Serie Management in rauen Zeiten: Finanz- und Liquiditätsplanung

by Dirk Elsner on 21. Januar 2010

Mit diesem Beitrag wird die Reihe “Management in rauen Zeiten” (Übersicht hier) mit dem Thema Finanz- und Liquiditätsplanung fortgesetzt. In wirtschaftlich turbulenten Zeiten geht es vor allem um Maßnahmen, die die Ausstattung mit Zahlungsmitteln verbessern. Ob Kredite mobilisiert werden können, hängt vom konkreten Einzelfall und von der Einschätzung potentieller Kapitalgeber ab. Häufig ist zu lesen, dass in rauen Zeiten die Sicherung der Liquidität absoluten Vorrang vor dem Streben nach Gewinn hat[1]. Aber Achtung, dies bedeutet, die Zahlungswirkung sei wichtiger als die Vermeidung von Umsatzeinbußen und möglicherweise mittelfristig höheren Kosten[2]. Dies kann sich schnell als Bumerang erweisen.

Besser ist es, durch sinnvolle und planmäßige Vorbereitung es erst gar nicht zum Ernstfall kommen zu lassen, sondern rechtzeitig durch entsprechende Maßnahmen einer Liquiditätsklemme vorzubeugen. Daher befasst sich dieser Abschnitt nebst den ergänzenden Mindmaps zunächst mit der Liquiditätsprognose und anschließend mit Maßnahmen zur Verbesserung der Liquiditätssituation, dem Kostenmanagement und Maßnahmen zur Deckung des Kapitalbedarfs. In der Praxis überlappen sich natürlich die verschiedenen Ansätze.

Liquiditätsplanung ist keine Gemeinwissenschaft

Bekanntlich versteht man unter Liquidität die Fähigkeit, seine Verbindlichkeiten fristgerecht und ohne Einschränkungen begleichen zu können[3]. Bei der Liquiditätsoptimierung geht es aber nicht allein darum, den Kontostand zu erhöhen. So gehören dazu neben liquiditätsstabilisierenden Maßnahmen auch Aktivitäten, die die Fristigkeiten von Verbindlichkeiten ändern[4]. Eine wesentliche Voraussetzung für die Liquiditätssteuerung ist eine fundierte Finanzplanung, die gerade im Umgang mit externen Kapitalgebern zum Standard gehören sollte.

Finanzierungsmaßnahmen zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass in welcher Form auch immer dem Unternehmen neue Finanzmittel zugeführt werden. Der Planungs- und operative Durchführungsaufwand für bestimmte Maßnahmen sollte auf keinen Fall unterschätzt werden.

Die Qualität der Finanzplanung hat im Rahmen der Bonitätsprüfung durch die Kapitalgeber wesentliche Bedeutung, weil aus ihr die Fähigkeit des Unternehmens abgeleitet wird, Mittel zurückzahlen zu können. Eine entsprechende Planung kann positive Auswirkungen auf das Rating und damit auf die Kreditkonditionen haben[5]. Externen Kapitalgeber, insbesondere kreditgebenden Banken und Investoren schätzen das Vorliegen einer fundierten und möglichst integrierten Finanzplanung. Überraschend ist dennoch, dass viele Unternehmen diesem Wunsch nur ungern und nur auf ausdrückliche Anforderung ihrer Kapitalgeber nachkommen.

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Liquiditätsdiagnose (umfangreichere Version durch Klick auf Mindmap abrufbar)

An Bedeutung gewinnt mittlerweile die Liquiditätsprognose, die durch einen Finanzplan (oft auch als Liquiditätsplanung oder Liquiditätsvorschau bezeichnet) abgebildet wird. Der Finanzplan dient der Klarheit über die Erhaltung der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens und ist auf den Erhalt der finanziellen Stabilität eines Unternehmens oder einer Unternehmensgruppe gerichtet. Er stellt dar, welche Finanzmittel zu welchen Terminen im Planungszeitraum benötigt werden und woher diese bezogen werden sollen. Bestehende oder zu erwartende Finanzierungslücken werden so aufgedeckt.

Im Finanzplan werden die künftigen Ein- und Auszahlungen des Unternehmens erfasst und mit dem Banksaldo verrechnet. Er liefert einen Überblick über die realen Geldströme für Sachkosten, Personalkosten, erbrachte Leistungen, Investitionen sowie für Finanzierungstätigkeiten[6]. Das Unternehmen erhält so die Information, wann und in welcher Höhe zusätzliche Mittel benötigt werden.

Anknüpfungspunkt für den Finanzplan sollte das geplante operative Ergebnis auf Basis der Absatz-, Produktions-, Investitions- und Kostenplanung sein. Die Grundstruktur ist dabei recht simple[7]

Anfangsbestand an Zahlungsmittel zu Beginn der Planperiode

+ Planeinzahlungen der Planperiode

− Planauszahlungen der Planperiode

= Endbestand an Zahlungsmitteln am Ende der Planperiode[8]

Im Prinzip müssen also „nur“ die künftigen zahlungswirksamen Bewegungen ermittelt werden. Diese lassen sich freilich allein aus der Finanzbuchhaltung nicht entnehmen[9], sondern sie müssen durch Planungsgrößen ergänzt werden. Zahlungsströme können aber nur dann abgeleitet werden, wenn bereits andere Teilplanungen im Unternehmen abgeschlossen sind[10].

Alle Zahlungsflüsse (Cashflows) eines Unternehmens lassen sich einer der folgenden drei Gruppen zuordnen[11]:

· Cashflow aus laufender (operativer) Geschäftstätigkeit: umfasst betriebliche eingehende und ausgehende Zahlungsströme, die nicht der Investitions- und Finanzierungstätigkeit zuzuordnen sind.

· Cashflow aus Investitionstätigkeit: entsteht aus dem Erwerb oder der Veräußerung langfristiger Vermögenswerte und Finanzinvestitionen.

· Cash Flows aus Finanzierungstätigkeit: sind Vorgänge, die die Eigen- und Fremdkapitalstruktur des Unternehmens verändern.

Die Probleme eines sachgerechten Finanzplans entstehen in der Praxis, weil die Verfahren und Systeme in Unternehmen für die zahlreichen Prognosewerte häufig nicht entsprechend ausgestattet sind. Hilfsweise sollten für weiter in der Zukunft liegende Zahlungen die Werte aus der Erfolgsplanung verwenden werden. Diese ist natürlich sachgerecht zu bereinigen (indirekte Methode), wobei Zahlungszeitpunkte gerade bei höheren Beträgen entsprechend justiert sein sollten. Hilfreich für eine Finanzplanung ist ein integriertes Planungsmodell, aus dem der Cash Flow aus der Ergebnisplanung abgeleitet wird.

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Abbildung: Zwei Beispiele für die Cash-Flow-Ermittlung aus lfd. Geschäftstätigkeit[12]

Eine etwas detailliertere Aufstellung bietet z.B. das Controlling Portal im Beitrag zum Thema Kapitalflussrechnung. Eine umfangreichere Darstellung der Kapitalflussrechnung findet sich in IAS 7[13].

Die Integration zwischen Unternehmens- und Liquiditätsplanung

Unter einem Geschäftsplan kann man eine allgemein nachvollziehbare und für Dritte verständliche Beschreibung der Zukunftsplanung eines Unternehmens verstehen, aus der quantitative Aussagen über die zukünftig erwartete Ertrags- Vermögens- und Liquiditätssituation hervorgehen.[14]

Ein zentrales Element der Planung ist der Free Cash Flow (FCF), auf den Eigentümer und Kapitalmarkt besonders achten. Der FCF charakterisiert die Fähigkeit des Unternehmens, Erträge auszuschütten, Schulden zu tilgen und Liquiditätsreserven zu bilden. Er gibt also Auskunft über die finanzielle Handlungsfähigkeit und Finanzkraft des Unternehmens[15].

Die einzelnen Cashflow-Komponenten können nach Schubert u. Olliges wie folgt dargestellt werden:

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Abbildung 16: Cash-Flow-Komponenten[16]

In der Praxis wird die Unternehmensplanung meist durch eine zentrale Instanz gesteuert (Controlling) und in einem iterativen Prozess mit den Verantwortungsbereichen des Unternehmens aufgestellt.

Spreadsheetbasierte Modelle schaffen eine flexible und verlässliche Informationsbasis. Steht das Modell, dann sind notwendige Anpassungen schnell umgesetzt. Dabei können Modellinhalte wie Jahresabschluss, strategische Preis- Mengen-Gerüste, verschiedene Finanzierungsinstrumente sowie unterschiedliche Bewertungs- und Konsolidierungsmethoden modular integriert werden. So lassen sich auch veränderte Informations- und Analyseanforderungen schnell und flexibel berücksichtigen[17].

Wichtig ist, dass das Planungsmodell ein auf abhängigen Bezugsgrößen basierendes Planungssystem sein sollte, mit dem eine parallele Planung von Ergebnis-, Cash-Flow und Bilanzgrößen erreicht wird. Der Vorteil abhängiger Bezugsgrößen besteht darin, dass Mengen-Wert-Beziehungen einschließlich Kennzahlenermittlungen über Formeln und Modelle abgebildet werden können. Die Stärke solcher Modelle werden insbesondere bei der Variation von Parameter deutlich (dazu mehr im Beitrag über die Simulationsbetrachtung), weil bei Änderungen so abhängigen Beziehungen sofort mit berechnet werden [18].

Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn es Mehrfachbeziehungen gibt. So beeinflusst etwa die Absatzmenge die Produktionsmenge. Die Personaleinsatzmenge sowie die Materialeinsatzmenge werden wiederum von der Produktionsmenge bestimmt.

Weiter empfehlen Schubert u. Olliges[19]:

In der Planungspraxis werden unabhängige Planungsfaktoren, wie Mengen, Preise, Sätze (Inflationsrate und Diskontsatz, Lohnsätze, Steuersätze, Fremdwährungsbewertung, Staffelsätze usw.) einbezogen. … So hat die Absatz- und Produktionsmenge Einfluss auf das gesamte Deckungsbeitrags- und Kostengefüge in den Bereichen Produktion, Entwicklung und Vertrieb. Der Mengen- bzw. Volumen-Mix, die Einstands- und Verkaufspreise die Fremdwährungsbewertung, die Inflationierung und die Diskontierung sind daher die entscheidenden Parameter für die gesamte Planung. Selbst die Overhead-Kosten (z. B. von Vertrieb und Produktion) sind wiederum oftmals mengenabhängig oder zumindest in Staffeln mengenabhängig.“

Neben diesen Hinweisen ist zu berücksichtigen, dass weitere Abweichungen zwischen Ergebnis und Liquiditätsplanung zu berücksichtigen sind, wie etwa Forderungsausfälle und unterschiedlichen Zahlungszeitpunkte der Kunden und an Lieferanten.

Vermieden werden sollte in jedem Fall eine übersteigerte Planungstätigkeit, die letztlich nur zu „Zahlenfriedhöfen“ führt und die von den am Planungsprozess Beteiligten nur einen geringen Nutzen aufweisen und daher oft abgelehnt werden[20].


[1] So wird z.B. die Unternehmensberatung Roland Berger zitiert in: Sabrina Erben: Working Capital Management: Verborgene Schätze in Lager und Rechnungsmappe, Handelsblatt Online v. 17.11.2009.

[2] So wird z.B. gern Liquidität geschaffen durch sogenannte Sale-and-Leas-Back-Geschäfte. Solche Geschäfte können trotz positiver Liquiditätswirkung zu Nachteilen führen (zu geringer Verkaufswert, hohe Leasingraten).

[3] Hilfreich für das praktische Liquiditätsmanagement ist eine weite Definition, wie sie z.B. das ehrwürdige Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft bietet: „Liquidität kann auch definiert werden als Fähigkeit eines Wirtschaftssubjekts, durch Übertragung geeigneter Vermögensgegenstände an andere Rechtssubjekte stets vertrags- und usancengemäß zu leisten. Vgl. Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft: (HdWW), Band 5, S. 50.

[4] So kann man z.B. mit einzelnen Gläubigern verhandeln, um unmittelbar bevorstehende Vollstreckungen abzuwenden.

[5] Vgl. Rudolf Vokart, Corporate Finance, Versus Verlag 2008, S. 997.

[6] Vgl. P. Schubert u. O. Olliges, Zeitgemäße Liquiditätsplanung – Ein Praxisbeispiel, in: Die moderne Finanzfunktion, Strategien, Organisation und Prozesse, Gabler 2008, S. 324.

[7] Auf die unterschiedlichen Methoden (direkte oder indirekte) zur Cash-Flow-Ermittlung kann hier nicht vertieft eingegangen werden. Vgl. dazu z.B. Vgl. P. Schubert u. O. Olliges, Zeitgemäße Liquiditätsplanung – Ein Praxisbeispiel, in: Die moderne Finanzfunktion, Strategien, Organisation und Prozesse, Gabler 2008, S. 326 ff.

[8] Ein detailliertes Schema zur Aufstellung eines Finanzplans gibt es z.B. vom Institut der Wirtschaftsprüfer, nämlich im Anhang der IDW EPS 800 in der neuen Fassung vom 06.03.2009. Quelle: Pg Supplement 2/2009, S. 42 ff., FN-IDW 4/2009, S. 161 ff.). Ein Diskussionsentwurf v. 22.2.08 ist auch online verfügbar: http://www.grc-ub.de/fileadmin/redakteur/pdf/IDW_Standard_EPS_800.pdf

[9] Zum einen werden in der Finanzbuchhaltung vornehmlich vergangenheitsbezogene Daten erfasst (Dokumentation von Geschäftsfällen). Zum anderen finden in die Finanzbuchhaltung sowohl zahlungswirksame, als auch zahlungsunwirksame Vorgänge gleichermaßen Eingang. Zu den zahlungsunwirksamen Vorgängen zählen beispielsweise die betrieblichen Abschreibungen auf Sachanlagen, die Bestandsveränderungen auf den verschiedenen Konten für Vorräte und Waren aber auch die Zu- oder Abnahme von Forderungen und Verbindlichkeiten.

[10] Schwieriger wird die Planung, wenn etwa die Erfolgs- oder Investitionsplanung wiederum von der Liquiditätsplanung abhängig sind, weil etwa erst dann investiert werden kann, wenn die dafür notwendige Liquidität auch vorhanden ist. In diesem Fall führt erst ein iterativer Planungsprozess zu einer validen Liquiditätsvorschau, die dann aber nur mittel- bis langfristigen Charakter haben kann.

[11] Vgl. P. Schubert u. O. Olliges, Zeitgemäße Liquiditätsplanung – Ein Praxisbeispiel, in: Die moderne Finanzfunktion, Strategien, Organisation und Prozesse, Gabler 2008, S. 327.

[12] Vgl. P. Schubert u. O. Olliges, Zeitgemäße Liquiditätsplanung – Ein Praxisbeispiel, in: Die moderne Finanzfunktion, Strategien, Organisation und Prozesse, Gabler 2008, S. 328.

[13] Volltexte der IAS/IFRS in der von der EU autorisierten deutschen Übersetzung auch im IFRS-Protal.

[14] Vgl. W. Gleißner, Wertorientierte Analyse der Unternehmensplanung auf Basis des Risikomanagements, in: Finanzbetrieb 7-8/2002, S. 418.

[15] Vgl. P. Schubert u. O. Olliges, Zeitgemäße Liquiditätsplanung – Ein Praxisbeispiel, in: Die moderne Finanzfunktion, Strategien, Organisation und Prozesse, Gabler 2008, S. 330.

[16] Vgl. P. Schubert u. O. Olliges, Zeitgemäße Liquiditätsplanung – Ein Praxisbeispiel, in: Die moderne Finanzfunktion, Strategien, Organisation und Prozesse, Gabler 2008, S. 331.

[17] Vgl. H. H. Förster, Klarheit in der Krise, in: Finance März/2009, S. 55.

[18] Vgl. P. Schubert u. O. Olliges, Zeitgemäße Liquiditätsplanung – Ein Praxisbeispiel, in: Die moderne Finanzfunktion, Strategien, Organisation und Prozesse, Gabler 2008, S. 335.

[19] Vgl. P. Schubert u. O. Olliges, Zeitgemäße Liquiditätsplanung – Ein Praxisbeispiel, in: Die moderne Finanzfunktion, Strategien, Organisation und Prozesse, Gabler 2008, S. 335.

[20] Vgl. Rudolf Vokart, Corporate Finance, Versus Verlag 2008, S. 995.

Der Autor, Dirk Elsner, lebt in Bielefeld und ist Senior Berater der INNOVECS GmbH und berät und unterstützt Unternehmen deutschlandweit. Er hat als Bereichsleiter in Banken und als Geschäftsführer in mittelständischen Unternehmen gearbeitet und kennt die Praxis kritischer Unternehmenssituationen sowie die Anforderungen von Banken und Investoren aus erster Hand. Sie erreichen ihn unter dirk.elsner[at]innovecs.de. Für mittelständische Unternehmen liegen die Schwerpunkte der Unternehmensberatung INNOVECS GmbH in der betriebswirtschaftlichen Analyse, Planung und Optimierung sowie in der Strategieentwicklung, der Unternehmenssicherung und im Krisenmanagement (mehr dazu hier).

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