Ich räume ja ein, dass ich mich mit dem Zitieren von Artikeln in letzter Zeit etwas einseitig auf das Handelsblatt beschränke. Das liegt aber einerseits an mangelnder Zeit und andererseits an der Qualität vieler Beiträge, an denen ich dann hängen bleibe. Zum Wochenende habe ich mir dazu zwei Beiträge herausgesucht.
In “Die Penetranz der Gurus” greift Christian Schnell ein Thema auf, dass ich im Februar unter Ökonomie der Untergangspropheten laufen ließ. Auch da ging es um das Selbstvermarktungsgeschick einiger Ökonomen, konkret am Beispiel Roubini.
Roubini ist nämlich mittlerweile ein Sonderfall geworden. Es hat es geschafft, sich und seine Firma durch seine Prognosen optimal zu vermarkten. Nach Informationen der FAS v. 1.2.09 kostet ein Auftritt von Roubini mittlerweile 50.000 US$. Dies ist ein stolzer Preis, um sich die Stimmung versauen zu lassen und etwas zu hören, was man schon weiß.
Persönlich würde ich für Roubini keinen Cent bezahlen, denn sein Kalkül muss doch klar werden. Er hat es geschafft, sich mit seinen düsteren Prognosen medienwirksam zu platzieren. Seine düsteren Aussichten bringen Aufmerksamkeit und ihm und seiner Firma viel gutes Geschäft. Ihn würde es nicht einmal stören, wenn die düsteren Prophezeiungen nicht eintreten. Er verdient sein Geld heute und könnte sich in der Zukunft darauf berufen, dass seine Warnungen erhört wurden und Politiker und Unternehmen mit den richtigen Maßnahmen reagiert haben.
Owen Lamont, früher Professor an der Yale Universität, erklärt die Extremprognosen damit, dass Prognostiker starke Anreize für extreme Vorhersagen haben. Nur extreme Vorhersagen fallen in diesen Zeiten auf und sorgen für entsprechende Aufmerksamkeit für den jeweiligen Analysten. Mit der Aufmerksamkeit steigt die Kundenbasis und damit erhöhen sich die Einnahmen für sein Geschäft. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, ob die Prognosen zutreffen oder nicht. Kontrolliert wird ohnehin selten. Häufig erfolgt die Berichterstattung sogar asymmetrisch. Hat ein Analyst mit einer extremen Prognose ins Schwarze getroffen, dann kann er zum Guru aufsteigen. Trifft er nicht, dann wird dies meist ignoriert, es sei denn, er hat den Guru-Status erreicht.
Schnell ergänzt diese Ausführungen:
“Extrem – in welcher Beziehung auch immer – müssen die Meinungen also schon sein, um den eigenen Ruf als Guru, Legende oder – ebenfalls sehr beliebt – Prophet zu zementieren. Tatsache ist, dass die Genannten und noch etliche mehr, die hier an deren Stelle ebenfalls stehen könnten, in irgendeiner außergewöhnlichen Marktphase mit ihren extremen Ansichten richtig lagen. Seither wurde eine riesige PR-Maschinerie um sie aufgebaut, die den mittlerweile berühmten Namen zu noch größerer Popularität verhelfen soll. Und um natürlich noch mehr Anlegergeld anzulocken. Was in der Praxis dazu führt, dass der interessierte Anleger diesen Namen kaum noch entgehen kann, so penetrant kommen ihnen deren Marktmeinungen von allen Seiten entgegen.
Zugute kommt den Großinvestoren, dass viele Anleger erstens ein langes Gedächtnis haben und zweitens mit extremer Dankbarkeit reagieren, wenn ihnen irgendwann einmal in ihrem Leben zur rechten Zeit ein Tipp gegeben wurde, den sie sonst nirgends bekamen. Gurus, Legenden und Propheten zehren deshalb ein Leben lang von ihrem einst erworbenen Ruf. Mag die Performance der vergangenen Jahre diesen auch nicht immer bestätigt haben.”
Mehr hier “Über die Zukunft ökonomischer Vorhersagen”
Der andere Text zum Wochenende ist ein leider nur sehr kurzes Interview des Handelsblatt mit Martin Weber unter dem Titel „Gewinne an der Börse sind Glückssache“. Weber greift im Prinzip den oben hingeworfenen Ball auf und äußert sich zu Analysten:
“Keiner von denen hat eine Kristallkugel. Es ist schon fast lächerlich, welche Prognosen dabei herauskommen. Der eine Experte behauptet, dass der Dax bis Jahresende auf 7 000 Punkte steigt. Der andere sagt, er sehe den nächsten Crash. Oder nehmen Sie den Ölpreis als Beispiel: Als der im letzten Jahr bei 140 Dollar pro Barrel stand, hieß es, er steige bis auf 200. Viele haben geraten, Öl auf Vorrat zu kaufen. Das habe ich ganz gut in Erinnerung, weil mein Heizöltank damals leer war. Drei Monate später kostete Öl nur noch 50 Dollar.”
Zur Abrundung ergänze ich daher noch auf Basis dieses Text über “Extreme Kursprognosen und die Schwächen von Analysten” aus dem Oktober letzten Jahres:
Mit der Finanzkrise hatten sich im Oktober nämlich viele Kursprognosen ins Nirwana verabschiedet. Dies hatte Analysten aber nicht davon abgehalten, sofort wieder neue Prognosen auf den Markt zu werfen. Wie so häufig neigen einige Vertreter dieser Zunft schnell wieder zu extremen Vorhersagen.
Extreme Prognostiker und ihre Motivation
Die New York Times wunderte sich über Vorhersagen von Analysten. Mit dem Börsenkrach wurden plötzlich immer tiefere Marken ausgerufen. 7000, 700 und 70 Punkte im Dow: Kein Punktestand im Dow Jones schien in den Augen der Analysten mehr unmöglich zu sein.
Owen Lamont, früher Professor an der Yale Universität, erklärt das damit, dass Prognostiker starke Anreize für extreme Vorhersagen haben. Extreme Vorhersagen fallen in diesen Zeiten auf und sorgen für entsprechende Aufmerksamkeit für den jeweiligen Analysten. Mit der Aufmerksamkeit steigt die Kundenbasis und damit erhöhen sich die Einnahmen für sein Geschäft.
Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, ob die Prognosen zutreffen oder nicht. Kontrolliert wird ohnehin selten. Häufig erfolgt die Berichterstattung sogar asymmetrisch. Hat ein Analyst mit einer extremen Prognose ins Schwarze getroffen, dann kann er zum Guru aufsteigen. Trifft er nicht, dann wird dies meist ignoriert, es sei denn, er hat den Guru-Status erreicht. Erinnert sich noch jemand an den Zinspapst Henry Kaufman?
Analysten neigen zur Trendfortschreibung …
Neben den Extremprognosen schreiben viele Analysten einfach bestehende Trends fort. Menschen neigen dazu, Trends aus der Vergangenheit einfach in die Zukunft zu extrapolieren. Dabei erhalten die Ereignisse bzw. Kurse kurz vor der Prognoseveröffentlichung einen höheren Stellenwert als weiter zurück liegende Ereignisse. Die älteren Semester werden sich vielleicht noch erinnern an Prognosen im Juli 2008 zu den Rohölpreisen, die noch 2008 200$ erreichen sollten.
… und zur Selbstüberschätzung
Selbstüberschätzung (Overconfidence) ist ein bekanntes Phänomen, das nicht nur bei Analysten zu beobachten ist. Insgesamt erscheinen erfahrene Profis davon eher schwerer betroffen zu sein, da sie mehr Vertrauen in ihr Wissen und ihre Fähigkeiten legen, als Kollegen mit weniger Erfahrung. Overconfidence (auch Overconfidence-Bias) beschreibt ein übersteigertes Selbstvertrauen, das sich in systematischer Selbstüberschätzung in Bezug auf eigenes Wissen und eigene Bewertungen ausdrückt.
Das Ausmaß der Overconfidence ist abhängig davon, wie oft ein Analyst in der Vergangenheit richtig gelegen hat, fasst Martin Haimerl in seinem Blog die Erkenntnisse zusammen. Studien konnten zeigen, dass die Auswirkungen von Overconfidence bei Gewinnprognosen höher sind, als bei Kursprognosen. Weiter heißt es in dem Beitrag: “Analysten glauben, dass bei Kursprognosen das Glück eine größere Rolle spielt. Bei Gewinneinschätzungen hingegen werden detailliertes Wissen und Erfahrung als Determinanten für den Erfolg verantwortlich gemacht. Dies vermittelt den Eindruck, mehr Kontrolle zu haben, was zu einem höheren Maß an Overconfidence bei Gewinnprognosen führt. Generell schätzen 60-70% der Analysten ihre eigene Performance besser ein, als den Durchschnitt ihrer Kollegen.
Analysten sind keine Laien und erhöhen die Informationseffizienz
Natürlich sind die angesprochenen Analysten keine Laien. In der Praxis geben sie sich sehr viel Mühe, um ihre Prognosen auf Basis von Marktbetrachtungen, Bilanzanalysen, Cash-flow-Prognosen und mehr plausibel zu begründen. Die moderne Portfolio Theorie hat außerdem einige Analysten dazu gebracht, ihre Prognosen mit Risikomaßen zu versehen.
Die meisten professionellen Analysten haben eine umfangreiche ökonomische Ausbildung, die sie befähigt die Analysen sachlich und sprachlich richtig darzustellen. Analysten tragen außerdem wesentlich zum Verständnis der Aktivitäten auf den Kapitalmärkten bei und weisen häufig auf Missstände auf den Märkten oder in den Unternehmen hin. Sie leisten damit auch einen wichtigen Beitrag zu höhere Informationseffizienz der Märkte. Aber vielleicht ist es gerade diese Informationseffizienz, die die Prognosen vieler Analysten im Durchschnitt nicht besser aussehen lässt als die des Affens. der seine Prognose mit Dartpfeilen abgibt.
Spannende Website zur Überprüfung von Analysen
Ich hatte schon mehrfach auf Sharewise, die Börsencomunity, die auch die Beiträge dieses Blogs übernimmt, hingewiesen, Dort werden Prognosen nicht nur ausgetauscht sondern auch maschinell überprüft werden. So kann man etwa hier sehen, wie gut die Deutsche Bank mit ihren Prognosen abgeschnitten hat. Beindruckend 😉
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