2.0-Instrumente für die 1.1-Banken

by Dirk Elsner on 17. Dezember 2009

Das wissenschaftliche “Zentralorgan” der deutschen Banken, die Zeitschrift Die Bank, hat sich Gedanken dazu gemacht, wie man neue Kunden gewinnen kann. Genauer haben dies Jörg Baston und Carsten C. Wendt unter dem Titel “Die junge Generation gewinnen” getan. Man muss allerdings ziemlich lange durch allgemeines Marketingsprech scrollen, bevor die Autoren konkret werden. Jedenfalls entdecken die Autoren die Gruppe der “Young Professionals” und fordern für diese Gruppe einen “Leistungsangebot mit Exzellenzanspruch” zu entwickeln.

Ich will mich mit dieser Zielgruppendefinition gar nicht erst auseinandersetzen. Schon zu häufig habe ich in den letzten Jahren über irgendwelche Zielgruppendefinitionen gelesen, die ziemlich willkürlich wirkten und von denen sich keine nachhaltig gehalten hat. Jedenfalls kommen die Autoren nach einigem Vorgeplänkel auf die 2.0-Elemente zu sprechen, freilich in sehr allgemeiner Form:

Systematische Vernetzung in der Zielgruppe Young Potentials: Wer im Geschäft mit Young Potentials erfolgreich sein will, muss sich sowohl in die reale als auch in die virtuelle Welt dieser Zielgruppe systematisch integrieren. Die Zielgruppe ist jedoch aufgrund heterogener Lebenswelten (Berufe, Interessen usw.) und hoher Reizüberflutung durch Offline- und Online-Kommunikation nur schwer zugänglich.

Diese Aussage ist so allgemein, dass man ihr leicht zustimmen kann:

Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen müssen Young Potentials deshalb in ihren spezifischen Lebenswelten, an den Orten und in den sozialen Umfeldern (Communities), in denen sie sich bewegen, erreichen. Erfahrungsgemäß greifen junge Erwachsene gerade in der Phase der Umgestaltung ihres Lebenskonzepts auf ihr soziales Netzwerk zurück. Es gilt daher, im Sinne eines Community Marketing, die richtigen Communities zu identifizieren, zu erschließen und Marke sowie das Leistungsangebot dort nachhaltig zu positionieren. Ein erfolgreiches Beispiel ist das Beziehungsnetzwerk XING, über das zum Beispiel eine Großbank gezielt Finanzprodukte in der Zielgruppe Führungs- und Fachkräfte verkauft.

In allgemeiner Form mag man hier ebenfalls zustimmen. Offen lassen die Autoren freilich, wie das geschehen kann. Mir sind kaum traditionelle Unternehmen, geschweige denn traditionelle Banken bekannt, denen es nachhaltig gelungen ist, sich in Communitys zu etablieren. Selbst ohne flächendeckende Untersuchung aller Communities, beschränken sich doch die Community-Aktivitäten immer wieder auf die gleichen Vorzeigeunternehmen. Leider erfährt man wenig über die gescheiterten Versuche. Das wäre nämlich deutlich interessanter. 

Natürlich gibt es Finanzdienstleister, die intensiv auf Communities setzen. Ich nenne hier nur Fidor, Smava oder die gerade gestartete Noa-Bank. Ob deren Geschäftsmodelle aufgehen, ist längst nicht ausgemacht. Diese Institute sind jedenfalls in der Community derzeit akzeptiert, genau wie die schon sehr lange existierende GLS-Bank. Ob diese Akzeptanz den klassischen Instituten in dem aktuellen Umfeld ebenfalls gelingt, ist derzeit offen. Kurzfristig ist dies mit Sicherheit nicht zu erwarten. Gleichwohl würde mich interessieren, wie eine Deutsche Bank oder Commerzbank solche Ansätze in der Praxis umsetzt ohne die Netzwelt mit Marketing-Floskeln zu vergrätzen.

Die Autoren des Beitrags versuchen die Akzeptanz für ihren Ansatz so zu gewinnen:

“Community Marketing kann in Zielgruppen, die stark beziehungsorientiert sind und soziale Netzwerke intensiv pflegen, zu spürbaren Absatzsteigerungen beitragen. So lassen sich zum Beispiel ca. 90 % der jungen Erwachsenen bei Kaufentscheidungen durch Einflüsse aus ihrem unmittelbaren privaten Umfeld/Netzwerk beeinflussen. Dies funktioniert besonders gut bei komplexen, beratungsintensiven Vertrauensgütern wie Finanzprodukten. So haben nach Studien 39,8 % der Befragten bereits mindestens eine Versicherung direkt bei einem Bekannten/Freund abgeschlossen.

Dieses Potenzial gilt es zu heben. Der Ansatz hierzu liegt in der Nutzung sozialer Netzwerke und persönlicher Beziehungen zur Übermittlung von Werbebotschaften und Platzierung von Produkten, zum Beispiel durch gezielte Stimulierung und Umwandlung von Empfehlungen in der Zielgruppe (Empfehlungsmarketing und Interessentenmanagement). “

Als konkreten Ansatz schlagen Baston und Wendt Embedded Branding. Was das genau ist, erklärt der Blog Business & Marketing Management in diesem Beitrag. Baston und Wendt schreiben dazu:

 

“Embedded Branding über „Markenbotschafter“

Ein erfolgreicher Ansatz, um Young Potentials als Kunden zu gewinnen, ist Embedded Branding: Werbebotschaften und Leistungsangebote von Finanzdienstleistern können direkt in die relevanten Communities bzw. in den Alltag zum Beispiel von Studenten integriert werden. Dies geschieht jedoch – anders als mit klassischen Marketingmethoden – nicht über breit gestreute Werbung, sondern über 1:1-Kommunikation durch „Markenbotschafter“ (Meinungsführer) in der realen Welt bzw. durch die gezielte Integration in Foren, Blogs und Portalen in der virtuellen Welt.

Der Vorteil ist, dass Markenbotschafter ihr privates Umfeld besser als alle anderen kennen. Sie wissen, wo sie zum Beispiel an der Uni die richtigen Studenten erreichen, auf welchen Veranstaltungen Werbeaktionen sinnvoll sind, wer die richtigen Multiplikatoren in der eigenen Region sind. Sie können damit sicherstellen, dass die Werbebotschaften in der richtigen Form und zum richtigen Zeitpunkt in der gewünschten Zielgruppe effizient ankommen: Persönlich, authentisch und zielgenau.”

Bei allem Respekt verschweigt dieser Vorschlag, wie schwer es tatsächlich ist, sich über diesen Weg bei der gewünschten Zielgruppe zu etablieren. Interessanterweise vermeiden die Autoren an dieser Stelle die schon etwas abgenutzten Begriffe wie Banking 2.0 und Social Banking. Lothar Lochmaier schlägt hier den passenderen Begriff Community oder Common Banking vor. Wie schwer hier ein Imagewechsel ist, hat der Blog Finance 2.0 jüngst am Beispiel der Citibank beleuchtet: Geht Bank heute wie gestern? 

Insgesamt enttäuscht die Darstellung in dieser traditionellen Bankzeitschrift. Ich denke, dass Finanzinstitute mehr aus den Blogs Finance 2.0 oder Social Banking 2.0 für künftige Konzepte saugen können. Beide befassen sich intensiv mit neuen Visionen im Retailgeschäft der Finanzwelt und wahren dabei eine wohltuende Distanz, die vor einer Form der Euphorie schützt, die Beratungsgesellschaften gern verbreiten (Beispiel hier), wenn es um neue Ansätze geht.

Zu Ehrenrettung der beiden Autoren der Bank sollte aber gesagt werden, dass sie mit ihrem Aufsatz nicht auf den 2.0-Zug springen wollen. Allerdings entnehmen sie einige ihrer vorgeschlagenen Instrumente der 2.0-Welt. Sie verschweigen dabei, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass Unternehmenskommunikation mit 2.0-Instrumenten peinlich wirkt und damit an der Zielgruppe der young professionals erst recht vorbeigeht, wenn das Unternehmen selbst nicht eine 2.0-Denke lebt. Insbesondere Banken müssten hier viel mehr machen, als sie wirklich derzeit leisten können. Dann wirkt Verschlossenheit doch deutlich authentischer lieber als “Embedded Branding” per Facebook oder Twitter mit Botschaften zu betreiben, deren Verkaufsabsichten gerade die die young professionals schnell durchschauen.

 

Hier zum Abschluss ein paar ausgewählte Artikel der Blogs Social Banking 2.0, Finance 2.0 und Blick Log.

Social Banking 2.0: Wall Street und Community Banks: Teil des Problems, Teil der Lösung

Blick Log: Was Social Banking wirklich sein könnte

Social Banking 2.0: Interview – So könnte die „Genossenschaftsbank 2.0″ aussehen

Finance 2.0: Social Banking: Was ist das eigentlich?

Finance 2.0: Der Kundenberater kommt aus dem Prospekt

Blick Log: Die digitale Kluft: Klassische Unternehmenswelt erreicht Status 1.1

Social Banking 2.0:Social Banking 2.0: Diskussion: Wie aus Social Banking 2.0 „Common Banking“ werden könnte

Blick Log: Geht doch mehr beim Banking 2.0? Newcomer noa bank gestartet

Social Banking 2.0:Kommentar: Banker zum Anfassen – So sieht die Direktbank 2.0 aus?

Blick Log: Banking 1.0 meets Banking 2.0

Social Banking 2.0:Diskussion: Was ist oder was könnte Social Banking sein?

Blick Log: Enterprise 2.0: Genossenschaften made by digital natives

Social Banking 2.0: Social Media: Warum Direktbanken das soziale Internet verschlafen

Blick Log: Matthias Kröner erklärt Banking 2.0

Christoph Magnussen Dezember 22, 2009 um 14:21 Uhr

Hallo Dirk,

man darf ja hierbei nicht vergessen, dass die Banken-Branche (wie Du es ja auch angedeutet hast) bei dem Thema noch ganz am Anfang steht. Leider ist in Deutschland die Skepsis gegenüber neuen Marketing-Tools immer ziemlich groß. Das ist eigentlich sehr schade, da es tolle Beispiele gibt, wie Social Media und Botschafter-Marketing gleichermaßen für Banken und junge Kunden einen Vorteil bringen kann.

Hier zum Beispiel ein Case der Credit Union: http://www.youngfreealberta.com/

Die Ergebnisse sprechen für sich (Oktober 2007- 2008):
3.327 neue Konten in der jungen Zielgruppe (allein aufgrund der Y&F Kampagne; durchschnittlich 1.600 $ pro Konto)
1.077 neue Credit Union Mitglieder
über 120.000 YouTube Views auf die Videos des Jahres-Markenbotschafters
ca. 100.000 Microsite Visits
um nur ein paar Zahlen zu nennen.

Ich finde das spricht durchaus für die Akzeptanz der Werbeform bei jungen Menschen und kann mir gut vorstellen, dass man so etwas auch in Deutschland realisiert. Einer muss halt immer den ersten Schritt machen und wird dann auch am kritischsten beäugt. Banner-Werbung und SEM haben ja auch mal klein Angefangen.

Viele Grüße

Christoph

Peterchen Dezember 17, 2009 um 08:11 Uhr

Ich zitiere mal einen Tweet der Deutschen Bank:
„H&H Webranking award 2009! Deutsche Bank received the Special Prize for its “Best Social Media Presence” http://bit.ly/7c3JzX
Würde mich interessieren, wie bei diesem H&H Webranking die Kriterien definiert sind. Die oben im Artikel erwähnte „Nicht-Vergrätzung der Netzwelt mit Marketing-Floskeln“ scheint jedenfalls keine Rolle gespielt zu haben. Naja, Studienautor ist eine Unternehmensberatung. Und wenn die es sagt, muss es wohl stimmen. Im März war bei jenem Web-Ranking Vodafon auf dem zweiten Platz hinter Siemens. Soviel dazu.

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