemedien könnten anerkennen, dass die Stärke von guten Blogs gerade darin besteht, ihre Nachrichten aufzunehmen, anzureichern, neu zu interpretieren und den Denkhorizont zu erweitern. Dies können traditionelle Onlinemedien gar nicht selbst leisten. Sie sind nicht in der Lage, in einem Beitrag die Vielfalt der Blogosphäre und deren Know-how abzubilden. Blogs dagegen können je nach Lust und Engagement ihrer Betreiber bestimmte Themenschwerpunkte viel intensiver abdecken und mir ihrer persönlichen Note versehen. Dass sie dabei stilistisch manchmal daneben liegen, sollte auch für Textästheten verkraftbar sein.

Nur eine Randnotiz ist, dass Spon Salmon als einen der erfolgreichsten US-Blogger zu Wirtschaft und Finanzen bezeichnet. Salmon mag ein guter Journalist sein, als Blogger nimmt ihn die Blogszene nicht wahr.

Hm, jetzt habe ich mich doch intensiver mit dieser Debatte befasst, als ich das vorhatte. Dabei hätte eigentlich gereicht auf die humoristische Antwort im Blog Stilstand zu verweisen mit “Des Deutschen Internetphobie

Weitere Beiträge zur Diskussion Medien vs. Blogs

Blogbar: Blogs auch 2009 vor der Wahl bedeutungslos

GIB: Der deutsche Masochismus um die Wirtschaftsblogger

Tonwertkorrekturen: Zehn Gründe, warum Blogs in Deutschland doch funktionieren

Blogbar: Politiker, Journalisten, alte Blogger, junge Blogger

(siehe hier für die nach meiner Auffassung besten Wirtschaftsblogs)  .

Ulf Hamster Mai 11, 2009 um 01:21 Uhr

Der Salomon hat schön in die „cultural sterotyping“-Trickkiste gegriffen – Das zieht immer. Vielleicht sollte es auch eine Gesellschaftskritik werden. Wer weiß.

Hier noch eine ganz simple Frage an Medienunternehmen: Wie soll eigentlich mal euer Geschäftsmodell ausehen?

lhabial Mai 11, 2009 um 00:11 Uhr

Sehr guter Kommentar. Von einem, der aus den traditionellen Medien kommt.

Godwi Mai 10, 2009 um 12:37 Uhr

Hallo Dirk,

danke für den Link. Ich gehe mal davon aus, dass du mich als gutes Beispiel für den unputzigen Teil des Streits verlinkt hast. 😉

Im Ernst: Ich finde nicht, dass wir die Dinge sehr verschieden sehen, denn was du in diesem Artikel schreibst, gibt meine Sichtweise über das Verhältnis von Bloggern und klassischen Medien zueinander sehr gut wieder. Beide Welten ergänzen sich, und es gibt keinen Grund, die andere Seite abzulehnen. Auch ich habe das in meinem Beitrag über den Text von Felix Salmon nicht getan. Im Gegenteil: Ich habe zu betonen versucht, dass Blogs in Deutschland funktionieren können – und das, ohne eine Aussage über die traditionellen Medien damit zu verbinden.

Was nun dieses Miteinander der beiden Welten angeht: Ich denke, das wird sich zunehmend einstellen. Wenn ich an die Websites der Tageszeitungen vor fünf, sechs oder gar vor zehn Jahren denke, dann stelle ich fest, dass sich da sehr viel getan hat. Anfangs wagten die Verlage nicht, mehr als eine Seite ins Netz zu stellen, auf der sich ein Abo bestellen ließ, dann kamen die kostenpflichtigen Seiten mit Passwortsperre. Heute veröffentlichen die großen Blätter im Web mehr als in ihrer gedruckten Ausgabe. Und sie sind durchgängig interaktiv angelegt. Es ist nämlich durchaus schon passiert, was du forderst: Die Websites der Zeitungen arbeiten mit der Technik der Blogs und binden die Meinung ihrer Leser ein.

Diese Leser sind häufig auch Blogger. Und viele Blogger decken ihre Quellen auf und verlinken konsequent in die Beiträge der angestammten Medien. Ich jedenfalls mache das so, wenn ich mich auf sie beziehe.

Auf „tagesschau.de“ und auf vielen anderen Medien-Websites gibt es umfassende Blogs der Redakteure. Dort tun die Redakteure das, was sie sich auf den anderen Seiten der Auftritte professionell verkneifen: Sie verwischen die Grenzen der journalistischen Gattungen und bringen kommentierende Stellungnahmen in darstellenden Genres unter. Das ist typisch für Blogger und streng verboten im Journalismus. Wenn ein Genre aber erkennen lässt, dass es ein Meinungsmedium ist, dann ist das im Journalismus schon immer erlaubt. Und darum nimmt die Zahl bloggender Journalisten zu: Sie verstehen Weblogs als ein zusätzliches journalistisches Genre.

Wer tagsüber sein Brot mit dem Schreiben von Texten verdient und am Abend aus purem Bedürfnis heraus auch noch bloggt, gibt bei der Gelegenheit sein handwerkliches Können nicht an der Garderobe ab. Deshalb – so unterstelle ich – wird die Qualität deutscher Blogs umso mehr steigen, je mehr Journalisten das Bloggen als Hobby für sich entdecken. Und wenn sich umgekehrt Leute für das Schreiben und Lesen von Texten interessieren, die früher niemals freiwillig Aufsätze geschrieben oder eine Tageszeitung abonniert hätten, dann ist das gleichfalls eine Entwicklung, die mich freut.

Allen Unkenrufen zum Trotz meine ich, dass die deutsche Bloggerszene auf einem guten Weg ist, und dass die Printmedien bereits sehr davon profitiert haben, sich dieser Szene zu öffnen. Jedenfalls hat mir die Lektüre von Tageszeitungen nie so viel Spaß gemacht wie heute – wo ich sie gemeinsam mit den Artikeln der Bloggerszene lese. Und das Weiterschreiben nach Feierabend auch nicht.

Godwi

dels Mai 10, 2009 um 14:39 Uhr

Hallo Godwi,

Danke für den sehr interessanten Kommentar. Ich habe Deinen Blogartikel leider erst nach der Veröffentlichung meines Artikels gefunden, so dass ich ihn inhaltlich nicht einbeziehen konnte.

Ein Punkt, den Du schreibst und selbst pflegst vernachlässigen viele Blogger mE. immer noch. Es ist das Verlinken auf andere Blogs und Medien. Persönlich denke ich, dass gerade in der Verlinkung die große Stärke der Onlinemedien liegt und den Lesern einen hohen Mehrwert bringen kann. Ich glaube, Spon beginnt gerade ganz vorsichtig auch auf Drittquellen zu verlinken. Andere auch Spon fürchten aber dadurch immer noch den Verlust von Lesern.
Mir persönlich macht das Verlinken großen Spass. Meine Frau spottet häufig darüber, dass ich die Qualität von Büchern häufig an der Zahl der Fußnoten bestimme und entsprechende „langweilige“ Werke lese. Tatsächlich sind für mich Links die Fußnoten der Onlinewelt und ein Qualitätsmerkmal (allerdings nicht allein) und der Ausdruck eines Selbstverbewußtseins, das die Leser zwar über Links auf andere Seite schickt aber indirekt wieder zurückholt, weil die Leser die Links schätzen lernen.

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