Vor G20-Gipfel: Beeinflusst Chinas Rating-Downgrade die Schuldensituation der USA mehr als erwartet?

by Dirk Elsner on 11. November 2010

Das ist wieder einmal so eine Geschichte, warum ich Kapitalmärkte so unglaublich spannend finde. Da glauben die Major-Player auf den Märkten, sie hätten die Situation nach dem Lehman-Desaster endlich wieder unter Kontrolle und können sich wieder zurücklehnen und plötzlich wird von (fast) unerwarteter Seite an den Märkten gezündelt und für Verunsicherung gesorgt.

Nur Insider wussten bis vorgestern, dass China überhaupt über eine eigene Ratingagentur verfügt. Und die es wussten, haben sie bis dahin nicht ernst genommen und genau so belächelt, wie die europäischen Versuche, in diesen einflussreichen Specktopf einzudringen. Nun hat China sich Respekt verschafft und ausgerechnet vor dem G-20-Gipfel das Kreditrating für die USA gesenkt.

image

Die Ratingagentur Dagong Global Credit Rating äußert Zweifel an der Fähigkeit der USA, ihre Schulden vereinbarungsgemäß zurückzuzahlen (hier die Stellungnahme der Agentur). Sie stufte die Kreditwürdigkeit der USA von der Note AA auf A+ herab. Als Hintergrund mutmaßen Marktbeobachter den Ärger Chinas darüber, durch die USA mit Spekulationsgeld überschwemmt zu werden, weil die US-Notenbank Fed den Wirtschaftskreislauf mit 600 Mrd. Dollar fluten will. Eine unter Ökonomen äußerst umstrittene Maßnahme.

Interessant, dass die Agentur den USA schon bisher nicht die Bestnote vergab. Die drei großen internationalen und durch die Finanzkrise in ihrer Glaubwürdigkeit angekratzen angelsächsischen Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch beurteilen dagegen die Kreditwürdigkeit die USA jeweils mit der Bestnote. Ob dies auf Dauer so bleibt, wird aber immer mehr in Zweifel gezogen. Zeigen lässt sich dies an den Vorhersagemärkten.

An der Prognosebörse Intrade werden Kontrakte mit Erwartungen darauf gehandelt, dass das Rating der USA heruntergestuft wird. Vor der Ratingherabstufung notierte die Wahrscheinlichkeit einer Herabstufung bis Ende 2011 bei 15%. Mit der Bekanntgabe, das zeigt der Chart oben, erhöhte sich die Erwartung auf eine Ratingherabstufung auf fast 30%.

Ob die Märkte sich wirklich durch die Rating-Herabstufung verunsichern lassen, ist daraus freilich nicht abzulesen. Eine Irritation der Märkte könnte besser an den Preisen für Kreditausfallversicherungen abgelesen werden. Hier liegen mir allerdings keine Informationen vor, die auf einer Verschlechterung der Credit Spreads der USA hindeuten.

So wird die Rating-Herabsetzung eher als politisch motiviert angesehen. Dennoch, der Schachzug Chinas birgt eine besondere Brisanz, weil sich das Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber China lt. FTD auf über 200 Mrd. Dollar jährlich beläuft. China gehört zu den größten Gläubigern der USA und hat riesige Dollar-Reserven angehäuft, die helfen die US-Währung zu stabilisieren. Nur so konnten US-Regierung und Verbraucher jahrelang so massiv auf Pump leben. Diese auch als Saving-Glut bezeichnete Ungleichgewichte gilt als eine wesentliche Mitursache der Finanz- und Wirtschaftskrise.

China hat jedenfalls dafür gesorgt, dass die Aufmerksamkeit für die G-20 Tagung in Seoul deutlich höher liegen dürfte, als zunächst vermutet. Man darf erwarten, dass dieser Gipfel, außer der Zustimmung zu den Basel-III-Vorschlägen, keine nennenswerte Ergebnisse bringen wird.

Previous post:

Next post: