Entwicklungen zwischen Banking 0.5 und 2.0

by Dirk Elsner on 26. Mai 2009

In der vergangenen Woche bin ich in dem Beitrag Banking 0.5: Relaunch der Banken bleibt (noch) blass ausführlicher auf aktuelle Entwicklungen im Bankwesen eingegangen. Und nicht nur die Rückmeldungen, die ich per Mail erhalten habe, ermutigen mich, dieses Thema weiter zu verfolgen. Der Bankensektor steht vor seinem möglicherweise größtem Umbruch, auch wenn davon bei vielen Instituten öffentlich nicht viel zu spüren ist.

Am vergangenen Wochenende habe ich eine ganz hervorragende Artikelreihe von Lothar Lochmaier auf Telepolis dazu entdeckt. In drei Beiträgen analysiert er fachlich kompetent den gegenwärtigen Status des Bankwesen und betrachtet intensiv neue Entwicklungen im Banking in Deutschland und anderen Ländern.

Im ersten Beitrag fragt er unter der Überschrift „Wo ist die Bank, der man vertrauen kann?“  wie weit die Branche von einem tauglichen Zukunftsmodell weg ist und was sich tun müsste, um dahin zu kommen. Dazu betrachtet er zunächst, was die Branche selbst dazu öffentlich verkündet:

“Neue Beteiligungsmodelle im Chancen und Risikomanagement werden sich künftig mehr Raum verschaffen. In einer neuen Finanzierungsstruktur könnten sich unterschiedliche Teilnehmer an der Wertschöpfungskette rund um ein Produkt oder eine Dienstleistung neu zusammen finden – und die Einflusssphäre der klassischen Bank, sofern es diese überhaupt noch gibt, als zentrale Vermittlungsstelle deutlich minimieren.

Dass die Branche jedoch für den großen Wandel (noch) nicht bereit ist, zeigt sich auch bei Diskussionen unter Insidern. So lud der www.bankingclub.de die Mitarbeiter von Geld- und Kreditinstituten zu einer Podiumsdiskussion unter dem Motto Die Bankenwelt 2.0: Eine Branche verändert sich. Und so nehmen die Insider sich selbst wahr: Die Banken verdienen derzeit praktisch nur mit EZB-Leitzinsen Geld, und hübschen damit ihre jeweilige Gewinn- und Verlustrechnung auf. Die Krise ist längst noch nicht vorbei, da die nächste Welle der Kreditkartenausfälle in den USA noch bevor stehe.

Zur Bewältigung der Krise gäbe es vor allem zwei Stellschrauben für Banken: Die Risikokosten in den Griff zu bekommen sowie die Refinanzierungskosten abzusenken. Rund fünf Prozent des Bankpersonals zu entlassen, bringe ebenso wenig, wie auf mehr statt einer besseren staatlichen Regulierung zu setzen.

Die Banken müssten konservative Verhaltensregeln haben und nur in jene Produkte investieren, die sie auch selbst verstünden, übt sich immerhin Jan Bettink, Vorsitzender des Vorstands bei der Berlin-Hannoverschen Hypothekenbank AG in der Kritik.

Zusammen gefasst sieht die Bank der Zukunft sich selbst genauso wie die Bank der Vergangenheit. Zukunftsmodelle wie das Social Banking bleiben eine marginale Randnote. „Vertriebsincentives“ – das heißt eine ganzheitliche Beratung sei wirtschaftlich nicht darstellbar. Die Kunden wollen dafür nicht zahlen.“

Im zweiten Aufsatz betrachtet er ausführlich unter dem Titel „Wie nachhaltig ist Social Banking?“ verschiedene Ansätze des Community-Bankings ohne diese in den Himmel zu loben. Er nimmt die Modelle ernst, bewahrt aber eine wohltuende Distanz. Wir lernen so neben Smava auch andere Ansätze des peer-to-peer Bankings kennen.  Am Ende versucht er eine Antwort auf die Frage, ob die Marktmodelle greifen können und schreibt dazu:

“Obwohl Verbraucherschützer und Experten noch kein eindeutiges Urteil gefällt haben, stufen Marktforscher wie das holländische Forschungsinstitut Trendwatching.com die aufstrebende Branche der Online-Kreditvermittler als einen Beleg für die wachsende Bedeutung von autonom agierenden Internetcommunities ein, die mittlerweile einen hohen Reifegrad erreicht hätten.

Geprägt sei dieser Trend von dem Paradigmenwandel in der Welt des Internets, der dadurch gekennzeichnet sei, dass bislang passive Konsumenten sich zunehmend zu „Produzenten und Unternehmern“ weiter entwickeln, argumentieren die Marktforscher. Die spannende Frage für die künftige Gestaltung der Kreditszenerie lautet indes, ob das Modell Zopa angesichts der hohen Kreditrisiken und der nur moderaten Zins- und Kostenvorteile die bestehende Bankenlandschaft tatsächlich nachhaltig beeinflussen kann.

Einerseits sind Zopa & Co. nicht mit jenen Internet-Banken zu vergleichen, die in den neunziger Jahren gegründet wurden – und die das Kreditgewerbe in der heißen Phase der New Economy kräftig durcheinander wirbelten. Den neuen Spielern im aufstrebenden Metier des Online-Bankings gelang es vor einigen Jahren immerhin, auf der Basis niedriger Gebühren und Transaktionskosten, die nur einen Bruchteil dessen betrugen, was etablierte Banken mit einer ausgeprägten Kostenstruktur einforderten, rasch auf dem neuen Markt Fuß zu fassen. Gerade dieses Marktpotenzial dürfte durch die hierzulande bereits gut erschlossene und kostengünstige Internetinfrastruktur limitiert bzw. bis zu einem gewissen Grad ausgereizt sein. “

Im dritten Beitrag schaut er unter “Wie sieht die Bank der Zukunft aus?” noch etwas tiefer auf die Frage der Wirksamkeit neuer Bankansätze und betrachtet Rahmenbedingungen, die für die Kundenentscheidungen relevant sein könnten, wie Internationalisierung, Glaubwürdigkeit und Informationspolitik.  Er prophezeit z.B. eine Ende der klassischen Bank-PR:

“Mit Hilfe von klassischen PR-Instrumenten und Kampagnen dürfte sich die Finanz-Community künftig jedoch kaum auf Kurs halten lassen. Kleinsparer und Anleger könnten rebellieren, wenn die nächste Schockwelle am Finanzmarkt erfolgt und das Vertrauen weiter schwindet.

Eine Strategie rund um die internetbasierte Reputationspflege, die also lediglich auf das große börsentechnische Vabanquespiel setzt, greift zu kurz. Die Aktiennotierungen der großen Banken könnten zwar am Ende des Tunnels wieder rasant steigen, wenn sich die Krise allmählich beruhigt. Sich als PR-Strategie in der Chefetage aber darauf verlassen, gliche einer virtuellen Achterbahnfahrt.”

Natürlich zeigt er keinen Königsweg für die Banken auf. Den müssen sie wohl oder übel selbst entwickeln. Und außerdem hätte die weitere Konkretisierung angesichts der rechtlichen und organisatorischen Herausforderungen der Banken, diese Reihe deutlich im Umfang gesprengt.

Man wünscht sich aber, dass noch mehr passieren möge. Spreche ich allerdings in diesen Monaten mit Bankern, dann spürt man oft noch eine große Abneigung, neue Wege zu gehen. Vielfach ist man froh, überhaupt den eigenen Job gerettet zu haben und ist voll und ganz mit der Stabilisierung des gegenwärtigen Geschäftsmodell beschäftigt. Für neue Ansätze scheint da (noch) kein Platz zu sein.

Weitere Meldungen aus dem Bankensektor

HB: Dexia-Chef fordert höhere Kreditzinsen

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Zeit: Banken rechnen sauber

Guardian: Banks‘ code of conduct may include tax demand

FAZ: Metzler geht optimistisch ins 336. Geschäftsjahr

FTD: Hudson City Bancorp – Kleine Bank ganz groß

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