Serie Management in rauen Zeiten: Ausgewählte Maßnahmen zur Deckung des Kapitalbedarf (incl. Mindmap)

by Dirk Elsner on 15. April 2010

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Mindmap Kapitalbeschaffung

Das Thema Finanzierungsklemme und Eigenkapitallücke beschäftigt weiterhin viele Unternehmen[1]. Sie hadern derzeit mit ihren Banken, weil diese Fremdmittel nicht in gewünschter Höhe bereitstellen. Mit diesem Beitrag wird daher die praxisorientierte Serie „Management in rauen Zeiten“, die sich vor allem an den Bedürfnissen mittelständischer Unternehmen orientiert, fortgesetzt. Nach verschiedenen internen Vorbereitungs- und Managementmaßnahmen (Überblick hier), betrachten wir in bewährter Form nebst der Mindmap Maßnahmen zur Deckung des Kapitalbedarfs.

Bekanntlich versteht man unter Kapitalbedarf den Bedarf an geldwertmäßigen Mitteln, also an Sach- und Finanzmitteln zur Erfüllung betrieblicher Ziele.[2] Hier soll es nun aber nicht um eine akademische Übung gehen[3], sondern um eine praxisnahe Hilfestellung.

Die Erschließung zusätzlicher Finanzierungsquellen kann in der Krise die oft einzige Rettung sein, falls aus dem laufenden Geschäft nicht zügig wieder ein ausreichender positiver Cashflow erwirtschaftet werden kann. Wichtig ist hier freilich, rechtzeitig zu handeln und die zusätzlichen Finanzierungsquellen möglichst vor einer (potentiellen) Krise zu erschließen, um sie kurzfristig aktivieren können[4].

So sollte man sich es als Unternehmen bewusst machen, dass eine sehr kurzfristige Erschließung zusätzlicher externer Finanzierungsquellen gerade in der Krise ist außerordentlich schwierig ist und daher nicht als verlässliches Instrument einkalkuliert werden kann[5]. Der Erfolg hängt wesentlich davon ab, in welcher Krisenphase sich ein Unternehmen befindet und welche Maßnahmen es eingeleitet, um (potentielle) Kapitalgeber von einer positiven Fortführungsprognose zu überzeugen.

Die Maßnahmenbündel Liquiditätssicherung (respektive Optimierung des Working Capitals) und Kapitalbeschaffung sind eng miteinander verzahnt. Wesentlich Unterschiede liegen aber in der Fristigkeit und in der Herkunft der Mittel. Liquiditätsverbessernde Maßnahmen zum Kosten- und Working Capital Management hat ein Unternehmen idR selbst in der Hand und kann sich über diesen Weg notwendige Spielräume selbst „erarbeiten“. Will das Unternehmen seinen Kapitalbedarf von außen decken, ist es auf Kapitalgeber angewiesen, die in welcher Form auch immer Einfluss auf das Unternehmen ausüben.

Eine ausführliche Beschreibung der Maßnahmen zur Kapitaldeckung müsste aus diesem Beitrag ein Handbuch machen. Der praktische Mehrwert dieser Reihe liegt vor allem in der umfassende Übersicht verschiedenster Maßnahmen in diese Mindmap. Die meisten Zweige beinhalten weitere Erläuterungen und/oder Links auf ergänzende Dokumente[6].

Natürlich empfiehlt es sich dringend, sich vor dem (Re-)Design der Finanzierung ein paar Gedanken machen. In vorangegangenen Beiträgen habe ich bereits auf die Notwendigkeit einer Finanz- und Liquiditätsplanung sowie idealerweise der Simulation von Planungsrisiken hingewiesen und praktische Hinweise gegeben. Daneben ist es unbedingt zu empfehlen, zur Ausgestaltung der Finanzierungsseite eine systematische Finanzpolitik zu erarbeiten, die bei größeren Gesellschaften schriftlich dokumentiert sein sollte. Zur Unternehmensstrategie und -planung gehört also immer auch eine Finanzierungsstrategie und –planung, die die Geld- und Kapitalbereitstellung sowie die Liquiditätssicherung klärt.

Alle externen Finanzierungsmaßnahmen haben auf verschiedenste Steuerungsparameter des Unternehmens unmittelbaren oder zumindest mittelbaren Einfluss. Es ist daher dringend zu raten, sich diese bewusst zu machen, weil daraus Einschränkungen in der Unternehmenspraxis in welcher Form auch immer folgen können. Zu diesen Parametern gehören insbesondere:

  • direkte Kosten der Finanzierung
  • Opportunitätskosten und indirekte Kosten der Finanzierung
  • Fristigkeiten und Kündigungsmöglichkeiten
  • Einschränkungen durch Stellung von (zusätzlichen) Sicherheiten (siehe dazu unten mehr)
  • Auswirkungen der Maßnahmen auf Bilanz GuV, und Liquiditätsrechnung
  • (regelmäßige) Informationspflichten, Berichtswesen
  • Wer stellt (zusätzliche) Sicherheiten und welche Abhängigkeiten werden dadurch geschaffen
  • Einflussmöglichkeiten auf Geschäftspolitik bei Verstoß gegen vereinbarte Covenants (spezielle Kreditklauseln),
  • Einhaltung der Covenants ist zu überwachen. Andernfalls drohen verschlechterte Kreditkonditionen, die Verweigerung einer Prolongation oder sogar eine Kreditkündigung
  • Steuerliche Wirkungen von Finanzierungsmaßnahmen

Nicht empfehlenswert ist es, sich ausschließlich auf das Leistungsangebot (s)einer (Haus-)Bank zu verlassen. Die Finanzierungsbetreuer empfehlen nicht immer das für den Kunden optimal mögliche Konzept, insbesondere dann nicht, wenn Finanzierungsbestandteile nicht zum Produktangebot einer Bank gehören. Daher sollte ein Unternehmen prüfen, ob ausreichendes finanzwirtschaftliches Fachwissen (auch im Management) vorhanden ist und eine Lücke ggf. durch externe Unterstützung sicherstellen.

Öffentliche Förderung

Skript und Mindmap gehen gehen längst nicht auf alle Möglichkeiten der öffentlichen Förderungsmöglichkeiten ein. Zu bedenken ist aber, dass selbst die KfW als Förderbank Finanzierungen für „Unternehmen in der Krise“ i. d. R. explizit ausschließt. Insofern bestätigen Gleißner und Schaller meine praktische Erfahrung, sich nicht auf öffentliche Förderprogramme zu verlassen, da man als Unternehmen möglicherweise die Kriterien nicht erfüllt. Ausnahme können besondere Bürgschaftsprogramme sein, die aber in den Unternehmen eine nachhaltig positive Zukunftsprognose sehen und darüber hinaus oft auch ausreichende freie eigene Sicherheiten erfordern[7].

Rating

Das Rating[8] eines Unternehmens spielt für die Finanzierung und vor allem für die Finanzierungskosten bekanntlich eine immer größere Rolle. Es ist letztlich eine Art Note, die Aufschluss über die Bonitätseinstufung gibt. Mit Hilfe dieser Bonitätsbeurteilung soll eingeschätzt werden, ob ein potenzieller Kreditnehmer in der Lage sein wird, seinen Kreditverpflichtungen vereinbarungsgemäß nachzukommen.

Die Bonitätseinstufung eines Kreditnehmers wird mit Hilfe mathematisch-statistischer Verfahren ermittelt. Bewertet werden quantitative und qualitative Faktoren auf Basis gelieferter Informationen und der Präsentation des Managements. Diese Faktoren kann das Unternehmen mehr oder weniger stark beeinflussen. Daneben fließen Markt- und Umweltfaktoren in die Bewertung ein.

Nach welchen Kriterien Kapitalgeber konkret ihr Rating festlegen, bleibt (leider) geheim. Der genaue Berechnungsalgorithmus bleibt ein Betriebsgeheimnis und wird nicht offengelegt[9]. In der Praxis verwenden Kreditinstitute unterschiedlichste Modelle. Hauptelemente der Bonitätsprüfung sind etwa die drei als klassischen Pfeiler bezeichneten[10] „Produkte und Märkte“, „Management“ (Qualität, Charakter) und „Finanzielle Lage und Entwicklung“. Oder man spricht auch von den “five C”: capacity, character, capital, conditions and collateral.

Dazu werden meist Scoring-Modelle und Kennzahlensysteme[11] verwendet, die einen statistischen Zusammenhang zwischen Ausprägungen qualitativer und quantitativer Merkmale dieser Modelle und Kreditausfällen in der Vergangenheit aufweisen[12].

Hier kann zu diesem Zeitpunkt nicht vertieft werden, ob es für ein mittelständisches Unternehmen sinnvoll ist, ein externes Rating zu beauftragen. Dazu sind vor allem die Kosten-Nutzen-Aspekte abzuwägen. Die Preise für ein Erstrating schwanken in Abhängigkeit von der Ratingagentur und der Unternehmensgröße zwischen 4.000 und 60.000 €. Trotz der Gleichstellung von internen und externen Ratings durch Basel II verlassen sich Banken aber ohnehin nicht auf externe Beurteilungen für die Kreditvergabe, sondern veranlassen meist ein internes Rating[13].

Ein externes Rating kann aber durchaus Sinn machen, um so Anhaltspunkte für die eigene Finanzierungspolitik zu bekommen.

Kreditsicherheiten in Sicherheit bringen

Die aktuelle Wirtschaftskrise ist für viele Unternehmen vor allem eine Zeit der Kreditkrise, weil vielen Unternehmen Kredite verweigert werden. In diesem Zusammenhang ist mir im Rahmen meiner Beratungstätigkeit ein ganz praktisches Thema aufgefallen, das sich Finanzchefs für bessere Zeiten auf ihre To-Do-Liste packen sollten: Bringen Sie ihre Kreditsicherheiten in Sicherheit!

Der Hintergrund ist ganz simpel. Zwar haben viele Unternehmen in ihren Vermögenswerten eigentlich noch ausreichend Reserven, die mit zusätzlichen Krediten beleihbar wären. Gerade bei vielen mittelständischen Unternehmen ist es aber üblich, dass sich die Hausbanken über länger zurückliegenden Kreditsicherungsverträgen alle wesentlichen Vermögenswerte als Kreditsicherheit schon haben einräumen lassen[14].

Das kann zu paradoxen Situationen führen. So stehen etwa für neue Kredite keine Sicherheiten mehr zur Verfügung, weil sich Banken in dieser Zeit schwer tun, Kreditsicherheiten frei zu geben. Sie verweigern dies gern mit dem Verweis darauf, dass die Sicherheiten nun weniger Wert seien und die eigenen Kredite andernfalls nicht ausreichend abgesichert seien. Im Klartext: Entweder werden die Kreditsicherheiten nicht freigegeben oder die Kreditlinien werden im gleichen Atemzug reduziert, womit einem Unternehmen ebenfalls nicht gedient ist. Die gebundenen Kreditsicherheiten reduzieren so also den Finanzierungsspielraum.

Daher ist es ratsam, vor allem in wirtschaftlich guten Zeiten bzw. dann, wenn Kredite nicht vollumfänglich in Anspruch genommen werden, möglichst zügig die Freigabe von Kreditsicherheiten zu erwirken. Viele Unternehmen übersehen nämlich, dass Kreditsicherheiten unverändert erhalten bleiben, selbst dann, wenn die Kreditlinien nicht ausgeschöpft sind oder der Wert der Sicherheiten zunimmt.

Prüfen sollten Unternehmen außerdem, über welche immateriellen Vermögenswerte sie verfügen, die als Sicherheiten dienen könnten. Ob aber Lizenzierung, Sale-and-lease-back-Verfahren oder schlichte Beleihung, in beinahe jedem Unternehmen finden sich Vermögenswerte, deren Bilanzierung nach § 248 HGB weitgehend verboten ist, sich aber gleichwohl verwerten lassen.[15]

Interessenasymmetrien von Kapitalgebern bedenken

Vor Gesprächen mit Kapitalgebern ist es wichtig, sich in deren Denke hineinversetzen und deren jeweilige Interessenlagen zu antizipieren.

In der Praxis wird nämlich oft zu wenig an die Interessenasymmetrie zwischen Eigen- und Fremdkapitalgebern und der Fremdkapitalgeber untereinander gedacht. Dies kann aber für Verhandlungen und Vereinbarungen sehr bedeutsam sein.

Kapitalgeber denken letztlich stets an künftige Ertrags- und Kapitalrückflüsse und an die Risiken dieser Zahlungen. Die strategischen Handlungspfade der Kapitalgeber werden dabei nicht nur bestimmt durch die zukünftige Zahlungskraft des Kapitalnehmers, sondern auch durch die – wie oben gesehen- eingeräumten Sachsicherheiten und andere Formen der Kreditabsicherungen.

So ist es durchaus denkbar, eine mit einem hohen Kreditvolumen engagierte Bank, die sich nicht ausreichend gegen einen Kreditausfall abgesichert hat, zu einem zusätzlichen Kredit zu bewegen, wenn sie andernfalls fürchten muss, ihr Engagement abzuschreiben. Ein Institut, das ausreichend besichert ist, wird man dagegen in Krisenzeiten nur schwer zu einem zusätzlichen Engagement bewegen können.

Kompliziert wird es in der Praxis meist, wenn verschiedene Kapitalgeber unterschiedliche Interessen verfolgen. So ist es durchaus denkbar, dass einigen Kapitalgebern die Sanierung egal ist, weil sie sich gegen einen Kreditausfall abgesichert haben oder den Kredit weiterverkauft haben. In manchen Fällen kann es sogar zu der paradoxen Situation kommen, dass ein Kreditgeber eher Interesse am Kreditausfall hat, als an einer Sanierung, die ihn möglicherweise nötigt, auf Teile seine Forderungen zu verzichten[16].


[1] Siehe z.B. aktuell Zeit Online v. 12.4.10: KfW sieht wachsende Gefahr bei Kreditvergabe sowie laufend aktualisierte Übersicht Finanzierungs- und Kreditklemme im Blick Log.

[2] Vgl. Franz-Joseph Busse, Grundlagen der betrieblichen Finanzwirtschaft, 5., völlig überarb. und wesentl. erw. A., 2003, S. 41.

[3] Vgl. dazu besser das Lehrbuch von Franz-Joseph Busse, Grundlagen der betrieblichen Finanzwirtschaft, 5., völlig überarb. und wesentl. erw. A., 2003.

[4]Vgl. W. Gleißner u. A. Schaller, Krisendiagnose und Krisenmanagement, in: Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung (KSI), Heft 04/2009, S. 160.

[5]Vgl. W. Gleißner u. A. Schaller, Krisendiagnose und Krisenmanagement, in: Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung (KSI), Heft 04/2009, S. 161.

[6] Darüber hinaus gibt es natürlich umfangreiche Literatur zur Unternehmensfinanzierung.

[7]Vgl. W. Gleißner u. A. Schaller, Krisendiagnose und Krisenmanagement, in: Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung (KSI), Heft 04/2009, S. 160.

[8] Der Begriff „Rating“, der zum ersten Mal um 1850 in den USA im Zusammenhang von Bonitätseinstufungen von Schuldnern verwendet wurde, leitet sich aus dem englischen Verb „to rate“ ab, was soviel wie „einschätzen“ resp. „bewerten“ bedeutet. Tobias Schmalzhaf, Das Management qualitativer Risiken bei Banken – eine Untersuchung im Kontext von Basel II, Arbeitpapier Universität Trier, Professur für BWL, insbes. Wirtschaftsprüfung und Rechnungswesen.

[9] Häufig kennen nicht einmal die Kreditsachbearbeiter in den Banken den Berechnungsalgorithmus.

[10] Vgl. Rudolf Volkart, Unternehmensfinanzierung und Kreditpolitik, 2000, S. 72.

[11] Ein Beispiel für ein finanzielles Kennzahlensystem ist etwa das DuPont-System.

[12] Ob und in welchem Umfang diese Modelle zur Kreditrisikobeurteilung ausreichend sind, muss der Fachdiskussionen überlassen bleiben. Vgl. dazu etwa „Leistungswirtschaftliche Risiken im Unternehmensrating gemäß Basel II“ und T Tobias Schmalzhaf, Das Management qualitativer Risiken bei Banken – eine Untersuchung im Kontext von Basel II, Arbeitpapier Universität Trier, Professur für BWL, insbes. Wirtschaftsprüfung und Rechnungswesen.

[13] Vgl. J. Greitemeyer, Externes Rating als strategische Option, Expertenbrief April 2004 erschienen auf www.wjd-mittelstandsfinanzierung.de, Download hier.

[14] Siehe zu der Politik der Kreditsicherheiten auch F. Wiebe, Wie die Banken wieder zu Pfandleihern werden, in: Handelsblatt v. 14.4.10, S. 12.

[15] Vgl. Daniel Borchardt, Was der gute Name noch Wert ist, in: Handelsblatt.com v. 16.5.09.

[16] Vgl. ein öffentlich bekanntes Beispiel im Blick Log: Warum Gläubiger von GM ein Interesse an der Insolvenz haben.

Der Autor, Dirk Elsner, lebt in Bielefeld und ist Senior Berater der INNOVECS GmbH und berät und unterstützt Banken und mittelständische Unternehmen deutschlandweit. Sie erreichen ihn unter dirk.elsner[at]innovecs.de. Für mittelständische Unternehmen liegen die Schwerpunkte der Unternehmensberatung INNOVECS GmbH in der betriebswirtschaftlichen Analyse, Planung und Optimierung sowie in der Strategieentwicklung, der Unternehmenssicherung und im Krisenmanagement (mehr dazu hier).

dels April 16, 2010 um 09:16 Uhr

Der Aufbau der Cashbestände gilt aber vorwiegend für Unternehmen, die Zugang zum Kapitalmarkt haben. Bei vielen Mittelständlern, die ich auch von Innen erlebe, ist es genau umgekehrt. Viele, natürlich längst nicht alle, haben Cash verbrannt.

Tim April 15, 2010 um 22:10 Uhr

Was wir in den vergangenen 2 Krisenjahren sahen, war: Firmen bauten massive Cashbestände auf. Die Kosten und Investitionen wurden massiv zurückgefahren. Es waren Vorsichtsmaßnahmen. Kein Mensch wusste, wo und wann die Rezession enden würde. Tech-Konzerne sitzen jetzt auf Rekordsummen. Nun geht das Investieren wieder los. Die M&A-Aktivitäten nehmen zu. Kein Wunder: Die Krise scheint ausgestanden. Und für die Cashbestände gibt es nur lausige Zinsen.

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