Die zähe Eigenkapitalbeschaffung mittelständischer Unternehmen

by Dirk Elsner on 17. Februar 2010

Das Thema Finanzierungsklemme und Eigenkapitallücke beschäftigt viele Unternehmen. Sie hadern derzeit mit ihren Banken, weil diese Fremdmittel nicht in gewünschter Höhe bereitstellen. Allerdings ist die Finanzierungsklemme nur zum Teil auf die restriktive Kreditvergabepraxis der Banken zurückzuführen ist. Seit Monaten beobachten wir in der Beratungspraxis neben der vielzitierten Zurückhaltung der Banken eine Eigenkapitalklemme bei vielen mittelständischen Unternehmen.

Der Weg zum frischen Eigenkapital ist freilich schwieriger als gedacht. Dies hatte bereits vor einigen Jahren eine Arbeitsgruppe unter Federführung der KfW diagnostiziert und entsprechende Maßnahmen vorgeschlagen. Festgestellt wurde damals eine Lücke im Beteiligungsmarkt (siehe hier), die vor allem zeigt, dass Unternehmen mit mittleren Kapitalbedarfsgrößen Beschaffungsprobleme haben.

Prinzipiell, so ist immer wieder zu hören und zu lesen, sei mittlerweile genügend Kapital da. Hunderte von Private-Equity-Firmen, Family-Offices und Mezzanine-Investoren sitzen auf Liquidität, die investiert werden will. Dennoch fließen die Mittel nicht dorthin, wo der Bedarf besteht. Über die Gründe wird viel nachgedacht und geschrieben (auch in dieser Studie der Deutschen Börse). Häufig beschränken sich die Gründe auf steuerliche und institutionelle Rahmenbedingungen, die Beteiligungen erschweren. Schaut man in die Praxis, dann ergeben sich aber zahlreiche weitere Ursachen, die ich hier kurz skizzieren will:

Kein geübter Umgang mit Investoren

Das Gro der mittelständischen Unternehmen ist es nicht gewohnt, Eigenkapital von Investoren einzuwerben. Sie wollen dazu weder ihre Geschäftspolitik offenlegen noch sich den “Regeln der Finanzmärkte” unterwerfen. Insbesondere Familienunternehmen hegen eine große Abneigung dagegen, die Mehrheit an der eigenen Firma abzugeben. Dies fordern aber immer noch zu viele Investoren (freilich längst nicht alle), um so ihren eigenen Kapitalgebern eine Sicherheit per Einflussnahme zu bieten.

Ob eine Mehrheitsbeteiligung jeweils notwendig ist, sollten die Beteiligungsgesellschaften einmal überdenken, denn sie profitieren meist vom Engagement der Alteigentümer. Deren Gestaltungswille lässt allerdings deutlich nach, wenn ihr Entscheidungsspielraum eingeengt wird oder der bisher freie Entscheidungen gewohnte Alteigentümer sich mit einem Beteiligungsbetreuer abstimmen soll.

Vorurteile auf Basis spektakulärer Fälle

Wenig hilfreich für die Praxis war die “Heuschreckendebatte”. Diese stellte Beteiligungsinvestoren als geldgierige Blutsauger dar, die ausschließlich an der möglichst gehebelten und kurzfristigen Maximierung der Investitionen interessiert seien. Ich persönlich kenne solche Beteiligungsunternehmen nicht aus der eigenen Zusammenarbeit.

Gleichwohl gibt es Fälle (etwa das Beispiel Märklin), die wenig fruchtbar oder sogar schädlich für die Unternehmen waren. Märklin sorgte ja bekanntlich deswegen für Schlagzeilen, weil die Investoren ständige neue und vor allem hochbezahlte Interim Manager im Unternehmen platzierten. Dadurch saugten die Berater hohe Summen ab und trieben das Unternehmen gleichzeitig in die Insolvenz. Wenn dann die eingeleiteten Kostensenkungsmaßnahmen gerade nur die Beraterhonorare abdecken, wird man sich kaum Freunde im Unternehmen machen.

Mängel in den Planungsprozessen

Kapitalgeber wollen vor allem ein Gefühl dafür bekommen, ob ein Unternehmen in der Lage ist, künftig Gewinne auszuschütten bzw. den Wert steigern kann, um es mit deutlichen Aufschlägen verkaufen zu können. Um dies einigermaßen systematisch beurteilen zu können, bedarf es geeigneter Planungsunterlagen. Von jedem Gründer, der Mittel einwerben will, wird heute ein Businessplan verlangt. Viele Unternehmen planen aber nach wie vor unzureichend oder gar nicht.

Kürzlich berichtete mir der Kreditleiter einer Bank, er erhalte nur von etwa 12% seiner Kreditnehmer zufriedenstellende Planungsunterlagen. Ein mittelständischer Familienunternehmer dagegen sagte mir vor ein paar Monaten. “Wieso aufgeschriebene Planung? Ich habe die Planung im Kopf. Ich weiß genau, was ich in den nächsten Jahren machen will und muss.”

Für potentielle Kapitalgeber entsteht so der Eindruck, es regiere das vielgerühmte Bauchgefühl. Wer die Halbwertzeit vieler Planungen kennt, der wird sogar zustimmen, dass ein gutes Bauchgefühl mehr Wert sein kann, als noch so ausgefeilte Controlling-Systeme. Gleichwohl, Kapitalgeber beurteilen keine Investition allein anhand von Bauchgefühlen, denn auch sie müssen über ihre Investitionsentscheidungen Rechenschaft ablegen.

Einigen Investoren fehlt es an der Mittelstandsorientierung

Viele Investoren sind zwar versiert in der Strukturierung großer Transaktionen und deren Finanzierung, sie verstehen aber häufig nicht, wie Mittelständler ticken. Natürlich, den Mittelständler gibt es nicht. Nach meiner persönlichen und sicher nicht repräsentativen Wahrnehmung zeichnen sich die Eigentümer und Leiter mittelständischer Unternehmen neben einer klaren Vision für ihre Produkte und Leistungen durch langfristige Denke, hohe Verantwortung für Unternehmen, Mitarbeiter und Region aus.

Zur Kritik Anlass gibt vor allem das Auftreten der Vertreter einiger Beteiligungsgesellschaften, wie ich in der Praxis immer mal wieder höre. Gerade zu “kleineren Unternehmen” werden “Junioren” geschickt, die mit theoretischem Halbwissen und ohne praktische Erfahrung einem Senior-Boss oder altgedientem kaufmännischen Leiter gegenübersitzen. Anhand reiner Kennzahlenanalyse wird den Seniors dann “nachgewiesen”, wie schlecht das Unternehmen laufe und was man alles besser zu machen gedenke. Das Winken mit Abschlüssen renommierter Business-Schools beeindruckt übrigens einen deutschen mittelständischen Unternehmer überhaupt nicht. Wenn ein smarter Berater ein Unternehmen einfach nur in eine Balanced Scorecard pressen will, dann regen sich schnell Widerstände.

Scheitert ein Projekt an diesen Faktoren, dann wird es für Investoren Zeit, ihre Vorgehen zu überdenken und ihre Wissen um die Strukturen des Mittelstands erhöhen, denn gerade bei mittelständischen Unternehmen winken durch niedrigerer EBIT-Multiples deutlich höhere Renditen.

Machtbalance und mögliche Verteilungskonflikte

Nicht unterschätzen sollte man die Machtbalance in mittelständischen Unternehmen, die sich durch einen externen Eigenkapitalgeber deutlich verändern kann. Eng damit zusammen hängen antizipierter Verteilungskonflikte zwischen Alt- und Neueigentümer. Mit diesen rechnen jedenfalls die bisherigen Gesellschafter, wenn sie nach der Kapitalzufuhr einen spektakulären Erfolg erwarten und diesen nicht teilen wollen. Die Alteigentümer trauen ihrem Unternehmen aufgrund ihres Erkenntnisvorsprungs (und weil sie möglicherweise Risiken eher ausblenden) wesentlich mehr zu als ein Investor, der nur nüchtern Daten und Märkte analysiert. Diesen “erwarteten” Mehrerfolg möchte aber kaum ein Alteigentümer teilen. Daher werden liebend gern Eigenmittel gesucht, die das Beteiligungskapital nicht verändern wie stille Beteiligungen oder Mezzanine-Finanzierungen.

In diese Kategorie könnte man auch die Abneigung vieler Familienunternehmen aufnehmen, ihr “Lebenswerk” nicht unter Wert verkaufen zu wollen.

Kosten des Eigenkapitals und steuerliche Diskriminierung

Eng mit dem vorgenannten Punkt hängen die Kosten des Eigenkapital zusammen. Diese sind, sehen wir einmal von staatlichen Fördermaßnahmen ab, deutlich höher als die Kosten für Fremdkapital. Dazu kommt noch die steuerliche “Diskriminierung des Eigenkapitals”. Finanziert ein Unternehmen seine Investitionen durch eine Kreditaufnahme, so sind die Zinsen grundsätzlich als Betriebsausgaben abzugsfähig, und die Erträge der die Kredite refinanzierenden Anleger sind lediglich mit der Abgeltungssteuer von rd. 27,4 % belastet. Finanziert es die Investitionen dagegen durch Ausgabe von Eigenkapital, so kommt es sowohl bei Kapital- als auch bei Personengesellschaften zu einer steuerlichen Gesamtbelastung auf Unternehmens- plus Gesellschafterebene von nahe 50 % (mehr dazu hier mit weiteren Details).

Die Kapital suchenden Unternehmen übersehen leider häufig, dass eine gute Eigenkapitalausstattung die Fremdkapitalkosten senken kann, weil sich die Risikosymmetrie zu Gunsten der Banken verbessert.

Intransparenter Markt und hohe Transaktionskosten

Der Markt für Eigenkapital für mittlere Losgrößen ist intransparent. Allein die Transaktionskosten für die Beschaffung schrecken viele Unternehmen ab und das zu Recht. Der Prozess, einen Investor zu suchen und aufzunehmen will wohlüberlegt und geplant sein. Sie müssen zunächst einmal ein geeignetes Konzept entwerfen, dann eine Art Verkaufsunterlage mit Businessplan erstellen, die Drittvergleichen stand hält und vieles mehr, bevor Kapital fließt (siehe diese Mindmap für die verschiedenen Phasen). Zentraler Angelpunkt dabei ist es, das “richtige” Beteiligungsunternehmen zu finden.

Dazu gilt es aus einer Vielzahl von Kapitalanlagegesellschaften den potentiellen Partner für den Erstkontakt heraussuchen. Dabei helfen (neben Beratern) umfangreiche Übersichten wie etwa die vom Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften. Es ist in der Praxis jedoch alles andere als einfach, den geeigneten Investor herauszufiltern. Dies gilt insbesondere dann, allem wenn es nicht um die Start-up-Finanzierung eines vielversprechenden oder gehypten High-Tech-Geschäftsfeldes geht, sondern etwa um ganz klassischen Maschinenbau. Solche Investitionsfelder sehe viele Investoren, die ja mit bestimmten “Anlagetrends” selbst Geld einwerben müssen, häufig nicht als “sexy” an.

Erstaunlich ist, dass sich hier bisher trotz moderner Informationstechnik keine Informationsplattform für mittelständische Gesellschaften durchgesetzt hat, die die Zusammenführung von Kapitalnehmern und Kapitalgebern deutlich erleichtert.

Praktiker wissen, hat man eine passende Gesellschaft gefunden, bedeutet dies noch lange nicht, dass es überhaupt zu einer Kontaktaufnahme, geschweige denn zu einem Abschluss kommt. Die Gesellschaften erwarten in der Regel gewissen Mindeststandards der Unterlagen, die hinreichend professionell aufgemacht und vor allem konsistent sein sollten.

Neben diesem Vorbereitungs- und Suchaufwand  fallen in der Folge erhebliche weitere Kosten an (Due Diligence, Rechtsberatung etc.) bis es zu einem Beteiligungsabschluss kommt. Die eigentlich notwendige Verhandlung mit mehreren Beteiligungsgesellschaften verbietet sich hier schon fast von selbst. Erschwerend kommt hier hinzu, dass jede Gesellschaft hier eigene Anforderungen an Unterlagen hat. Es wundert also nicht, wenn die Suche nach Eigenkapital erst ab bestimmten Beträgen lukrativ wird,

Verpasse Chancen und neue Formen der Finanzintermediation

Nicht widerlegt werden diese Thesen durch eine Studie der Unternehmensberatung Intes, über die die FTD schrieb. Danach würden zur Restrukturierung nur 20% der befragten mittelständischen Unternehmen die Hilfe von Unternehmerkollegen oder unternehmereigenen Beteiligungsgesellschaften annehmen. Einen Private-Equity-Fonds würden nur acht Prozent in die Firma lassen, sollte diese in Schieflage geraten – unbeliebter sind nur Staatsfonds.

Natürlich lassen sich auch immer wieder Beispiele finden, bei denen die Suche anders und leichter verläuft, wie etwa wenn über persönliche Netzwerke auf Kapitalgeber z.B. über oder stille Einlagen zurückgegriffen werden kann (siehe auch diesen Artikel in der FTD über Familienunternehmen, die gut mit Kapital ausgestattet sind). Einfacher erscheint hingegen die Kapitalbeschaffung für Start-ups, insbesondere wenn sie ein “Modethema” bedienen. Gleichwohl spricht auch hier eine Studie im Auftrags des Bundeswirtschaftsministerium (pdf) von einer “Intransparenz des Marktes”.

Die Kapitalbeschaffung für mittelständische Unternehmen und Gründer bleibt also schwer. Und dieser Druck wird in den nächsten Monaten zunehmen, weil der aus Auftragssteigerungen und Investitionswünschen folgende Finanzbedarf steigt. Die damit einhergehenden finanzwirtschaftlichen Risiken erfordern einen höheren Risikopuffer in Form von Eigenmitteln. Auf der anderen Seite suchen institutionelle und private Investoren händeringend nach Anlagemöglichkeiten in neuen Assetklassen. Der Mittelstand bietet diese.

Investoren und Kapitalnehmer könnten sich das Leben erleichtern, wenn sie mehr aufeinander zugehen. Unternehmen, die das nicht wollen, bezahlen dies im Zweifel mit stagnierendem Wachstum. Investoren, die nicht die Bedürfnisse und Sprache mittelständischer Unternehmen verstehen, verpassen interessante Investments. Wünschenswert wäre es, wenn der Staat diese Annäherung mit erleichterten Rahmenbedingungen flankieren könnte.

Ich bin indes sicher, der Marktdruck auf beiden Seiten wird zu einer Annäherung führen. Zusätzlich befördert wird dies, weil sich Banken aufgrund der erwarteten Regulierung noch stärker aus Risikoengagements zurückziehen und daher ein größerer Teil der Finanzintermediation an den regulierten Instituten vorbeilaufen wird. Peer-2-Peer-Kreditbörsen wie etwa Smava bilden hier bereits die Vorhut zu einer neuen hochinteressanten Marktentwicklung.

Nachträge im Blick Log:

Gedankenspiele zur Eigenkapitalfinanzierung 2.0: Vorüberlegungen (8.3.10)

Gedanken zur Eigenkapitalfinanzierung 2.0 – Teil 1: Konzeptionelle Grundlagen (9.3.10)

Gedanken zur Eigenkapitalfinanzierung 2.0 – Teil 2: Ein Modell (10.3.10)

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