Banking 0.5: Relaunch der Banken bleibt (noch) blass

by Dirk Elsner on 20. Mai 2009

Die “Finanz- und Wirtschaftskrise” hat sich in den letzten Wochen mit neuen dramatischen Schlagzeilen zurückgehalten. Das bedeutet nicht, dass die Krise einen Wendepunkt erreicht haben muss oder gar ihrem Ende entgegengeht. In den letzten Wochen keimt aber ein zartes Pflänzchen namens Hoffnung auf. Mut machen Meldungen, dass sich Banken untereinander wieder vertrauen. Der Kreditfluss kommt wieder in Gang und die Risikoaufschläge für Kredite, die Banken selbst aufnehmen sinken deutlich.

Darüber hinaus passiert wenig Sichtbares in der Bankenwelt. Die meisten Bankvorstände scheinen weiterhin abgetaucht oder äußern sich nur in Zirkeln, die statt kritischer Fragen braven Applaus erwarten lassen (siehe z.B. Die Leiden des Martin Blessing). Während man eine kritische Aufarbeitung von Bankern kaum erwartet, fehlt es aber weiter am Blick nach vorn. Die Neupositionierung der Banken bleibt bislang auffallend farblos. Aber wenn man genau hinsieht, dann entdeckt man so manch interessantes Gewächs im Finanzsektor.

Blumige Worte ohne Wurzel

In einem Interview mit dem Handelsblatt sorgt sich der Präsident des Bundesverbands Deutscher Banken, Andreas Schmitz, um das Image der Banken.

“Ich glaube, es ist unstreitig, dass Banken insgesamt bei den Bürgern und Unternehmen an Vertrauen verloren haben. Dieses Vertrauen können wir nicht heute oder morgen wiedererlangen. Das ist ein langer Weg. Und deshalb sind alle, die in dem Geschäft tätig sind, aufgerufen, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Das gelingt sicher nicht nur mit Worten, sondern dem müssen Taten folgen.”

Das sind typische Sätze, mit denen man ein Publikum versucht zu gewinnen. Inhaltlich sind das Blüten an einer Pflanze ohne Wurzeln. Denn die Antwort auf die Frage nach der Umsetzung klingt dünn und dokumentiert nicht gerade engagierten Veränderungswillen:

“In erster Linie geht es darum, dass sich Banken künftig wieder mehr dem Kunden und seinen Bedürfnissen widmen – und das in einer transparenten und verlässlichen Art und Weise. Verlässlich insofern, dass eine langfristige Strategie verfolgt wird. Transparent heißt, dass bei gewissen Produkten zu diskutieren ist, ob wir Banken sie unseren Kunden verkaufen sollten.”

Was unter diesen Aussagen konkret zu verstehen ist, lässt Schmidt offen. Ähnlich unbestimmt lesen sich andere Äußerungen von Bankern, wie z.B. hier über das zerstörte Verhältnis der Banker zum Kunden.

Transparenz fordern aber nicht leben

Dabei gibt Schmidt sogar das richtige Stichwort, nämlich Transparenz vor. Mit Transparenz lässt sich Vertrauen zurückgewinnen. Nur dazu sollten die Banken diesen Schritt ernsthaft gehen. Einen Vorschlag in diese Richtung macht ausgerechnet der Chef der deutschen Tochter der insolventen US-Bank Lehman Brother Helmut Oliver. In einem Interview mit dem ARD-Morgenmagazin (Bericht dazu im Fidor Blog) plädiert er für transparentere Produkte. Aber er bleibt bei nett anzusehenden Blüten, die künstlich und farblos wirken.

Dabei müssen die Banken dringend begreifen, dass Fehler, die sie in ihrem eigenen Geschäft gemacht haben, erhebliche Auswirkungen auf das Kundengeschäft haben werden. “Warum sollte ein Geldinstitut im Umgang mit meinem privaten Vermögen besser sein als in dem Geschäft, das es für die eigenen Bücher macht?“ zitiert Ina Krisch eine ganz selbstverständliche Kundenfrage, auf die die Institute bisher keine Antwort gefunden haben.

Neue Institute und Dienstleistungen wachsen langsam heran …

Nach meiner Auffassung wird der große Umbruch zunächst schleichend und in der Folge immer stärker kommen. Dass nicht bereits viel mehr Kunden ihre Vermögen umdisponiert haben, liegt an einer nachvollziehbaren Trägheit vieler Kunden im Umgang mit Geld (man wechselt halt nicht täglich seine Bank) und daran, dass es (noch) an Alternativen mangelt bzw. diese Alternativen noch nicht die aus Kundensicht notwendige Reputation aufgebaut haben. Um bei der Pflanzenmetapher zu bleiben: Die Kunden wollen zunächst erste Blüten sehen, bevor sie in den neuen Garten gehen.

Um Reputation aufzubauen benötigt eine Bank neben guter Ideen vor allem Geduld. Beides scheint die Quirin Bank zu haben, die ein Modell der Honorarberatung aufgebaut hat, bei dem es keine versteckten Entgelte oder gar Kick-backs an die beratende Bank geben soll.

Vorschläge und Worthülsen, wie die von Schmitz oder Oliver, die stellvertretend für die Aussagen von Bankern sind, reichen nicht einmal für ein Banking 1.0. Dabei heißt das Stichwort, das für traditionelle Institute weiterhin ein Fremdwort ist, Banking 2.0. Mit dem vielleicht auch überstrapazierten “Hype-2.0-Begriffen” sind freilich hohe Erwartungen an die wie auch immer geartete Einbeziehung der Kunden verbunden. Dies kann sich keinesfalls auf ein paar Kundenumfragen beschränken oder einem Kontaktformular auf der Homepage. Die Institute müssen lernen, das Web 2.0 zu verstehen und daraus Leistungen zu generieren. 2.0 steht für Einbeziehung der Communities und der (potentiellen) Kunden.

Aber gerade vor Begriffen wie Banking 2.0 grault es vielen Bankern. Den meisten Instituten steht hier ihr traditionelles Denken im Wege. Dies gilt zumindest für die Führungsspitzen. Sie verwechseln offenbar Offenheit und Transparenz mit der Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen oder gar Kundendaten.

Während viele Mitarbeiter oder mittlere Führungsebenen sich mehr Offenheit und Experimentierfreude vorstellen können, verweigert das Topmanagement den Dünger für neue Ideen. Hier mangelt es an einer Kultur des Herumprobierens, die auf Basis von Trial and Error-Prozessen mit neuen Leistungen experimentiert. Experimentieren wird gern mit dem Eingehen unkalkulierbarer Risiken gleich gesetzt. Dabei hat gerade das unkritische Nachahmen us-amerikanischer Geschäftsmodelle deutsche Institute zum Weltmeister in riskanten Bankgeschäften“ gemacht.

… und neue Samenkörner gibt es genug

Tatsächlich gibt es aber bereits spannende Ansätze, wie man Mehrwerte aus der Community ziehen kann. Dies zeigen z.B. ein Börsenportal wie Sharewise, dessen Service ein gutes Beispiel für eine neue Dimension der Transparenz sein könnte. Smava revolutioniert die Kreditvergabe durch die Delegation der Kreditvergabeentscheidung an die Einleger (Fachwort peer-to-peer lending). Ein sehr interessanter Ansatz, bei dem Kredite direkt zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber vermittelt werden. Solche Ansätze könnten man mit der entsprechenden Plattform leicht ausweiten auf die Bereitstellung von Eigenkapital für kleinere und mittlere Unternehmen.

Weitere spannende Geschäftsmöglichkeiten liegen in neuen Instrumenten zum Risikomanagement, wie sie z.B. Robert Shiller in seiner neuen Finanzordnung sehr konkret beschreibt. Trotz populistischer Kritik an derivativen Finanzinstrumenten, sollte nicht vergessen werden, dass sie ursprünglich geschaffen wurden, um Risiken zu begrenzen. Statt sie Applaus heischend zu verdammen, könnte mehr Energie darauf gesetzt werden, Derivate sinnvoll einzusetzen und auf weitere Anwendungsmöglichkeiten auszudehnen.

Transparenz kann geschaffen werden, wenn Vermögensverwaltungen, Publikumsfonds und Hedgefonds ihren Kunden endlich die Informationen zur Verfügung stellen, die technisch verfügbar wären. Diese Institutionen geben stets vor, dass sie ihre Anlagekonzepte schützen müssen und daher nicht zeitnah über ihre Transaktionen informieren könnten. Diese Aussagen sind großer Humbug und letztlich eine Schutzbehauptung, um nicht Rechenschaft über schlechte Entscheidungen und vor allem hohe und versteckte Transaktionskosten berichten zu müssen. Hier ist wesentlich mehr möglich. Und ich prophezeie, dass die Vermögensverwalter und Fonds zu den Gewinnern zählen werden, die neben einer klugen Anlagepolitik ihre Kunden ernst nehmen, ihnen ein erweitertes Informationsset anbieten und in den aktiven und transparenten Dialog mit den Kunden einsteigen.

Erfrischend umtriebig und in neue Richtungen denkend zeigt sich Matthias Kröner, Vorstand der Fidor AG. Im Vergleich zu Traditionsbankern sind seine Ansätze wunderbar konkret. Hier ein Auszug aus einem Interview mit BANKINGNEWS:

“Gleichzeitig zeichnet sich im Internet dank Web 2.0 eine wesentliche Verhaltensänderung im User- und Konsum-Verhalten ab. Das betrifft Themen wie Transparenz von Produkten und Prozessen, Qualität von Beratern/Vertrieben, das betrifft die Möglichkeit der User, untereinander zu agieren und kommunizieren, das betrifft die Mitgestaltungsmöglichkeit bei Produkten sowie die Mitverdienstmöglichkeit, sollte man für eine Internet-Plattform erfolgreich aktiv geworden sein. All das findet sich schon in diversen web-aktiven Industrien und Branchen.”

Weitere Spannung in Richtung Banking 2.0 verspricht der von Kröner ins Leben gerufene Blog von fidor, der sich explizit mit Banking 2.0-Ansätzen befasst. Die Fidor Community Banking fördert über die Seite gemege.de die Diskussion mit den Nutzern von Bankdienstleistungen, z.B. darüber, welche Produkte Sinn machen und welche keinen Sinn. So werden die Anregungen der User durchaus ernst genommen, was nicht bedeutet, dass man alles machen muss, was die Community vorschlägt. Auch im Banking 2.0 gilt die Gravitationstheorie der Finanzwelt. Lernen können Banken z.B. von Kröner, wie man auf Augenhöhe mit seinen Kunden kommuniziert und sich nicht mit einer ohnehin zerstörten Aura des Unnahbaren und Allwissenden umgibt.

Banking 2.0 beschränkt sich nicht auf die Vermögensanlage oder Dienstleistungsseite. Ebenso auf der Kreditseite haben viele Institute mächtigen Aufholbedarf. Noch immer kommt der Kreditvergabeprozesse für mittelständische Unternehmen einer “Kreditgewährung” gleich, einem Prozess zwischen ungleichen Partnern, in dem viele Kreditsachbearbeiter ihre Kreditnehmer die Abhängigkeit auf sehr subtile Art spüren lassen. Dieses Denken ist überholt. Kreditinstitute dürfen sich nicht nur in ihre Sonntagsrhetorik als Partner herausputzen, sondern müssen dies auch im Geschäftsalltag mit entsprechenden Instrumenten umsetzen.

Änderungen in den Kreditprozessen bedeuten nicht, riskante Kredite an bonitätsschwache Kreditnehmer zu vergeben. Neue Wege bedeuten etwa, den Kreditnehmern Hilfestellungen und Instrumente an die Hand zu geben, um Risiken bessern erkennen und steuern zu können. Hier lassen sich neue Dienstleistungsfelder und natürlich Geschäftsmöglichkeiten für Banken erschließen.

Nun ist dieser Beitrag viel länger geworden als geplant. Dabei gäbe es noch viel mehr zu schreiben über Änderungsmöglichkeiten im Bankbereich. Möglich, dass mir als ehemaligen Banker hier mehr auffällt als den Bankern selbst, von denen die Wenigsten den Vorzug eines Seitenwechsels gespürt haben dürften.

Aktuelle Schlagzeilen aus der Bankenwelt

HB: KfW springt Banken bei | Fidor: Matthias Kröner im Interview mit Bankingnews zum Thema “Community Banking”
HB: Deutsche Banken geraten außer Kontrolle | FTD: Interview mit Axel Weber: „Die Menschen werden enttäuscht“
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FTD: Twitter-Volkstribunal für Banker

Wiwo: BaFin sieht Höhepunkt der Finanzkrise noch nicht erreicht | NZZ: Erste US-Banken wollen Staatshilfen zurückzahlen
NZZ: Finanzinvestoren können Banken kaufen

| RMRG: Neue Aufsichtskompetenzen am Horizont: Bundesbank-Präsident läuft sich warm

WGN: Düsseldorf liegt in Absurdistan

| HB: Deutschen Banken drohen neue Turbulenzen










Lerdo Mai 20, 2009 um 18:48 Uhr

Das ist ein sehr guter Beitrag, der voll und ganz meiner Gedankenwelt entspricht. Neue Angebote sind wichtig. Die Finanzkrise bietet hier eine historische Chance, etablierte Banken in dieser Hinsicht herauszufordern. Lerdo

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