Warum der Blick Log das Weltwirtschaftsforum in Davos dieses Jahr ignoriert

by Dirk Elsner on 18. Januar 2010

Josef Ackermann - World Economic Forum Annual Meeting Davos 2007

Fröstelnde Elite in Davos: Hier Josef Ackermann (Foto: flickr/WEF)

In gut einer Woche (27.1 bis 31.1.) trifft sich in Davos wieder ein Kreis, der es gern sieht, wenn er als „Elite“ oder Vordenker bezeichnet wird. Die Teilnehmer genießen es, wenn die Weltpresse das Stelldichein der Funktionsinhaber ins Rampenlicht rückt und sie selbst mit allerlei Leistungsattributen ausgezeichnet werden.

Der Blick Log hat die Veranstaltung noch im vergangenen Jahr mit großem Interesse und Aufmerksamkeit verfolgt. In diesem Jahr wird der Blog das „Panel der Panels“ ignorieren und zwar aus drei Gründen:

  1. 2008 war die „Funktionselite“ nicht einmal in Ansätzen in der Lage die heraufziehende Finanz- und Wirtschaftskrise zu diagnostizieren, obwohl wir mittlerweile wissen, dass es schon damals genügend Anzeichen gegeben haben muss.
  2. 2009 habe ich die Tagung eng verfolgt und darauf gewartet, mit welchen Ideen die Teilnehmer den “Jahrhundertsturm” überwinden wollen. Das Ergebnis war ernüchternd. Es kam absolut nichts. Nachsehen kann das jeder selbst in den auf dieser Seite archivierten Videobeiträgen.
  3. 2010 werden die Teilnehmer wieder eine aktuelle Zustandsbeschreibung auf hohem Niveau liefern, dabei aber wohl die ohnehin bekannten und mitterweile als gesichert geltenden Erkenntnisse über die nahe Zukunft lediglich rekapitulieren.

Wenig tröstend, dass ich mit meiner Einschätzung der letztjährigen Veranstaltung nicht allein lag. Die Untergangspropheten dominierten die Schlagzeilen des Stelldicheins im Schnee. Ähnlich sah das auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die in ihrer Printausgabe titelte: “Davos feiert die Propheten des Desasters”. Gemeint war vor allem Nouriel Roubini, der als der dunkle Prophet schon immer alles gewusst haben will (siehe auch in diesem Beitrag die Ökonomie des Nouriel Roubini)

Im vergangenen Jahr haben die Teilnehmer bewiesen, dass sie sich tatsächlich nur als Funktionselite bezeichnen dürfen, also als Personen, die in einflussreichen und mit großer (finanzieller) Machtfülle ausgestatteten Positionen und Funktionen sitzen. Als Vordenker spielten sie den Blues, wie Michael Hüther im Handelsblatt feststellte.

Als die öffentliche Stimmung sich Anfang 2009 in tiefer Depression befand, hatte nicht nur ich Aufbruchsstimmung aus Davos erwartet. Wir wurden bitter enttäuscht. Die Neue Zürcher Zeitung kommentierte damals:

“Der ausgeprägte Herdentrieb der Akteure ist in den letzten Monaten immer wieder – und mit Recht – als eine wesentliche Ursache der Finanzkrise genannt worden. Wenn alle glauben, die Preise würden sich nur nach oben bewegen, und sich entsprechend verhalten, entstehen jene Blasen, von denen einige nun unter Getöse geplatzt sind. Dass dabei aus Sicht des einzelnen Managers das Schwimmen mit dem Strom durchaus rational sein kann, ist an dieser Stelle mehrfach dargelegt worden.”

“Umso erschreckender ist es, am WEF in Davos beobachten zu müssen, dass sich an diesem Herdentrieb praktisch nichts geändert hat. Wie von einem geheimen Kommando «180 Grad kehrt, marsch!» gelenkt, bewegen sich erneut alle im Gleichschritt, nur diesmal in eine andere Richtung. Statt naiver Euphorie ist jetzt abgrundtiefer Pessimismus angesagt. Die Redner überbieten sich gegenseitig mit einer geradezu intellektuellen Lust an der Schwarzmalerei, und die Zuhörer scheinen es ziemlich unkritisch fast mit Resignation hinzunehmen: «Das ist die neue Realität, auf die wir uns einzustellen haben.» Da kommt einem unwillkürlich der von Walt Disney inszenierte kollektive Selbstmord der Lemminge in den Sinn.”

Die Süddeutsche konstatierte nach dem Treffen 2009: Ratlos in Davos und schrieb u.a.:

„Sind die Eliten bereit, eigene Fehler einzugestehen? Sind sie gar zu einer Umkehr bereit? Und sind sie in der Lage, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen? Vermutlich sind sie es weniger, als viele jetzt behaupten. Davos 2009, behaupten Manager und Medien, sei angesichts der aktuellen Weltwirtschaftskrise erkennbar anders gewesen als früher: nachdenklicher, konstruktiver, selbstkritischer. Die Eliten hätten ihren Hochmut verloren, anmaßende Manager seien auf dem Weg der Läuterung. In Davos seien, heißt es, die Weichen für eine Bewältigung der Krise gestellt worden. Doch das stimmt nicht wirklich.

In Davos war ein beängstigender Herdentrieb der Eliten zu besichtigen. Vor einem Jahr noch war alles in Ordnung, jetzt die komplette Kehrtwende: Alle mal Trübsal blasen! Vergessen wurde darüber, nach Lösungen zu suchen, nach Auswegen, nach Konzepten gegen die Krise.

Schier unerträglich war diese Krisenbeschwörung. … Die anwesenden Unternehmer ordneten sich dem bereitwillig unter, waren grundsätzlich in Sorge, weideten sich in ihrem Unwissen über das Kommende. Bei Bedarf übte man ein wenig Selbstkritik. Meist allerdings wurde alle Verantwortung für die Krise auf die Banker und Finanzinvestoren abgeschoben, die in Davos fehlten. Wie einfach die Welt der Eliten doch sein kann.“

Als Meltingpoint der Trendsetter darf man Davos nicht mehr bezeichnen (vielleicht durfte man das auch nie). Allenfalls trifft sich dort eine Herde, die vergangene Trends durch ein Brennglas aufflackern lässt bis diese verglüht sind. So etwa verstehe ich die Bewertung der Zeit aus dem vergangenen Jahr:

“Die Oldtimer von Davos haben schon vor Jahren eine absolut richtige Zukunftstheorie entwickelt: den „Two-Year Inverted Leading Indicator“  – den “Zwei-Jahre Umgekehrten Frühindikator”. Auf deutsch: Die Institutionen oder Leute, die hier als Helden gefeiert werden, sind zwei Jahre später Staub und Asche. Zwei Jahre bevor die “Asiatischen Tiger” lahm geschlagen wurden, waren sie die ökonomische Zukunft der Welt. Dann gingen die Dotcom-Giganten 2001 in Flammen auf. Es folgte der Triumphzug der Finanz-Akrobaten, der Hedgefonds und Private Equity Fonds. Heute liegen sie am Boden und müssen ihre Gulfstream-5 Flugzeuge verkaufen. Deshalb die Große Frage: Wer wurde auf diesem Weltwirtschaftsforum als Herrscher des Universum gefeiert? Die Antwort dieses Autors nach einer kurzen Umfrage: die Propheten des „Es wird alles noch viel schlimmer werden“ unter den Ökonomen.”

Kaum vorstellbar, dass die Veranstaltung in diesem Jahr anders abläuft. Damit ist nicht gesagt, dass in einigen weniger beachteten Panels mit geringer Prominentendichte doch noch interessante Vorschläge diskutiert werden. Das wäre wünschenswert, vor allem wenn man auf die Zielsetzungen der Veranstaltung schaut, wie sie Initiator Klaus Schwab jüngst in einem Beitrag für die Süddeutsche erneut formuliert hat:

„Die Grundidee für das jährliche Davoser Treffen war es, eine Plattform zu schaffen, bei der Manager mit ihren Stakeholders zusammentreffen und ihre gegenseitige Verantwortung besprechen können.“

Aber Schwab gibt sich selbst ernüchtert, wenn er formuliert:

„Die gesellschaftliche Erosion, die wir in den letzten Jahren nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik und anderen Bereichen beobachten konnten, ist auf eine Aushöhlung dieses Gemeinschaftsgedankens zurückzuführen. Diese Erosion gemeinschaftlicher Werte ist vor allem in der Wirtschaft weit fortgeschritten und war ein Auslöser für die jetzige Wirtschaftskrise und ihre Folgen.“

Auch André Schneider, Geschäftsführer des Weltwirtschaftsforums, ist unzufrieden, schreibt Handelszeitung aus der Schweiz. Obwohl die internationale Führungselite gelobt hat, aus der Krise zu lernen, blieben die großen Fortschritte bisher aus. «Und wir überschreiten schon wieder Grenzen», warnt Schneider.

Immerhin kritisiert Schwab die Funktionseliten in den Unternehmsspitzen mehr als deutlich:

„Der Sinn, gemeinsam Güter und Dienstleistungen zum Wohle der Gesellschaft zu erzeugen, wurde ersetzt durch den Zweck, kurzfristig möglichst hohen Gewinn und damit steigende Aktienkurse zu erzielen. Wenn dabei gleichzeitig die unternehmerischen Entscheidungsprozesse von der Verantwortung für eigene Risiken abgekoppelt werden, haben wir es mit einer Pervertierung des unternehmerischen Systems zu tun.“

Schwab ist dabei allerdings gegenüber den unternehmerischen Verantwortungsträgern so höflich, dass er ihr eigenes Versagen bei den selbstgesteckten und von ihm kritisierten ökonomischen Zielen nicht erwähnt. Die derzeitige Funktionselite in den Unternehmen ist nämlich maßgeblich für das „verlorene Jahrzehnt“ verantwortlich.

Vielleicht sollten Schneider und Schwab einmal über die Zusammensetzung der Panels nachdenken. Möglicherweise rufen sie gerade nach Davos die Personen, die für diese „Erosion gemeinschaftlicher Werte“ und für das Nichthandeln verantwortlich sind, selbst wenn diese Personen in den Panels und Sonntagsreden das Gegenteil behaupten.

Übrigens ist der zweite Teil der Analyse von Klaus Schwab in der SZ „Wie Unternehmen zu ´Gewinn-Erwirtschaftungsmaschinen´ wurden“  äußerst lesenswert. Trotz seiner Diagnose erwarte ich in diesem Jahr keinen nachhaltigen Erkenntnisgewinn aus Davos, denn es ist kaum zu erwarten, dass die Teilnehmer ihre eigenen Funktionen destabilisieren. So bleibt die Beschäftigung mit Davos allenfalls unter verhaltensökonomischen Aspekten interessant.

Und immerhin, wenn schon die Davoser Elite nicht in der Lage ist, Lösungen für die wirtschaftliche Agenda zu besetzen, so sind sie wenigstens in der Lage, ihre Machtfülle für einen guten Zweck einzusetzen. So informiert Klaus Schwab auf der Homepage des Forums, die Möglichkeiten und das Netzwerke einzusetzen für Hilfe für Haiti.

___________________________

Für einen Rückblick siehe folgende Beiträge im Blick Log, die jeweils jede Menge Links auf weitere Berichte und Kommentierungen der Wirtschaftspresse enthalten:

Famos Davos: So trocknet man den letzten Bach für den Aufschwung aus

WEF: Kommt überhaupt etwas aus Davos?

Famos Davos: So trocknet man den letzten Bach für den Aufschwung aus

Nichts los in Davos oder die Ökonomie der Untergangspropheten

Previous post:

Next post: