Auf die Kleinen kommt es an: Mittelstand überholt Großindustrie

by Dirk Elsner on 13. Mai 2009

Ein Artikel, der gestern im Handelsblatt zu lesen war, beweist, es ist doch richtig, dass sich die Politik nicht um den Mittelstand kümmert, sondern um die Autowerke. Zuletzt hatte ich vor einer Woche beklagt, dass die Regierung das KfW-Kreditprogramm immer noch nicht zum Laufen gebracht hat und stattdessen Minister für Opel die Investmentbanker spielen. Ich habe mich wohl geirrt. Da macht es auch gar nichts, dass der Bürgschaftmotor für den Mittelstand stottert und für Großunternehmen, wie gerade für Arcandor, mit Nachbrenner heiß läuft.

Seit gestern wissen wir aus dem Handelsblatt: “In den knapp 4,5 Millionen mittelständischen Unternehmen in Deutschland sinken Umsatz und Beschäftigtenzahl nur unterdurchschnittlich. Das ergibt sich aus dem Jahresmittelstandsbericht 2009, der dem Handelsblatt bereits in Auszügen vorliegt. Demnach trifft die Rezession kleinere und mittlere Firmen weitaus weniger hart als die übrige Wirtschaft.” Der Mittelstand beurteilt seine Aussichten auffallend zuversichtlich. “Dahinter steht, dass kleine und mittlere Firmen überproportional in den weniger exportabhängigen Branchen vertreten sind. Das gilt etwa für das Handwerk, das Gastgewerbe und den Einzelhandel: Sie können sich auf die trotz Krise bisher noch recht solide Konsumentwicklung stützen, “ ist weiter zu lesen.  In der Wirtschaftswoche wird ergänzt: “Die etwa 4,5 Millionen mittelständischen Unternehmen in Deutschland erwarten für dieses Jahr im Schnitt einen Umsatzrückgang von nur rund zwei Prozent.”

Der Mittelstand zeigt den Großunternehmen also, wie man mit durch die Krise steuert. Allerdings überdeckt der Mittelstandsbericht (zumindest die Meldungen darüber) die große Streuung, die es in der Performance im Mittelstand gibt. Nur weil es dem Durchschnitt besser geht als den Großunternehmen, heißt das nicht, es gehe allen Unternehmen gut. Das Elend in vielen mittelständischen Unternehmen ist nämlich weiterhin so groß, dass wir uns erschrecken würden, wenn wir die Berichte täglich lesen würden.

Daher ist die Beruhigungspille, die der Bericht verpasst verfehlt. Er ist kein Weckruf für die Politik, die sich weiter ausschließlich wahlkampfwirksam für die Autoindustrie engagiert. Ich halte das für vollkommen überzogen. Bernd Ziesemer hat dazu in einem Kommentar Fall Opel gut die Konsequenzen herausgearbeitet: “Inzwischen gehen so gut wie alle Akteure des Opel-Dramas unausgesprochen davon aus, dass der Bund am Ende so oder so kräftig zahlen wird. Im Wahljahr gibt es, realpolitisch betrachtet, kaum noch ein Zurück für die vereinigte Berliner Rettungsmannschaft unter Führung zu Guttenbergs.” Der vorläufige Höhepunkt der Opelmanie sind jetzt die Forderungen des GM-Chefs nach Geld aus Deutschland.

Weitere Berichte zum Mittelstand und zur Autoindustrie

HB: Bertelsmann Stiftung zeigt mittelständisches Engagement

Wiwo: Europa entdeckt den Mittelstand

HB: Blickpunkt Mittelstand

ÖN: Konjunkturpakete, der Mittelstand und Andreas Schnauder

HB: Karriere: Mit 50 Jahren aussortiert

ETD: Einige Kleinunternehmer sehen Ende des Abschwungs, besagt eine Umfrage – Wirklich??

ÖN: Es bluten die Niedrigverdiener genauso wie der „Mittelstand“

Zeit: „Die Menschen machen das Geschäft“

HB: Magna will die Mehrheit an Opel

FAZ: Ein dritter Interessent für Opel

HB: Porsche versus Volkswagen: So sehen Sieger aus

FAZ: Ferdinand und das kalte Wildschwein

Wiwo: Volkswagen/Porsche Liebesgrüße nach Stuttgart

de-buub Mai 13, 2009 um 20:46 Uhr

Bedenkt man, dass von den gesamten Großunternehmen gerade mal rund sieben überhaupt Steuern zahlen stellt sich die Frage, warum man diesen denn Förderung zukommen lassen soll. Würde man die US-amerikanischen 700 Mrd. USD auf die rd. 6,4 Mrd. Menschen verteilen, bekäme jeder Einzelne von uns über 100 Mio. USD. Fazit: 1. Es gäbe keine Wirtschaftskrise – 2. Den Krisenverursachern zahlt man das Geld nicht aus sondern nimmt es zum Ausgleich der von ihnen verursachten Schulden – 3. Es gäbe keine Schulden mehr, so dass die Banken sich andere Geschäftsmodelle einfallen lassen müssten – 4. Die Weltarmut wäre nur noch was für die Geschichtsbücher – 5. to be contimued…

dels Mai 13, 2009 um 22:03 Uhr

@de-buub
Hast Du auch die Powerpoint-Präsi gehabt? Die ist ja ganz witzig. Nur ich würde einfach mal nachrechnen, denn der Powerpointmacher hat sich viel Mühe gegeben nur leider verrechnet
700.000.000.000 US$ : 6.700.000.000 Menschen ergibt leider nur 109 US$ pro Mensch. Sollte tatsächlich jeder Mensch 109 Mio. US$ erhalten, dann müssten daraus 730.300.000.000.000.000,00 US$ gezahlt werden.

Stephan Mai 13, 2009 um 03:33 Uhr

Schon mal bei einer VB die letzten Wochen gewesen? Die werfen einem die Konditionen hinterher. Aber als Spekulant kriegt man natürlich so etwas nicht mit, ich hoffe, dass unser Sozialsystem solche Parasiten wie sie nicht mittragen muss.

dels Mai 13, 2009 um 07:57 Uhr

@Stephan
Ich verstehe Ihren Kommentar nicht. Was haben die Konditionen bei einer Volksbank mit dem Kreditvergabeproblem zu tun? Mir ist auch nicht klar, warum Sie mittelständische Unternehmen als Spekulant oder Parasit bezeichnen.

Ulf Hamster Mai 13, 2009 um 15:26 Uhr

Verstehe jetzt auch nicht, was die Volksbanken mit blicklog’s Artikel über den Mittelstand zu tun hat. (Aber mir ist auch aufgefallen, dass die VBs mächtig Werbung für easycredit macht… Habe auch den Eindruck, dass die VBs ihren eigenen Stammkunden nicht viel Bonität zusprechen…ist schon eine eigenartige Entwicklung…)

Ich finde die Bezeichnung Mittelstand ziemlich breit gefächert. Mal sind es die globalen Hidden Champions, dann wieder die lokalen Handwerker, mal anders die … Wenn man sich alleine die Erlösquellen von „dem Mittelstand“ anguckt, ergibt sichh ein so buntes Bild, dass man schwer allgemeine Aussagen treffen kann. Und mit der Bilanzpassiva wird es ebenfalls sehr bunt sein. Ein Bundespolitiker wird das kaum erfassen können, und vom Terminkalender so oder so nicht. Daher ist ja auch schlecht, dass es in der BRD zunehmend zentralisiert wurde, sprich schwache Länder und noch schwächere Kommunen.
Wenn man nur hinsichtlich möglicher Finanzierungshilfen guckt, dann haben die Bundesländer nur ihre Landesbanken. Aber von diesen ist wahrscheinlich eben nur noch die Nord LB funktionsfähig – Die haben vor ein paar Monaten noch eine 10 Mrd. Finanzierung für KMUs aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt gewuppt. Die anderen Landesbanken sind aus allseits bekannten Gründen nur noch mit sich selbst beschäftigt und werden in die Brüssler Folterkammer geschickt. Das schränkt schon ein bisschen die Finanzierungsalternativen von KMUs ein. Und wie akut es ist hängt vom Verschuldungsgrad und ob ausgerechnet jetzt, letztens, bald größerer Refinanzierungsbedarf vorliegt. Da kann man auch ein bisschen auf die Mezzanine-Geschichten gucken, die mit dem politisch motivierten Basel2 der totale Renner wurden, und heute ein fieser Boomerang sein kann. Damals haben alle Hurra geschrien.
Eine blöde Finanzierungssituation muss nicht zwingend etwas mit schwächelnden Erlösen zu tun. Es ist ja keine neue Erkenntnis für KMUs dass ihre Erlöse schon immer volatiler sind und waren, im Gegensatz zu den penibel market-beta gehedgeden Großkonzernen mit ihren riesen Vertriebsorganisationen. Der Verschuldungsgrad ist da ein großerer Faktor. Und es ist einfach umso attraktiver den Steuervorteil mit der Insolvenzwahrscheinlichkeit abzuwägen, desto höher die (situationsabhängigen) Steuertarife sind … die Steuerneutralität der Finanzierung ist eine reine Illusion des normativen Gesetzgebers, fragt sich nur „normativ für wen?“ …

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