In einer dreiteiligen Artikelreihe hatte der Blick Log Mitte Juni erklärt, warum die neue Finanzordnung gescheitert ist (Teil 1, Teil 2, Teil 3). Seit Mitte Juni sind die Bemühungen, die Finanzmärkte doch noch zu “zähmen”, mehr oder weniger erfolglos weiter gegangen (Überblick hier). Selbst wenn das vorläufig verabschiedete Empfehlungswerk aber längst nicht rechtswirksame Basel III als Erfolg der Regulierer gefeiert wird, ist das Bürokratiemonster (mehr dazu hier) weiterhin Gegenstand intensiver Debatten (guter Beitrag dazu hier von egghat).
Auf einer Tagung des Handelsblatts lieferten sich dazu Banken und Regulierer ein öffentlichkeitswirksames Showduell, mit einem vom Handelsblatt dramatisch formulierten Ende: Regulierung: Widerstand der Banken bricht zusammen.
Susanne Schmidt gibt in einem sehr lesenswerten Essay in der Printausgabe des Handelsblatts (paid content) einen Überblick die aktuelle Regulierungsdebatte. Schmidt befasst sich dabei u. a. mit der Entschärfung von Basel III. Bekanntlich wurden die ursprünglichen Vorschläge, nicht zuletzt Dank der Bundesregierung, deutlich gelockert. So haben deutsche Vertreter die Reform der verschärften Eigenkapitalregeln zunächst blockiert. Diese Blockade führt im Ergebnis dazu, dass die Kapitalausstattung der Banken nicht so zügig weiter erhöht werden muss und deutlich weniger Belastungen auf kapitalschwache Banken zukommen, als noch vor während der Finanzkrise gefordert.
Susanne Schmidt ist erzürnt über die Entwicklung und vermutet dahinter das alte Netzwerke der Finanzwelt. Sie schreibt u.a.:
“Man muss sich gewärtig sein, dass in diesen Verhandlungen dieselben Menschen sitzen, die auch schon vor der Krise für Aufsicht, Banken und Finanzplätze verantwortlich waren. Das ist ein Fehler. Dieselben Leute, verhaftet in denselben Denkschemata, mit denselben Interessen und derselben beruflichen und gesellschaftlichen Vernetzung machen sich an eine Aufgabe, die geistige Unabhängigkeit und Courage verlangt. Das ist eine Riesenchance für die Bank-Lobby, und sie scheint sie mit beiden Händen zu ergreifen.”
Wenn man so will, benachteiligen hier die individuellen Vorteile persönlicher Netzwerke die Gesellschaft, weil möglicherweise Lösungen geschaffen werden, die für die Netzwerkteilnehmer optimal sind, jedoch für die Gesellschaft kritisch sind. Entsprechend skeptisch schließt Schmidt ihren Artikel:
“Damit scheint die nächste Krise programmiert. Vielleicht nicht morgen oder übermorgen, aber danach. Eine neuerliche Finanzkrise mit staatlichen Rettungsaktionen und nachfolgender großer Rezession kann sich aber keiner leisten. Steuerzahler und Bürger würden letztlich wieder die Leidtragenden sein. Der Kampf um die Neuregulierung des Finanzwesens sollte daher im Sinne des Gemeinwohls gewonnen werden.”
Wie auch immer man nun dass Zustandekommen des erzielten Kompromiss um Basel III wertet, wer sich die Mühe macht, einmal das Dokument zu überfliegen, der wird schnell feststellen, dass dieses Papier die nächste Finanzkrise nicht verhindern wird. Die Umsetzung dieser Empfehlungen wird in den nächsten Jahren zu einer noch stärkeren Konzentration im Bankbereich führen und damit neue Risiken schaffen, die sich viele jetzt noch nicht vorstellen können.
Basel III wird die ohnehin im Mainstreambankenbereich kaum vorhandene Innovationsbereitschaft weiter lähmen und die Energie allenfalls in Prozessinnovationen und Aufsichtsarbitrage leiten. Gerade die Aufsichtsarbitrage ist ein nicht zu unterschätzender Kritikpunkt. Sie wird einmal dadurch genährt, dass längst nicht alle Länder mit einem Bankensystem diese Regelungen anwenden werden. Zweitens schaut das Werk nur auf die Banken und nicht auf den gesamten Finanzbereich (Sektorarbitrage). Somit ist zu erwarten ist, dass diverse Geschäfte in weniger regulierte Sektoren (Hedge-Fonds, Private Equity und andere Investmentvehikel) abwandern wird. Drittens lassen die Regeln den Aufsichtsbehörden länderspezifische Spielräume.
Um hier nicht falsch verstanden zu werden. Der Blick Log wäre nicht dafür, diese oben genannten Regelungslücken in dem Konzept noch zu schließen. Dies würde das Bürokratiemonster zu einem Gozilla machen. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich dazu, dass wenige in Vorschriften gegossene Prinzipien ausreichen sollten, den Finanzsektor risikoadäquat zu regulieren:
- Kapitalunterlegung nach dem NENLE-Prinzip (NENLE = niedrigster erwarteter Nettoliquidationserlös”),
- darüber Transparenz für die Märkte zu schaffen und
- eine strikte Insolvenzordnung, die einen Bail-in mit Fremdkapital statt einen Bail-out der Steuerzahler vorsieht.
Vielleicht kann man das ja mal diskutieren.
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