Nun spricht es sich in Deutschland langsam herum: “Plötzlich sind die „Schrottpapiere“ heiß begehrt”, schrieb die Welt auf ihrer Website. Wie bereits vor Monaten vom Blick Log gesehen, sind Investoren auf der Suche nach toxischen Wertpapieren. Dazu die Welt:
“Doch plötzlich sind diese Papiere alles andere als Schrott. Auch US Investor und HSH-Miteigentümer J.C. Flowers interessiert sich für das Kreditersatzportfolio der Bank [der HSH Nordbank, Anm. Blick Log]. Denn dort schlummern plötzlich Milliardengewinne. Das erfuhr die WELT aus Bankenkreisen.
Dass Flowers auf die Wertpapiere, die die HSH in die Krise gerissen haben, schon länger ein Auge geworfen hat, wird vom schleswig-holsteinischen Finanzministerium bestätigt. Woher das Interesse kommt: „Auch wegen der vielen staatlichen Stützungsmaßnahmen hat ein großer Teil der Wertpapiere mittlerweile wieder zugelegt“, sagt ein Analyst. Das Portfolio, bestehend aus Anleihen und strukturierten Wertpapieren, hatte im Zuge der Finanzkrise massiv an Wert verloren, weil die Märkte, auf denen diese Papiere gehandelt wurden, zusammengebrochen waren.
… Viele der vor wenigen Monaten überhaupt nicht handelbaren Werte haben sich erholt, wenn auch einige immer noch zu einstelligen Prozentsätzen ihres Ausgabepreises notiert werden.
„Diese Papiere haben ein immenses Kurspotenzial. Von allen Wertpapieren der HSH steckt in diesen noch die meiste Musik“, sagt ein Anleiheexperte. Die HSH Nordbank bezifferte den Wert des Portfolios gestern bei der Bekanntgabe der Halbjahreszahlen mit 19 Milliarden Euro. Anfang 2008 war das Paket noch rund 30 Milliarden Euro wert. Was von der Differenz auf Kursverluste rückzuführen ist und was auf Verkäufe, ist nicht bekannt.”
Nun teilt uns die Welt nicht mit, welche Analysten da wann befragt wurden. Prophetisch sind diese Feststellungen zum Kurspotential nicht, eher ein Anzeichen für den Herdentrieb der Analysten, die im Nachhinein einer staunenden Öffentlichkeit das “prognostizieren”, was der Fachwelt längst bekannt ist. Dabei haben Hedge-Fonds und andere Risikoinvestoren das Kurspotential toxischer Wertpapiere bereits vor Monaten erkannt und entsprechend gehandelt. Die Chancen für diese Papiere bestanden vor allem auf Basis der niedrigen Marktbewertungen im ersten Quartal. In einem Vortrag in Berlin sprach ich damals vor einem kopfschüttelnden Publikum von inverser Blasenbildung und prophezeite eine Erholung dieser Papiere, weil die niedrigen Bewertung nicht den fundamentalen Bewertungen dieser Papiere entsprachen (siehe dazu auch diesen Artikel).
Damals suchte der Blick Log systematisch nach Informationen über Käufer am Markt. Während offiziell wenig darüber zu lesen war, hörte man in Gesprächen von verschiedenen Investorengruppen, die sich auch am deutschen Markt umsahen. Der Blick Log selbst hatte ebenfalls eine Anfrage aus dem Ausland erhalten. Freilich war damals öffentliche Aufmerksamkeit nicht erwünscht. Kein Wunder, die “interessierten Kreise” wollten günstig einsteigen, weil man die Unterbewertungen erkannte und von der Ausverkaufspanik profitieren wollte.
Die Erholung der Marktwerte der Kreditderivate begann bereits mit der Verkündung des US-Programms zum Ankauf “toxischer” Wertpapiere im März diesen Jahres. Dies war ein wesentlicher Grundstein für die Stabilisierung der Banken und die Wiederherstellung des Vertrauens. Diese und weitere Stabilisierungsmaßnahmen des US-Finanzministeriums und der US-Notenbank bildeten das Fundament der bisher andauernden Börsenrally. Ein Bonusanspruch für auf dieser Basis angefallenen Gewinne gebührt damit auch nicht den Händlern und Managern der Banken, sondern Geithner, Bernanke und den US-Steuerzahlern, die nämlich die Risiken dieser Maßnahmen tragen.
Fakt ist, dass ein Teil der Investment-Gewinne der Banken im zweiten Quartal auf die Höherbewertung (immer auf Basis von Marktwerten) der zuvor abgeschriebenen Kreditderivateportfolios zurückzuführen sind (so auch bei der IKB und der BayernLB ). Jetzt noch von weiterem Potential zu sprechen, halte ich für spekulativ. Natürlich kenne ich die Werte der einzelnen Papiere dieses sehr intransparenten Marktes nicht und kann mich nur auf indirekte Preisindikatoren, wie die Credit Spreads beziehen. Deren Entwicklung zeigte aber in der vergangenen Woche erneute Anspannungen, was ein Indiz für erneute Wertverluste ist (siehe auch Experten fürchten Rückschläge an Kreditmärkten). Wahrscheinlicher ist es daher, dass die Investoren, die im Frühjahr gekauft haben, nun bereits wieder versuchen, diese Papiere zu veräußern. Da kommt natürlich etwas Publicity gerade zum richtigen Zeitpunkt.
Ob Banken überhaupt ein Interesse am Verkauf der Papiere haben, richtet sich freilich auch nach der internen Bewertung dieser Papiere. Institute haben Kreditderivate ja nicht zwingend zum Marktwert bilanziert, sondern häufig zu höheren Werten. Viele Institute haben nämlich von geänderten Regelungen des IAS 39 und des IFRS 7, „Reclassification of Financial Assets“, Gebrauch gemacht. Dies beeinflußt freilich das Ergebnis positiv im Zeitpunkt der Umklassifizierung. Die Änderungen gestattet eine “Umgliederung” finanzieller Vermögenswerte aus den Bilanzkategorien „zum Fair Value bewertet“ und „zur Veräußerung verfügbar“ in die Bilanzposition „Forderungen aus dem Kreditgeschäft“. Voraussetzung für eine solche Umgliederung ist, dass das Management die bisher festgelegte Zweckbestimmung des Vermögenswerts ändert. Zum Zeitpunkt der Umgliederung müssen für den Vermögenswert zudem die Absicht und die Möglichkeit eines Haltens auf absehbare Zeit sowie die sonstigen Kriterien für eine Klassifizierung als Forderung aus dem Kreditgeschäft erfüllt sein. (siehe dazu auch “Was aus dem Geschäftsbericht der Deutschen Bank über Kreditderivate zu erfahren ist”).
Im Klartext bedeutet dies, dass dass Problem toxischer Papiere in vielen Bankbilanzen immer noch besteht, sofern Buchwerte über den Marktwerten liegen. Allerdings dürfte die Stimmung der Bilanzer und Controller deutlich freundlicher sein als noch vor sechs Monaten. Dennoch lassen sich die tatsächlichen Werte für die Papiere aufgrund ihrer (beabsichtigten!?) Komplexität nur schwer abschätzen. Eine wirkliche Bewertung ist nur möglich, wenn man auf Basis der Dokumentation in diese Papiere hineinschaut (siehe dazu “In den Tiefen eines ABS Fonds gestochert” und “Ein Besuch auf der Giftmülldeponie der Banken”).
Als Spekulationsobjekt taugen diese Papiere nach Auffassung des Blick Logs nicht mehr. Als langfristiges Anlageobjekt sind sie aber tatsächlich eine Alternative. Und während in Deutschland immer noch diskutiert werden, ist man in den USA wieder einmal ein Schritt weiter. Dort betreibt Secondmarket eine Art ebay für toxische Papiere.
Der Fokus sollte sich nun mehr auf verbriefte Forderungen als Finanzierungsinstrument gegen die Finanzierungsklemme richten. Wenn die “Finanzingenieure” ihre Lektionen aus der Finanzkrise gelernt haben und diese Instrumente transparenter und mit weniger Komplexität gestalten, dann können sie endlich wieder dafür eingesetzt werden, wofür sie gedacht waren. Als Finanzierungs- und Risikoverteilungsinstrument. Aber das ist ein Thema für einen anderen Beitrag.
Einen Überblick über die Artikel des Blick Log, weiterer Medien sowie Arbeitspapieren zu Verbriefungen, „toxische“ Wertpapieren und Bad Banks gibt es auf dieser Seite.
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